Von der Einsamkeit

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Er saß frierend in der klirrenden Kälte. Um ihn herum liefen vereinzelt einige Menschen. Alle an ihm vorbei. Niemand bemerkte ihn oder interessierte sich für ihn. Wieso sollte sich denn auch jemand für ihn interessieren. Er war doch nur ein armer, dreckiger Obdachloser. Für ihn musste sich doch niemand interessieren. Immerhin hatte er sich das alles ja selbstverschuldet. Er hätte doch nur arbeiten gehen müssen. Dann hätte er eine Wohnung, Geld und Essen. Und müsste nicht jeden Tag um Geld betteln um auch nur ein bisschen zu essen. Auch wenn es nie viel war.

Doch niemand wusste, wieso er wirklich auf der Straße lebte. Er wollte arbeiten. Er wollte immer arbeiten. Er hätte alles getan um einen Job zu haben, Geld zu verdienen und irgendwann eine Familie zu gründen. Doch niemand wollte ihn in seiner Firma haben. Ohne Grund lehnten alle Firmen ihn ab. Er konnte nirgends arbeiten. Und so auch kein Geld verdienen. Es blieb ihm gar nichts anderes über, als auf der Straße zu leben. Eine Wohnung konnte er sich nicht leisten und sonst kam er auch nirgends unter. Keiner seiner Freunde wollte ihn aufnehmen. Also lebte er auf der Straße. Vermutlich noch sein ganzes Leben.

Es war kalt draußen auf der Straße. Vor allem nachts. Aber in den letzten Jahren hatte er sich an diese klirrende Kälte gewohnt. Er konnte ihr trotzen und merkte sie manchmal schon gar nicht mehr. Wenn er Glück hatte konnte er nachts in einem Hauseingang schlafen. Da war es zumindest ein wenig wärmer, als draußen.

Aber es gab auch Nächte an denen er in der Kälte schlafen musste. Diese überstand er auch. Immer nur mit der Erinnerung daran, dass es am nächsten Tag sicher wärmer werden würde. Und mit der Hoffnung, dass er irgendwann mal von der Straße wegkommen konnte. Irgendwann. Die Hoffnung war zwar klein, aber es war eine Hoffnung.

Auch an diesem Tag saß er wieder auf der Straße. Auf den Treppenstufen zu einem Haus. Er hatte nur einen Pappbecher in der Hand, den er im Mülleimer gefunden hatte. In dem sammelte er sein Geld. Das wenige Geld, das die Leute ihm gaben. Es war nie sonderlich viel. Es gab nur wenige Leute, die so nett waren ihm Geld in den Becher zu werden. /

Die meisten gingen nur an ihm vorbei und ekelten sich vor ihm. Sie alle dachten sich wohl, dass sie nie so weit kommen wollen würden. Und wie schlimm ein Leben auf der Straße sein musste. Aber die Idee ihn zu unterstützen und ihm Geld zu geben kam niemandem. Wie würden sie sich wohl fühlen, wenn sie so wie er auf der Straße sitzen würden und auf das Geld anderer Leute angewiesen wären. Und alle, denen sie Hoffnung schenkten gingen nur an ihnen vorbei.

Im Moment lief eine junge Frau in seine Richtung auf der Straße. Sie trug eine zerrissene Jeans und ein schwarzes Oberteil. Er schätzte sie auf Mitte zwanzig. Sie würde vermutlich genauso an ihm vorbeigehen. Die jungen Leute interessierten sich am wenigsten für ihn. Von ihnen bekam er kaum Geld. Er wusste nicht, ob sie nur selbst nicht genug Geld hatten oder es einfach nicht ihm geben wollten. Voruverteilen wollte er sie nicht. Immerhin taten dies schon genug Leute bei ihm. . Und das wollte er niemand anderem antun.

Doch die junge Frau blieb tatsächlich vor ihm stehen. Sie sah ihn kurz schief an und beugte sich dann zu ihm herunter.

„Ist Ihnen nicht kalt?", fragte sie und sah ihn besorgt an.

„Doch. Aber ich muss hier leben. Ich habe kein Geld um mir eine Wohnung zu mieten", antwortete er ihr mit rauer Stimme. Reden tat er nicht oft. Mit wem denn auch. Die Fußgänger gingen an ihm vorbei und sonst hatte er auch niemanden mit dem er reden konnte.

„Das kann doch kein schönes Leben sein. Komm mit mir mit. In meiner Wohnung ist noch Platz. Dort kannst du wohnen bis du einen Job und eine Wohnung gefunden hast", bat sie ihm an und hielt ihm ihre Hände hin.

„Meinen Sie das ernst?", fragte er sie. Die kleine Hoffnung, die er immer hatte war zum Leben gekommen.

„Ja. Das meine ich ernst. Also nur, wenn sie mitkommen wollen", antwortete sie ihm und sah ihn fragend an.

„Natürlich möchte ich", meinte er leicht grinsend und stand vom Boden auf. Sein auswegloses Leben auf der Straße hatte endlich einen Ausweg gefunden.

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