7 - Harper

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Ein wenig entnervt ließ ich die Tür die zu Gucci gehörte hinter mir zufallen. Auch wenn ich Gucci eigentlich mochte, und meine Mum die Inhaberin des Guccis in der Sloan Street persönlich kannte, weil sie seit mindestens zehn Jahren Stammgast war, hatte ich doch ein Problem damit, wenn man mir versuchte Oma-Kleider anzudrehen wenn ich explizit nach weitem Ausschnitt fragte.

Ich steuerte auf Jane zu, die mit einem Kaffeebecher in der Hand an einem Baum lehnte und mich skeptisch ansah. „Wieder nichts?", fragte sie und ich schnaubte entrüstet. „Nein. Aber vor allem kann es Nichts sein, wenn die mir Omakleider mit viel zu viel Spitzte oder Karomuster anbieten. Bin ich Harry Styles oder was?" Jane guckte mich amüsiert an und nahm ein Schluck aus ihrem Becher. „Und wohin gehen wir jetzt?" Ich ging im Kopf durch, welche Läden ich noch nicht abgeklappert hatte und sagte entschlossen: „Zu Dior können wir noch gehen."

Ich hatte das Gefühl die Sloan Street wie meine Westentasche zu kennen. Meine ganze Kindheit und Elternausflüge hatten hier her stattgefunden. Entweder weil meine Mutter gütig genug war, mich mitzunehmen wenn meine Schule frei hatte oder weil ich irgendwelche neuen Kleider brauchte. Als ich das erste Mal mit Monica, Jane und Rose shoppen war, war das geradezu ein Kulturshock für mich gewesen. Nicht bloß waren die Läden alle viel zu überfüllt sondern waren auch die Preise so niedrig, dass ich mich ernsthaft fragte, was für ein Teufelspackt bei der Herstellung wohl geschlossen wurde.

Im Gegensatz dazu, sah Jane hier ein wenig verloren aus. Nicht nur äußerlich passte sie mit ihrem gepunktetem Kleid, und den ausgetretenen Chucks hier nicht rein, sondern sie wirkte auch vollkommen verunsichert und wie etwas, was einem Hundewelpen sehr ähnlich kam. Bei Saint Laurent hatte sie mich vorhin im Flüsterton gefragt, ob sie die plüschig aussehende Hose anfassen durfte. Ich hatte gelacht und ich glaube sie hat das falsch aufgefasst und gedacht sie dürfte es nicht. Auch bei Chanel war sie keine Sekunde von meiner Seite gewichen und bei Tom Ford sollte sie dann für mich nachfragen ob es das eine Kleid auch in einer anderen Farbe gab, doch gab viel zu schnell auf weil sie sich vom Personal verunsichern ließ. Jane hatte mich danach schnell aus dem Laden geschliffen, und so richtig sicher ob das der richtige Move war, war ich immer noch nicht, denn hätten sie das Kleid in einer anderen Farbe gehabt, hätte ich es gern geholt. Während sie dann irgendwo hingewandert war, um sich einen Kaffee zu holen, war ich bei Gucci und musste mich enttäuschen lassen.

„Wofür genau brauchst du noch mal ein teures Kleid?", fragte Jane und warf ihren Kaffeebecher in den nächsten Mülleimer bevor sie nach mir Dior betrat.

„Für diese Anwaltsgala auf die mich meine Eltern schleppen.", erklärte ich. Weiter kam ich auch erst mal nicht, da eine Verkäuferin auf mich zugeeilt kam. „Kann ich ihnen irgendwie behilflich sein?", fragte sie.

„Ja, ich habe ziemlich genaue Vorstellungen. Ich suche ein langes Kleid mit tiefem Ausschnitt. Wenn sie jetzt schon wissen, dass sie so was nicht haben, dann fangen sie bitte gar nicht erst an zu suchen. Enttäuschungen hatte ich für heute schon genug, und meine Zeit kann ich auch woanders verbringen." Im Gegensatz zu Jane, schien die Verkäuferin mit meiner Direkten Art kein Problem zu haben. „Lange Kleider haben wir definitiv in dieser Saison, ob ihnen der Ausschnitt tief genug ist müssen sie dann natürlich selbst wissen." Sie führte mich durch den Raum und in der nächsten Stunde war ich damit beschäftigt, zu allen möglichen Kleidern ja oder nein zu sagen.

„Das in der Art, mit einem tieferen Ausschnitt.", erklärte ich der Frau, die tatsächlich irgendwie so aussah als wollte sie mich verfluchen. Aber was sollte ich machen, es war ja ihr Job. Die Frau verschwand kurz und ich drehte mich zu Jane die sich vor einer Weile mit meinen Sachen in einen Sessel gesetzt hatte und nun irgendwas an ihrem Handy machte (mit der freudigen Begründung, dass es hier WLAN gab). Nun schaute sie mich mit einem Blick an, der quasi sagte: „Dein Ernst?" Tatsächlich sagen tat sie: „Noch ein tieferen Ausschnitt?", doch in der gleichen Tonlage hätte sie auch „Dein Ernst", sagen können.

when life gives you lemonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt