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Gegen 11 Uhr kam Francesca im Hotel an, die ersten paar Minuten waren ein bisschen komisch, weil wir nicht wussten wie wir miteinander umgehen sollten, das legte sich aber nach kurzer Zeit. Ziemlich schnell stellten wir fest, dass wir ähnliche Interessen hatten und auch einen ziemlich ähnlichen Charakter. Der größte Unterschied zwischen uns beiden war das Selbstvertrauen. Francesca strahlte ein solches Selbstwertgefühl aus das ich nur davon träumen konnte. Es machte ihr überhaupt nichts aus auf mich zuzugehen, während ich immer eine Weile brauchte bevor ich mit Fremden wirklich reden konnte. Wir hatten gerade den ersten Laden betreten da wusste Francesca genau was für ein Typ Mensch ich bin und welche Kleidung mir stehen würde. Es wurde mir ausdrücklich verboten auf Preisschilder zu achten und dennoch erschlug es mich fast als ich das ein oder andere mal darauf schielte. Es nutze nichts sich darüber aufzuregen keine 15 Minuten später stand ich mit einem Riesen Stapel Klamotten in der Umkleidekabine. Die Sachen waren wesentlich enger als die Sachen welche ich normalerweise trug, aber es gefiel mir. Mehrere Skinny Jeans wanderten auf dem mitnehmen Stapel, ein paar Basic Oberteile und 2 dünne Jacken kamen auch noch dazu.

„Du brauchst dringend noch einen Bikini." sagte Francesca als ich die Umkleide gerade die letzten Kleidungsstücke anprobieren wollte. Ohne das ich etwas erwidern konnte verschwand sie schon auf der Suche nach passenden Badesachen für mich. Als sie wieder kam hatte ich meine normalen Sachen schon wieder an. „Hier die musst du unbedingt noch anprobieren." sie streckte mir zwei Bikinis entgegen, einen weißen Einteiler mit weit ausgeschnitten Seiten und freiem Rücken und einen dunkel blauen Zweiteiler. Die beiden Sachen waren wirklich hübsch, aber in meinem Magen zog sich alles zusammen. „Ich brauche keine Badesachen." probierte ich mich rauszureden „ich kann nicht schwimmen." die beiden Italiener vor mir schauten mich verdutzt an „du kannst nicht schwimmen?" fragten Vale und Francesca gleichzeitig, was sie leicht zum Lachen brachte. Verlegen schaute ich zu Boden „es hat mir nie jemand beigebracht." damit war ein Grund der gegen die Bikinis sprach ausgesprochen, aber das schien nicht zu reichen. „Dann bringen wir dir es bei und man muss nicht unbedingt ins Wasser mit Badesachen. Zum Sonnen am Pool oder so braucht man auch Badesachen." ich kam nicht rund rum. „Ich ziehe keine Badesachen an." ich hatte das Gefühl ich würde gleich umkippen während ich weiter sprach „ich habe Narben, viele Narben und... naja... deshalb möchte ich eigentlich meinen Körper nicht zeigen." brachte ich gerade noch so mit brüchiger Stimme hervor. Leicht zog ich mein Shirt hoch und zeigte ihnen eine der Narben auf meine Hüfte. Wieder sahen mich beide schockiert an und zogen scharf die Luft ein „wie?... woher hast du....?" fragt mein Vater entsetzt. Ich schüttelte nur den Kopf „nicht hier."

Ich wusste ich müsste ihm alles erzählen, aber ich dachte nicht, dass das so schnell passieren würde. Wir beendeten den Einkauf so schnell wie möglich und machten uns auf den Weg in ein kleines Café. Es war nicht viel los in dem kleinen Laden und so konnte ich den beiden in Ruhe alles erzählen. Ich erzählte ihnen einfach alles von meiner Mutter, den Drogen und auch von meinem Ex Freund. Tränen stiegen mir in die Augen und ich musste sie einfach laufen lassen, auch Francescas Augen waren glasig als ich fertig war zu erzählen. Beide nahmen mich fest in die Arme „es tut mir so wahnsinnig leid das ich nicht für dich da war" sagte Valentino der eine Weile gebraucht hat seine Stimme wieder zu finden „du hast schon so viel durchmachen müssen in deinem jungen Leben, es tut mir so leid." sagte er immer wieder. „Genau das ist der Grund, warum ich die dir das eigentlich nicht erzählen wollte. Du kannst nichts dafür, für gar nichts davon. Meine Mutter hat dich verlassen und du hast mich gesucht und nicht gefunden. Dich trifft keine Schuld, nur sie." der Hass gegen diese Frau drohte mich erneut zu übermannen doch ich konnte es runterschlucken. Wir saßen noch eine zeitlang im Café tranken jeder schweigend unseren Kaffee aus. Es war keine unangenehme Stille. Jeder kämpfte mit seinen eigenen Gedanken.

Als es langsam dämmerte machten wir uns auf den Weg zurück ins Hotel. Für heute Abend war ein großes Dinner mit allen Fahrern geplant für welches wir extra ein Kleid für mich gekauft hatten. Man merkte uns dreien die gedrückte Stimmung deutlich an, aber wir probierten unser bestes daraus zu machen. So langsam wurde mir bewusst das ich nicht mehr nur Alex hatte, mein Dad würde alles für mich tun und auch Francesca freute sich so für uns das ich wusste sie würde auch immer das sein wenn etwas ist. Ich hatte endlich eine richtige Familie gefunden und die würde ich für nichts auf der Welt wieder hergeben.

Da ich nicht wusste wie man sich fertig macht kam Francesca mit auf mein Zimmer um mir zu helfen. Als erstes schickte sie mich mit Rasierschaum und Rasierer bewaffnet unter die Dusche, ich hatte seit über 3 Monaten kein einziges Haar an meinem Körper entfernt, jetzt wurde es aller höchste Zeit. Glatt wie ein Babypopo kam ich einige Zeit später wieder ins Zimmer in welchem Francesca schon mit Föhn und Glätteisen bewaffnet auf mich wartete. Sie selber hatte sich auch schon geschminkt und die Haare in großen Locken eingedreht über ihre Schultern fallen. Meine Haare wurden geföhnt und anschließend komplett geglättet, die zwei vorderen Strähnen flocht sie in dünne Zöpfe und steckte diese an meinem Hinterkopf fest. Nun war das Make Up dran. Ich hatte es geliebt mich zu schminken, aber in letzter Zeit fehlte mir einfach die Kraft dazu. Wir verzichteten auf Foundation und nahmen stattdessen nur eine leichte Tagescreme mit minimal Farbe darin, ein feiner Lidstrich und Wimperntusche rundeten meinen schlichten Look ab. „Wie findest du es?" fragt Francesca sichtlich zufrieden mit ihrem Ergebnis während sie mir einen Spiegel hinhielt. Ich betrachtete mich einen Moment „es sieht fantastisch aus danke" ich schloss sie kurz in meine Arme löste mich aber gleich wieder da wir doch länger gebraucht hatten als gedacht mussten wir uns mit dem anziehen beeilen.

Ich hatte einen knielanges schwarzes Kleid das bis zur Hüfte eng anlag und sich danach in einer Art Skaterrock locker um meine Beine schmiegte. Die Ärmel gingen mir fast bis zu den Ellenbogen und waren mit Spitzenstreifen durchzogen. Ein dünner Gürtel zeichnete meine Taille. Ich hätte mir dieses Kleid nie gekauft, aber Francesca hatte darauf bestanden das ich es heute Abend anziehe und ich wollte ihr den Gefallen tun. Das einzige wo sie kein Mitspracherecht hatte waren meine Schuhe. Wir waren extra in einen Converse Shop gegangen um mir neue low Tops in verschiedenen Farben zu kaufen. Zu diesem Kleid zog ich die dunkelblauen an und nahm eine farblich dazu passende kleine Handtasche in die gerade so mein Handy und der Zimmerschlüssel passte dazu. Als ich mich in dem großen Spiegel betrachtete erkannte ich die Person vor mir fast nicht wieder. Ich sah schön aus, nicht mehr so müde und kaputt. Ich glaube nicht das ich mich jemals in meinem Leben so gut gefühlt habe.

Gerade hatte Francesca ihre Schuhe angezogen da klopfte es schon an der Tür. Valentino stand vor uns und machte große Augen „ihr seht beide wunderschön aus." sagte er gab mir einen Kuss auf den Scheitel und Francesca einen auf den Mund. Rechts und links hakten wir uns bei ihm ein und gingen gemeinsam nach unten wo wir uns mit den anderen Fahrern treffen würden. In der Lobby warteten schon alle und einer sah besser aus als der andere. Alle hatten sie Anzughosen an Maverick und Franco hatten ein Hemd dazu an und Fabio ein weißes Tshirt und ein sportliches Sakko darüber. Er sah so gut aus das ich ihn vielleicht einen Moment zu lange anschaute allerdings war er so damit beschäftigt mich anzustarren das ihm das gar nicht auffiel. Ein kleines Grinsen huschte über meine Lippen beim Gedanken daran das er mich genauso gutaussehend finden könnte wie ich ihn, diesen Gedanken wischte ich aber schnell wieder aus meinem Kopf.

Die verlorene Tochter des Rennfahrers || Fabio Quartararo ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt