Kapitel 2

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Lächelnd griff Lejara nach dem Skizzenbuch und reichte es der Kundin.
Die kleinen Falten um den Mund der Frau wurden tiefer, als sie lächelte. „Es ist wunderbar." Mit einer Hand griff sie in ihre Tasche und zog einen kleinen Beutel aus grobem Stoff hervor, den sie der jungen Buchbinderin reichte. „Das Geld ist etwas mehr als vereinbart, aber ich bestehe darauf, dass Sie es annehmen."
Dankbar neigte Lejara den Kopf. „Herzlichen Dank."
Die Kundin winkte ab, als sie das Skizzenbuch in ihre Ledertasche schob. „Ich danke Ihnen. Einen schönen Tag noch!"
„Auf Wiedersehen!"
Das kleine Glöckchen klingelte hell, als die Tür hinter der Kundin ins Schloss fiel.

Für einen Moment sah Lejara noch hinterher, dann wandte sie sich wieder ihrem Tisch am Rande des kleinen Verkaufsraums zu. Die Papierbögen, die der alte Hufschmied vorbeigebracht hatte, lagen noch unberührt auf der Arbeitsfläche. Ihr Blick wanderte zu dem kleinen Notizzettel daneben. „Möglichst auffällige Bindung", las sie leise und erinnerte sich an die Worte des Hufschmiedes, als sie den Auftrag entgegengenommen hatte. „Ein Geschenk für meine Frau. Sie liest doch so gerne Gedichte", er hatte schief gegrinst, „also hab ich mich mal dran versucht, welche für sie zu schreiben."
Lejara lächelte verträumt und obwohl es sich um eine Aufmerksamkeit für die Frau des Hufschmieds handelte, machte ihr Herz einen Satz. Was für eine liebevolle Geste. Er hatte Gedichte geschrieben, nur, um ihr eine Freude zu machen... Und nun war es an Lejara, sie einzukleiden.

Sie legte die gegenüberliegenden Ecken des ersten Bogens aufeinander. Erst, als sie sicher war, dass sie das Papier genau in der Mitte falten würde, griff sie nach dem Falzbein. Sie zog es über die Faltkante und besiegelte damit das Schicksal des Blatts. Feinsäuberlich glättete sie die Kante, legte das Papier dann beiseite und griff nach dem nächsten Bogen. So folgte nun Seite um Seite, während sie ständig nur auf den Platz vor sich sah. Es gab nur das Papier, das Falzbein und den Tisch. Ein Bogen nach dem nächsten, nur keine Eile...

„Guten Morgen!", drang eine Männerstimme an ihr Ohr.
Lejara zuckte zusammen und sah auf. Der Kunde vom Vortag kam auf ihren Arbeitstisch zu und blieb davor stehen, in seinen Händen ein Stapel Papier, der beinahe fausthoch war.
Der junge Mann lächelte ein schmales, sanftes Lächeln und deutete mit dem Kopf auf die mit schwarzer Tinte beschriebenen Papierbögen in seinen Händen. „Ich bringe Ihnen das Material. Vermutlich wird es einen großen Aufwand für Sie bedeuten, es in eine entsprechende Form zu bringen."
Zögerlich schüttelte Lejara den Kopf und legte den gerade gefalzten Bogen vorsichtig beiseite, bevor sie den Stapel entgegennahm. Schwer lagen die kühlen Seiten in ihren Händen, bevor sie sie behutsam auf dem leeren Nebentisch ablegte.
Der Kunde näherte sich dem Nebentisch und sein Blick suchte nach Lejaras.
Aus dem Hinterzimmer hörte sie Schritte, doch sie sah weiterhin zu dem Kunden vor sich.
„Wissen Sie, ich verstehe nicht viel von Büchern. Also zumindest nicht davon, wie sie hergestellt werden. Auch von diesem Buch", er deutete auf den Papierstapel, der nicht weiter davon entfernt sein konnte, ein Buch zu sein, „habe ich kaum eine Idee. Gestern haben Sie den Eindruck erweckt, dass ein ausgezeichnetes Verständnis davon haben, wie Sie damit umgehen müssen." Sein Blick wurde etwas getrübter, fast traurig, als er zu dem Stapel sah. „Es handelt sich um gesammelte Erzählungen, die jemand für mich zusammengetragen hat, der mir sehr wichtig war. Ich möchte, dass diese Worte einen ehrenvollen Platz finden können und der Einband ihrer gerecht wird. Was für eine Gestaltung würden Sie vorschlagen?"
Lejara betrachtete ihn für einen Moment und ihr fiel die kleine Sorgenfalte auf seiner Stirn auf, bevor sie seinem Blick folgte. Obwohl sie den bohrenden Blick ihres Großvaters in ihrem Rücken spüren konnte, strich sie über das glatte Papier. „Möchten Sie, dass der Einband an diese Person erinnert? Ich könnte die Lieblingsfarbe dieser Person wählen, wenn Sie sie mir verraten." Fragend sah sie ihn an und ein unsicheres Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.
Er schmunzelte, als er den Kopf hob. „Das ist eine wunderbare Idee. Können Sie einen grünen Einband anfertigen? Grün wie die Sommerwiesen am Ufer des Filànesischen Meers?"
Lejara hob die Augenbrauen. Das Filànesische Meer war das Binnenmeer, das von der Hauptstadt innerhalb weniger Stunden mit dem Pferd zu erreichen war. Es galt als Urlaubsdestination der Reichen. Sie lächelte und nickte, dann wagte sie es, den Kunden zu fragen: „Kommen Sie denn aus Filàn?" Sie konnte Großvaters tadelnden Blick in ihrem Rücken spüren. Wie konnte sie einen Kunden so etwas fragen?
Doch als der Kunde mit einem Kopfnicken antwortete und seine Augen zu funkeln begannen, fragte sie sich, ob Filàn vielleicht noch besser war als das, was sie sich erträumte.

Die unglückliche BuchbinderinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt