Ich schrecke hoch, als mich ein lautes Geräusch aus dem Schlaf holt. Aufgerichtet, aber benommen sitze ich im Bett und merke wie alle meine Haare verstreut abstehen. Ich brauche kurz um mich zu orientieren, dann bleiben meine Augen an Jay hängen, der wie eingefroren mitten im Raum steht, mit dem einem Bein in der Hose, das andere noch frei und mich blass anstarrt. Dann sieht er von mir weg und auf den Boden, wo der Schlüssel liegt, der ihm eben aus der Hosentasche gefallen ist. Mit keckem Finger hebt er ihn auf und zieht sich hastig die Hose hoch.
„Schlaf weiter.", sagt er knapp und wirft sich seine Jacke über. Ich sehe ihm bis zu dem Moment zu, indem er seine Schuhe anzieht, dann schaltet mein verschlafenes Gehirn.
„Du gehst? Wolltest du dich nicht verabschieden?" Mein Mund steht fassungslos offen, trotzdem hoffe ich auf ein Missverständnis.
„Ich hab noch etwas vor." Er ist kurz angebunden und meidet einen erneuten Blickkontakt, sodass ich schnell merke das etwas nicht stimmt. Natürlich ist er damals auch einfach abgehauen, aber gestern hatten wir Sex und die Situation ist eine ganz andere. Er richtet sich sein Shirt und den Jackenkragen, dann geht er zum Ausgang und wirft die Tür hinter sich zu, als würde ihn ein Schwarm Bienen verfolgen. Er ist weg. Er ist einfach gegangen. Bilder von damals schießen mir in den Kopf, als er nach unserem ersten Kuss abhaute. Wir hatten ewig keinen Kontakt mehr, weil wir es beide bereuten. Bereut er nun etwa, dass er mit mir geschlafen hat? Damals wäre ich im Bett sitzen geblieben, aber ich bin reifer geworden und weiß, dass er mit mir nicht so umzugehen hat. Hastig schwinge ich unter der Decke hervor und renne zu meinem Kleiderschrank. Eine graue Jogger und ein Strickpullover müssen reichen, denn für Unterwäsche ist keine Zeit. Ich werfe mir die provisorischen Klamotten über, greife nach meinem Schlüssel und schlüpfe in die blauen Latschen. Ich hoffe, dass ich ihn noch einhole. Wieder knallt die Tür zu und ich renne den Flur entlang. Ich verzichte auf den Fahrstuhl und nehme gleich die Treppe. Auf dem Weg nach unten lasse ich immer ein bis zwei Stufen aus, um ihn schneller einzuholen. Im Foyer angekommen, sehe ich ihn draußen vor der Glastür stehen und sich eine Zigarette anzünden. Er läuft gerade gen Heimat, als ich zu ihm platze.
„Stop!", brülle ich und bleibe stehen. Meine Kleiderwahl muss witzig aussehen, aber das ist nicht mein größtes Problem.
Er dreht sich um und sieht sichtlich überrascht aus. „Was machst du hier?" Seine Augenbrauen ziehen eine Falte, als wäre er genervt.
„Was machst du hier?", werfe ich ihm vorwurfsvoll zurück.
„Wonach sieht es denn aus? Nach Hause gehen." Teilnahmslos zieht er an seiner Kippe und schaut in den Himmel. Mit seiner schwarzen Lederjacke und den zerzausten Haaren sieht er ganz verändert aus. Auch sein Gesicht ist anders, wie eine fremde Person.
Ich schnappe entsetzt nach Luft, weil mich seine Art überrumpelt. Meint er das gerade ernst? Er behandelt mich wie einen One-night Stand. Aber nicht mit mir mein Freund! „Nach gestern Nacht verschwindest du einfach? Was soll ich davon halten? Denkst du ich nehme das einfach so hin?" Erneut mustere ich den Unbekannten ab und frage mich, was in ihn gefahren ist.
„Soll ich dir einen Kaffee ans Bett bringen und Rosen streuen? Sonst hat es dich auch nie gestört, wenn ich abgehauen bin."
Meine Stimme fährt noch mehr hoch. „Sonst hattest du auch nicht Sex mit mir!" Mir geht es am Arsch vorbei, dass mich die anderen Studenten hören könnten, viel zu aufgebracht bin ich, um mir darüber einen Kopf zu machen.
Im schnellen Schritt kommt er auf mich zugestürmt und bleibt knapp vor mir stehen, aber ich weiche nicht zurück. „Schreib es doch gleich auf Plakate, wenn du hier so herum schreist!" Er drückt den Satz so gepresst zwischen seinen Zähnen hervor, dass ihm gleich eine Ader im Auge platzt.
DU LIEST GERADE
𝕍𝕠𝕟 𝕙𝕚𝕖𝕣 𝕓𝕚𝕤 𝕫𝕦𝕞 𝕨𝕚𝕣
Teen FictionNachdem Lynn und Jay sein Familienproblem in den Griff bekommen haben, dachten sie, dass sie sich endlich um ihre verzwickte Situation kümmern können. Immerhin ist ihre Freundschaft nach allem was passierte nicht mehr die selbe. Doch ein Problem fol...