Kapitel 9

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Filàn hatte in der Tat viel zu bieten. Die Königinnenallee, die schon immer nach dem Geschmack der amtierenden Königin gestaltet worden war, wurde dieser Zeit nicht nur von den bereits seit Jahrhunderten traditionell gepflanzten Pappeln geziert, sondern auch von unzähligen Blumenbeeten. Als Lejara das erste Mal mit Finjan dort entlangspaziert war, hatte ihr ständig ein neuer Duft in der Nase gelegen.

Auch der Wochenmarkt auf dem Hauptplatz der Stadt war nicht weniger imposant: Stand reihte sich an Stand, es gab kaum eine Ware, die es nicht gab. Schmuck und Kleidung, die köstlichsten Speisen und das beste Obst des Landes, und – wie Großvater richtig festgestellt hatte – billig gefertigte Bücher aus den Druckereien Baltinas. Wann immer sie diese simpel geleimten Werke betrachtete, jagte ein Stich durch Lejaras Brustkorb. Immerhin konnten geschickt gefertigte Bücher so viel mehr sein als günstige Unterhaltung...

Ähnliche Gedanken begleiteten sie, als sie Hand in Hand mit Finjan durch die engen Gassen des Handwerkviertels schlenderte. Zwischen den meistens zwei Stockwerken hohen Häusern war mit einer Kutsche kein Durchkommen, aber das bedauerte sie nicht wirklich. Sie hatte diese Gefährte ohnehin schon hassen gelernt.
Die Handwerkerinnen und Handwerker ließen sich ihre Werkstoffe mit Packtieren liefern. Stämmige Pferde oder zähe Esel schleppten in Säcken und Beuteln die unterschiedlichsten Materialien von der Hauptstraße bis hierher. Von Textilien über Papier oder Metalle...

Lejaras Blick glitt andächtig über die Ziegelwände, die die großen Schaufenster rahmten. Dahinter waren allerlei wunderbare Werke zu sehen. Eine Schneiderei stellte Taschen in den unterschiedlichsten Größen aus, daneben ein weinrotes Sommerkleid und einige Hemden mit zierlichen Stickereien. Die Tischlerei daneben warb mit einem großen Plakat für ihre schnelle Auftragsbearbeitung. Am Ende der Straße stieg Rauch aus dem Schornstein einer Schmiede, vor der gerade ein Pferd einen neuen Beschlag erhielt und mit peitschendem Schweif und angelegten Ohren seinen Unwillen zum Ausdruck brachte.

Inmitten all der kleinen Handwerksbetriebe stach Lejara ein Antiquitätenladen ins Auge. „Restauration von Büchern und anderen Antiquitäten", prangte in dunklen Lettern auf einem Aufstellschild vor der hölzernen Eingangstür.
Ein Stich jagte durch Lejaras Brustkorb und ein kaum hörbarer Seufzer entwich ihr.
„Was ist denn los?", fragte Finjan leise und auf seiner Stirn bildete sich eine leichte Sorgenfalte.
„Ich vermisse die Buchbinderei", nuschelte Lejara und senkte den Blick.
Nun war es Finjan, der seufzte. Schon in diesem Moment bereute Lejara, ihm überhaupt geantwortet zu haben. „Das wird schon vergehen, wenn du dich erst hier eingelebt hast."
Ich glaube nicht. Sie schlug die Augen nieder. „Wahrscheinlich hast du recht."
„Mach dir keine Gedanken, du hast die Arbeit schon lange gemacht, aber sie ist sicher bald vergessen."
Lejara unterdrückte das Brennen ihrer Augen und das Stechen in ihrem Brustkorb. Sie presste die Lippen fest aufeinander und nickte stumm.
Finjan strich mit dem Daumen über ihren Handrücken und lächelte ihr zu, aber ein unangenehmes Ziehen in Lejaras Brust blieb.

Noch mit schwerem Herzen stieg Lejara später in das violette Kleid, das sich in der letzten Zeit zu ihrem Lieblingskleidungsstück entwickelt hatte. Dazu schlüpfte sie in die hellen Sandalen, deren Riemchen sie vorsichtig schloss. Die Kammerzofe band ihr das Haar zu einem straffen Zopf, den sie mit einigen kleinen Blüten verzierte. Zum Schluss legte Lejara sich ein Perlenkollier um ihren Hals und schloss es in ihrem Nacken. Sie drehte sich vor dem Spiegel, begutachtete ihren Anblick, nickte dann zufrieden und entließ die Zofe mit dankenden Worten. Sie selbst schritt aus dem Zimmer auf den Gang. Leise klapperten ihre Sandalen auf dem nackten Steinboden, als sie ihren Weg zur ausladenden Treppe einschlug, die sie ins Erdgeschoß führte. Sie musste den Rock ihres Kleides ein wenig anheben, um nicht auf den Saum zu steigen, und war bedacht, nicht zu stürzen, als sie die Stufen hinabstieg. Bestimmt sah man ihr die Unbeholfenheit an, anders als den vielen anderen Damen in der Stadt, die sich trotz der ausladendsten Kleider so anmutig bewegten, als sei nichts natürlicher als das.
Am Fuße der Treppe wartete Finjan bereits mit seinem üblichen, warmen Lächeln. Er trug helle Kleidung aus Seide, an Kragen und Ärmeln waren dunkle Verzierungen eingestickt, die wie Obsidian im Licht der untergehenden Sonne schimmerten. „Bist du bereit?", fragte er und strich sich eine kurze Haarsträhne aus dem Gesicht. Die einzige, die sich aus seiner sonst so perfekten Frisur gelöst hatte.
Lejara lächelte schmal und nickte, bevor sie das Gesicht verzog. „Nun ja, das heißt wohl auch, dass ich jetzt wieder Kutsche fahren muss."
Entschuldigend blickte Finjan sie an. „Das lässt sich wohl nicht vermeiden."
Sie seufzte ergeben.

Die unglückliche BuchbinderinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt