Kapitel 3

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„Und wann möchtest du arbeiten?", knurrte der Großvater.
„Ich kann alle Tage vorher und danach arbeiten!" Mit großen Augen sah sie ihn an. „Bitte! Es ist einmalig!"
Er runzelte die Stirn. „Warum ist es dieses Jahr so einmalig? Sonst hast du nie so gebettelt..."
„Bitte, Großvater! Es ist mir sehr wichtig!" Ihr flehender Blick ruhte auf ihm.
Er zog seine Augenbrauen zusammen, dann seufzte er, als seine Miene weicher wurde. Seine blattgrünen Augen strahlten Wärme aus, als er nickte. „Wenn du es dir so sehr wünschst, dann will ich dir nicht im Weg stehen."
Sie strahlte und fiel ihm um den Hals.

Die nächsten Tage arbeitete Lejara weiter an der Bindung des Buches, führte die Nadel durch die Lagen und verschlang die Fäden miteinander. So verband sie eine Lage mit der vorherigen und formte ein feines Muster aus Fäden am Buchrücken. Erst war es ein dünnes Heftchen, doch schon bald wuchs es zu einem prächtigen Buchblock an.

Zwar war der Buchblock schon wenige Tage später fertig gebunden, doch wenn es um den Einband ging, der diesen schließlich bekleiden sollte, stand Lejara noch am Anfang. Sie hatte erst das Entsprechende im Lager gesucht. Dann musste sie es ausdünnen, damit es sich später überhaupt um den Einband würde legen lassen. Und einfärben musste sie es auch...

Doch das blieb nicht ihre einzige Sorge. Das Sonnenfest rückte näher und mit ihm die Verabredung mit Finjan. Lange konnte sie sich darüber aber nicht Gedanken machen, denn als das Leder für den Bucheinband gerade erst ausgedünnt war, drückte ihr Großvater ihr ein Buch in die Hand. „Geschäftsbuch für die Schneiderei von Jeira und Kyrion", erklärte er knapp. „Bring es ihnen bitte vorbei, ich muss mich dem nächsten Buch widmen und sie meinten, es wäre sehr dringend." Mit diesen Worten verschwand er wieder im Hinterzimmer.

Gedankenverloren schlenderte Lejara durch die Straßen und genoss das warme Sonnenlicht auf ihren Armen, als sie an den Häusern vorbeispazierte. In ihrer Hand hielt sie das weinrote Geschäftsbuch. Sie bog um einige Ecken, beobachtete Leute, die bereits gelbe Blumengirlanden aufhängten oder Fahnen an den Fassaden anbrachten. Irgendwoher trällerte eine fröhliche Melodie.
Schließlich erreichte Lejara die Schneiderei mit ihren großen, ausladenden Schaufenstern. Darin standen schmucklose Puppen ohne Köpfe und Arme, aber dafür eingekleidet in wunderschönen Stoffen und Farben. Kleider aus Seide, die bis zum Boden reichten, andere waren kürzer und dafür mit einer Vielzahl glitzernder Steine besetzt...
Lejara schüttelte den Kopf und holte sich so zurück in die Wirklichkeit. Sie legte ihre Hand auf die kühle Türklinke und trat ein. Im Inneren der Schneiderei waren noch mehr Puppen und Kleider aufgestellt und jedes einzelne Kleidungsstück ließ selbst Lejaras edelste Kleider daneben wie Arbeitskutten aussehen.

Jeira kam auf Lejara zu. Sie trug ein oranges Kleid, das sich schlicht und ohne auffälligen Faltenwurf an ihren Körper schmiegte. „Ah, ist das Buch fertig?", flötete sie.
Lejara nickte, blieb stehen und reichte der Schneiderin die Auftragsarbeit.
„Keinen Augenblick zu früh, ich hätte nicht noch einen Buchstaben in das alte gebracht", erklärte sie und lachte. Zufrieden drehte sie das Buch in ihren Händen und nickte anerkennend. „Da habt ihr wieder ganze Arbeit geleistet. Danke fürs Vorbeibringen, das erspart mir einen weiteren Weg."
Verlegen lächelte Lejara und neigte zur Antwort den Kopf. „Das kann ich verstehen. Ihr habt gerade sicher viel zu tun", erwiderte sie und ließ bewundernd ihren Blick schweifen.
Jeira nickte. „Allerdings. Ich könnte noch fünf Kyrions brauchen und mir würde die Arbeit trotzdem nicht ausgehen." Sie lachte. „Aber so ist das nun mal. Die Zeiten sind gut für Geschäfte."
„Aber immerhin tragen eure Kundinnen und Kunden dafür wunderschöne Kleidung beim Sonnenfest", Lejara lächelte verträumt, „ich würde wahrscheinlich tot umfallen, wenn ich sowas tragen dürfte."
Abwägend musterte Jeira sie. „Nun, das hoffe ich nicht... Gehst du denn zum Sonnenfest?"
Lejara nickte und beim Gedanken daran, dass Finjan sie begleiten würde, kribbelte ihr Bauch. „Ja, das erste Mal seit langem."
Nachdenklich nickte Jeira. „Was hältst du denn davon, wenn du eines unserer Kleider zum Sonnenfest trägst?"
Lejaras braune Augen weiteten sich. „Ich?", rutschte es ihr heraus und sie bedachte die Frau vor ihr mit einem ungläubigen Blick. „Das kann ich mir gar nicht leisten."
Jeira hingegen nickte und winkte mit einer beiläufigen Handbewegung eine Mitarbeiterin herbei. Noch bevor Lejara ein weiteres Wort herausbrachte, nahm die Mitarbeiterin mit einem Schneidermaßband die entsprechenden Maße.
„Du kannst es ja leihen. Sieh es als Geste der Dankbarkeit, dass ihr trotz der vielen Aufträge Zeit hattet, unserem Geschäftsbuch den Vorrang zu geben", erklärte Jeira beiläufig, als sie um Lejara herumschritt und sie musterte. „Außerdem ist es immer eine gute Werbung, wenn unsere Kleider entsprechend präsentiert werden, wenn du verstehst."
Verlegen lächelte Lejara. „Ich bin nur nicht sicher, ob ich wirklich das Kleid angemessen..."
Mit einer energischen Handbewegung schnitt Jeira ihr das Wort ab. „Blödsinn. Ich habe schon ganz andere Frauen mit meinen Kleidern gesehen und hätte hinterher am liebsten um den verwendeten Stoff geweint."
Lejara verzog das Gesicht, verbiss sich jedoch die Antwort, die ihr auf der Zunge lag.

Die unglückliche BuchbinderinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt