Das hatte sie jetzt nicht erwartet.
Mag sein, dass die Reiterin ein ähnliches Aussehen hat. Mag sein, dass sie dieselbe samte Stimme hat wie sie. Mag sein, dass sie sich telepathisch verständigen können - wie auch immer das funktionieren soll. Aber dass die Frau Dahlias Mutter sein soll, konnte sie sich in diesem Augenblick überhaupt nicht vorstellen.
Das versetzte Dahlia einen Tritt; sie taumelte einen Schritt nach hinten und starrte die Frau auf dem Pferd mit erschrockenen Augen an. Trotz der Ähnlichkeiten sah sie keine Verbindung zu ihr - also wie konnte das sein?!
„Ich musste dich auf diesen Planeten zurücklassen, weil damals ein Krieg zu führen galt", erklärte sie betroffen. Aber das erklärte immer noch nicht, wie Dahlia ihre Tochter sein soll. Obwohl sie bei Pflegeeltern groß geworden war, konnte sie es sich immer noch nicht vorstellen.
„Ich weiß, es ist schwer zu begreifen, Dahlia. Unter Menschen aufzuwachsen, die alle nicht glauben können, sondern nur durch ihre angeblichen Fortschritte Beweise brauchen, ist schwer. Deswegen will ich dir deine Heimat zeigen – deine wahre Heimat. Aber das kann ich nur, wenn du es mir gestattest."
„Ist Dahlia dann auch mein wirklicher Name? Und weshalb sprechen Sie von „angebliche Fortschritte"? In den letzten Jahrhunderten haben die Menschen sich außerordentlich weiterentwickelt."
„Und wohin hat es sie getrieben?" Dazu konnte sie nichts mehr sagen. Die Frau, die sich für ihre Mutter hält, hatte recht. Der Klimawandel und die Kriege entstanden allein wegen dem Menschen und seiner Besessenheit von Fortschritt. Aber das änderte nichts daran, dass ihre Behauptung, der Mensch täte keinen Fortschritt, nicht wahr ist. Trotz des falschen Weges haben sie viel in der Wissenschaft geleistet.
„Dein elbischer Name ist Linaeloth, weil du am See der Weißblüten geboren wurdest. Dahlia, ich kann dich nicht zwingen mit mir zu kommen, aber wenn du auch nur ansatzweise neugierig bist, wirst du doch wohl mitkommen wollen, oder? Das weiß nämlich jeder; Menschen sind neugierig. Wenn du nicht bei mir bleiben willst, dann lasse ich dich auch wieder zurück auf die Erde, aber du solltest deine Herkunft kennen." Dahlia überlegte kurz und musste feststellen, dass sie den Namen der Frau gar nicht wusste. Sie schüttelte aber unauffällig den Kopf und legte die Stirn in Falten. Sollte sie mitgehen oder nicht? Letztendlich dachte sie sich was soll's und nahm die ausgestreckte Hand der Frau an, die ihr half, sich auf das Pferd zu setzen. Bevor der Schimmel jedoch los galoppierte, wandte sich die angebliche Mutter zu Dahlia. „Entschuldige, mein Name ist Niamh, die Königin von Tir na nOg. Halte dich gut fest, Linaeloth, Oisin ist ein schnelles Pferd", warnte die Frau Dahlia noch, bevor sie los galoppierten, und erinnerte sich an den ersten Moment, da der Schimmel an ihr vorbei galoppierte. Sie konnte Niamh nur zustimmen – Oisin ist wirklich schnell. Also klammerte sich Dahlia regelrecht an ihre Mutter, die mit der Zunge schnalzte.
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Tír na nÓg
FantasyWas passiert, wenn die schottische Legende um die Elbenstadt doch nicht bloß eine Legende ist? Dahlia ist als Waisenkind eher schüchtern und bei ihren Mitschülern nicht gerade beliebt. Als auf ein Mal seltsame Träume und mystische Begegnungen in ihr...