Silvester - Rose

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 9.43-10.54

„Wie, du kommst später? Ich dachte wir treffen und dreiviertel bei Harper?", sprach ich in mein Handy. „Du bist in einer Bar?" Nun blieb ich kurz stehen und das eintönige Klackern meiner hohen Schuhe pausierte. „Nein Kai, normalerweise landet man nicht ausversehen in einer Bar." Ich bog in die Laternenerleuchtete Straße ein, und konnte am Ende schon, hell erleuchtet, das Hamilton Haus sehen. „Nein Kai, ist mir dann auch egal wann du nachkommst, oder ob du überhaupt nachkommst. Ich bin jetzt jedenfalls bei Harper. Frohes neues Jahr." Und damit legte ich auf. Wie schaffte Kai es bloß immer wieder mich zu enttäuschen? Denn das war ich, ich war absolut enttäuscht. Ich hatte mir einen schönen Abend erhofft, den schönsten überhaupt. Mit bunten Silvesterknallern im Hintergrund, und Kai der mich um 00:00 vor dieser Lichterkulisse küssen würde, doch das schien jetzt wohl definitiv nicht mehr stattzufinden.

Ich klingelte einmal bei Harper, und befürchtete schon, dass niemand über die laute Musik die Türklingel hören würde, doch eine zierliche Frau mit Schürze öffnete und nahm mir ausserdem meinen langen, schwarzen Mantel ab. Ich strich mir noch einmal das Kleid glatt und guckte an mir hinunter. Ich mochte mein Outfit. Ich mochte wie es roségolden glänzte, den (sehr) tiefen V-Ausschnitt und den kurzen, aber ausgestellten Rock. Ausserdem hatte ich mich in die spektakuläre, schwarze Kette verliebt, die meiner Meinung nach noch einmal alles an dem Outfit hervor hob.

Gerade war ich dabei durch den großen Saal zu schreiten, um irgendwen den ich kannte hallo zu sagen, doch dazu kam ich gar nicht wirklich, da Harper in Windeseile (oder zumindest wie es eben in solch hohen Schuhen Möglich war), auf mich zustolziert kam. „Rose, du bist da!", rief sie mir entgegen bevor sie mir um den Hals fiel.

„Alles okay bei dir?", fragte ich skeptisch. Harper sah mich entgeistert an. „Nein, ganz sicher nicht."

„Läuft irgendwas mit der Party schief?"

„Nein. Abgesehen davon, dass ich Sam vor ungefähr einer halben Ewigkeit losgeschickt habe um Stäbchen für die Oliven zu holen, und er immer noch nicht wieder gekommen ist, läuft alles gut. Aber Monica hat mich versucht zu verkuppeln." Unter normalen Umständen hätte ich breit gegrinst, und Harper gefragt wie es so lief, doch ihr Gesichtsausdruck war Antwort genug. „Okay.", sagte ich nur vorsichtig.
„Mit einem Freund von Samuel und alles ist ganz seltsam. Er studiert Schauspiel, Rose!" Ich verdrehte die Augen. „Harper, wir haben uns doch jetzt schon mehrmals darüber unterhalten dass wir Menschen nicht einfach so verurteilen.", begann ich, doch übersprang dies nachdem mir ein kleiner Gedanke gekommen war. „Warte, er studiert Schauspiel?"

„Er studiert Schauspiel und ist ein Freund von Samuel. Ganz, ganz grässliche Kombination." Sprachen wir hier gerade von Connor? Als hätte Harper meine Gedanken gelesen fügte sie hinzu: „Er heißt Connor."

„Oh, ja den kenn ich. Aber wie zum Henker kommst du darauf dass er grässlich ist? Das letzte mal als ich mit ihm geredet habe, war er sehr aufgeschlossen, großzügig und im Allgemeinen einfach echt nett." Daraufhin sah Harper mich so eindringlich an, dass ich mich augenblicklich fragte, ob ich etwas Falsches gesagt hatte. „Großzügig?", fragte sie jedoch nur.

„Ja-ja.", stotterte ich nur, immer noch eingeschüchtert von ihrem forschendem Unterton. „Wie kann man denn so etwas beurteilen?"

„Indem man zum Kaffee eingeladen wird.", gestand ich ertappt. Harper schüttelte den Kopf, wodurch ihre langen, braunen Haare durch die Luft wirbelten. „Du kennst Connor, weil er dich zum Kaffee trinken eingeladen hat?", wiederholte sie noch einmal genauer und ein wenig beschämt nickte ich und hoffte inständig nicht in eine Gossipfalle getreten zu sein.

„Aha. Und wie kam es, dass er dich zum Kaffee eingeladen hat?"

„Na ja, ich hab ihn das erste Mal bei Mon getroffen und ich fand ihn halt ziemlich süß. Also niedlich. Ich fand ihn niedlich." Ihn offiziell süß zu finden, erschien mir irgendwie nicht richtig wenn man in einer Beziehung war. „Und dann haben wir uns an dem Tag vom Wichteln zufällig auf der Straße getroffen, und er hat mich eben zum Kaffee eingeladen." Bevor Harper mich noch weiter ausquetschen konnte, erhaschte ich einen Blick auf die Menschenmenge aus der sich gerade besagter Connor auf uns zubewegte. Er hatte ein hochgeschlossenes Schwarzes Hemd an, und bisher konnte ich mir nur vorstellen wie seine grünen Augen dadurch noch mehr herausstechen würden. Harper schien ihn ebenfalls zu bemerken, drehte sich ruckartig in die andere Richtung und faselte irgendetwas von wegen „Olivenstäbchen und Samuel." Ich hätte mich ja über ihre Aktion amüsiert und dass man ganz eindeutig mitbekam wer hier nicht Schauspiel studierte, doch ich war zu beschäftigt damit, mich zu fragen wie genau ich mich jetzt verhalten sollte.

when life gives you lemonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt