Kapitel 18

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Als ich den Laden verließ war es draußen schon später Nachmittag und die Sonne neigte sich immer weiter dem Horizont zu. Sanfte orangetöne schmückten den Himmel und liefen in ein tiefes Blau über. Fröstelnd rieb ich mir die Gänsehaut auf den Armen. Schlussendlich war der Shoppingausflug nicht umsonst gewesen. Die schwere Tüte in meiner Hand behinderte mich leicht beim Gehen. Auch wenn meine Ausbeute großzügig ausgefallen war, breitete sich in mir ein taubes Gefühl aus. Bis jetzt konnte Monic mich halbwegs davon abhalten durchzudrehen, doch jetzt war keine ständig bestehende Stimme in meinem Ohr, die mich erdete.

Ich rempelte fast einen Mann an, was ich jedoch kaum bemerkte. Meine Schritte wurden schneller, mein Atem unregelmäßiger. Erst als ich bei der Bushaltestelle ankam und ich so außer Puste war, dass ich mich notgedrungen auf meine Knie abstützen musste, wurde mir klar, dass ich den ganzen Weg gerannt war. Und ich hatte es nicht einmal mitbekommen. Zu sehr kreisten meine Gedanken um all die Vorfälle.

Der Bus kam und öffnete die Türen. Eine mittelalte Frau die mit mir an der Bushaltestelle stand stieg ein und bezahlte. Auf der Brust trug sie ein Baby, das dicht an sie geschnallt war und friedlich schlief. Ich stieg hinter ihr ein, kurz bevor sich die Türen schlossen. Dann fuhr der Busfahrer los, ohne mich zu beachten. Ein Stich durchflog mich. Ich schloss die Augen und versuchte tief durchzuatmen. Bevor ich mir sicher war, nicht jeden Moment wie eine verrückte loszuschreien und aus dem fahrenden Bus zu springen, öffnete ich sie auch nicht.

Die ganze Busfahrt lehnte ich mit dem Kopf an der Scheibe und hörte Musik. Beinahe kam ich mir vor wie irgendein Protagonist aus einem Buch. Dieser Gedanke ließ mich leise Schmunzeln. Ich und Maincharakter, dass ich nicht lache.

Bei meiner Haltestelle wollte ich aussteigen, als ich den Schnuller, den das Baby vorher im Mund hatte, auf dem Boden liegen sah. Ich bückte mich und hob ihn auf. Die Frau saß nur eine Reihe weiter. Ich ging zu ihr und hielt ihr den Schnuller hin. Sie sah mich jedoch nicht an, was mich nicht sehr überraschte. Ich legte den Schnuller einfach auf den leeren Sitz neben ihr und stieg aus. Es war ein Wunder, dass der Busfahrer überhaupt die Türen geöffnet hatte.

Nach wenigen Minuten hatte ich unser Haus endlich erreicht. Ich schlich am Wohnzimmer vorbei, wo ich meine Eltern vor dem Fernsehen sitzen sah. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte war, ihnen zu begegnen. Ich tapste vorsichtig die Treppe hinauf. Es erwies sich als schwerer als gedacht mit einer schweren Tüte leise zu sein. Ich war froh, als ich mein Zimmer endlich erreichte. Ich drückte die Tür auf und konnte schon die Tränen fühlen, die ich mühsam auf dem Weg zurückgehalten hatte. Ich weinte nicht gern, und schon gar nicht außerhalb meines Zimmers. Deshalb war es mir im Nachhinein auch so peinlich diesen Ausrutscher vor Jason gehabt zu haben, auch wenn es eine völlig verständliche Reaktion gewesen war.

Meine Lunge schmerzte und ich wurde von Schluchzern geschüttelt, die ich mühsam zu unterdrücken versuchte. Ich presste meine Hand auf den Mund, was leider nur gering verhinderte, dass die Laute meiner Kehle entkamen. Es hatte mich mehr mitgenommen, als ich dachte. Ich meine wer würde denn ruhig bleiben können, wenn auf einmal niemand einen mehr sah. Aber die Unwissenheit war das Schlimmste. Sie drückte wie ein riesiges Gewicht auf meine Brust und nahm mir die Luft zum Atmen. Warum passierte das alles? Man konnte doch nicht einfach so unsichtbar oder vergessen werden. Es machte mich fertig.

War Monic die Einzige, die mich vergessen hatte?

Würden noch weitere folgen?

Bei dem Gedanken meine Familie oder Lia könnte mich vergessen schüttelte ein weiterer Heulkrampf meinen mittlerweile zitternden Körper. Das durfte nicht passieren! Aber wie sollte ich es verhindern? Ich hatte doch nicht mal eine Ahnung warum es passierte. Wie sollte ich in der Lage sein es aufzuhalten?

Verschwunden und VergessenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt