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Fabios POV

Als ich am Freitag Morgen den Frühstücksraum betrat war Giulia schon da. Sie saß wie jeden Morgen mit ihrer Tasse Cappuccino an dem Tisch den wir inzwischen als unseren Tisch bezeichneten. Ich lud mir am Buffet meinen Teller voll und setzte mich dann neben sie. Sie sah wieder total fertig aus. „Guten Morgen" meinte ich zu ihr. Ich legte meinen Arm um sie und zog sie kurz an mich. Am liebsten würde ich das den ganzen Tag tun, doch ich merkte wie sie manchmal zusammenzuckte bei Berührungen weshalb ich lieber vorsichtig machen wollte. Ich war es inzwischen gewohnt das früh nicht viel von ihr kam, aber jetzt wo ich den Grund dafür wusste fiel es mir schwer das zu akzeptieren. „Hattest du wieder deinen Alptraum?" fragt ich leise. Sie zögerte kurz, als überlege sie ob sie mir die Wahrheit sagen konnte, nickte dann aber ergeben. Nochmal zog ich sie kurz an mich, ließ sie dann aber los. Sofort rutschte sie ein Stück von mir weg. Es versetzte mir einen kurzen Stich mitten ins Herz aber ich konnte sie verstehen. Sie hatte so viel durchmachen müssen.

Schweigend saßen wir nebeneinander bis die anderen dazu kamen. Als alle ihr Frühstück verputzt hatten mussten wir noch circa 20 Minuten auf die Taxen warten welche uns zur Strecke bringen würden. Hoffentlich konnten wir das Kühlungsproblem heute lösen sonst würde es echt schwierig werden ein Update zu bringen. Es waren zwar noch 4 Rennen bis zur Sommerpause, aber in dieser Zeit konnten nur die Testfahrer weiter testen. Es wäre gut für uns schon ein Gefühl mit der neuen Ausrüstung zu haben bevor wir nach der Sommerpause direkt zum Rennwochenende damit starten. Es gab Hoffnung das Update schon früher bringen zu können, aber daraus wurde wohl erstmal nichts.

„Hast du kurz 5 Minuten?" fragte Vale in einem unbemerkten Moment. Ich nickte und wir gingen ein bisschen an die Seite „ich wollte dir nur kurz Danke sagen. Francesca hat mir erzählt was du für Giulia gemacht hast und es bedeutet mir wirklich viel das du sie durch diesen harten Moment begleitet hast." er klopfte mir auf die Schulter „kein Problem. Ich mache das wirklich gern. Ich mag Giulia, sie ist meine beste Freundin." er grinste mich wissend an dich bevor ich fragen konnte was sein Blick zu bedeuten hat kamen schon die Taxen und alle stiegen ein. An der Strecke angekommen gingen wir direkt zur Besprechung des heutigen Tages. Die Mechaniker hatten eine Nachtschicht eingelegt und verschieden Kühlungen zum Testen eingebaut. Jeder Fahrer bekam ein anderes System um zu schauen welches am besten funktionierte. Leider war keins so 100 prozentig zufriedenstellend. Wir kamen jetzt zwar über kurze Distanzen ohne den Motor zu überhitzen, aber ein ganzes Rennen war noch nicht drin.

Nach dem Mittagessen ging es zur Presskonferenz. Es war eine Absperrung aufgebaut hinter der die Reporter warteten und wir Fahrer konnten uns auf der anderen Seite frei bewegen und so mit jedem reden mit dem wir wollten. Ich mochte diese Konstellation viel lieber als feste Interviewpartner, da man sich so viel leichter aus unangenehmen Situationen ziehen konnte und wir uns auch gegenseitig unterstützen konnten. Wir durften nicht zu viel über die genauen Testergebnisse erzählen und auch nicht darüber was genau getestet wurde. Ich stand gerade bei einer italienischen Reporterin das Magazin für welches sie arbeitete berichtete nicht nur über Motorsport und so kamen bei solchen Leute auch oft mal persönliche Fragen. „Fabio die Frage die alle deine, vor allem weiblichen Fans interessiert, gibt es eine Frau an deiner Seite? Bist du in einer Beziehung?" diese Frage bekam ich öfter, da ich im Gegensatz zu vielen anderen Fahrern mein Privatleben größtenteils privat hielt „Nein im Moment gibt es da niemanden." war meine Standardantwort darauf, doch das schien dieses Mal nicht zu reichen. Die Reporterin bohrte weiter „Es sind Bilder von dir und einem Mädchen aufgetaucht, welche euch hier in Jerez zeigen und das in ziemlich inniger Position. Das selbe Mädchen über das schon die ganze Woche spekuliert wird. Wird sie vielleicht die zukünftige Miss Quartararo?" das musste ja kommen dachte ich nur und konnte mir ein höhnisches Auflachen nicht verkneifen „das ist meine beste Freundin, mehr möchte ich dazu nicht sagen." ich verabschiedete mich von ihr und ging zum nächsten Reporter. Offensichtlich hatten mehrere diese Frage gehabt und kritzelten eifrig meine Antwort auf ihre Blöcke. Ich wusste nicht ob Giulia und Vale darüber gesprochen hatten wie sie sich in der Öffentlichkeit bezeichnen deshalb sagte ich nicht mehr dazu. Während ich mein nächstes Interview gab, in welchem es tatsächlich nur um Motorrad fahren ging, war Vale nun im Kreuzverhör der Reporterin. Die Bilder von Valentino und Giulia kamen zur Sprache und ich hatte Probleme mich auf mein eigenes Interview zu konzentrieren da ich mit einem Ohr seine Antwort erlauschen wollte. „Giulia ist meine Tochter. Wir hatten über 20 Jahre ungewollt keinen Kontakt zueinander und freuen uns einfach darüber jetzt Zeit miteinander verbringen zu können. Sie wird uns noch die nächsten Wochen und wenn sie möchte gerne länger begleiten." also hatten sie wohl doch darüber geredet. Ich entschuldigte mich bei meinem Interview Partner, ich hatte überhaupt nicht mitbekommen was er gefragt hatte.

Nach den Interviews ging es nochmal in eine Teambesprechung und für einen weiteren kurzen Lauf auf die Strecke. Wir waren auf einem guten Weg, aber noch lange nicht am Ziel. Als wir endlich durch waren zeigte die Uhr kurz nach 9. Auf schnellstem Weg ging es zurück ins Hotel. Samstag hieß es nochmal Vollgas geben um noch möglichst viel rauszuholen, wir werden den ganzen Tag auf dem Motorrad verbringen und dafür wollten alle ausgeruht sein. Also verabschiedeten wir uns alle voneinander und jeder ging auf sein Zimmer. Ich wollte mich gerade hinlegen als ich eine Nachricht bekam.

Giulia: magst du vielleicht bei deiner besten Freundin schlafen?

Ich grinste, sie hatte das Interview gesehen. Schnell schrieb ich meine Antwort bevor ich alles Wichtige zusammensammelte und auch frische Klamotten für morgen mitnahm.

Fabio: bin gleich da

Ich klopfte an die Tür des Hotelzimmers, welche nur wenige Sekunden darauf geöffnete wurde. Giulia stand in Schlabberklamotten und wild zusammengebundenen Haaren vor mir. Sie sah aus als hätte sie schon geschlafen. „Hast wohl Sehnsucht nach mir?" neckte ich sie während sie mich herein ließ. Ich zog meine Schuhe aus und machte es mir direkt auf dem Doppelbett gemütlich. „Haha" sagte Giulia sarkastisch „ich konnte nicht schlafen." setzte sie dann aber doch leicht verlegen nach. Ich hatte sie nur einmal wirklich ausgeschlafen gesehen und das war nachdem ich bei ihr geschlafen hatte. Wenn ich ihr mit meiner Anwesenheit helfen konnte keine Alpträume mehr zu haben würde ich jede Nacht hier bleiben, schließlich hatte ich neben ihr auch hervorragend geschlafen „komm her." sagte ich und klopfte auf die freie Stelle neben mich. Das ließ sie sich nicht zwei mal sagen und kuschelte sich, sehr zu meiner Überraschung, direkt an mich ran. „Wie war dein Tag? Wir hatten heute gar keine Zeit miteinander zu reden?" fragte sie mich mit leiser Stimme. „Ganz gut, hab dich nur vermisst." sagte ich ehrlich und zog sie noch näher an mich, wenn das überhaupt ging „Schlaf gut" murmelte ich in ihr Haar. Schon nach kurzer Zeit merkte ich wie ihr Atem ruhiger wurde und schlief kurz darauf selber ein.

Die verlorene Tochter des Rennfahrers || Fabio Quartararo ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt