Die unzähligen Laternen der Stadt strahlten blau und so hell, dass sie die Straßen in ein Licht tauchten, das dem des Tages ähnelte. In den Gassen herrschte reges Treiben. Gelächter und Stimmengewirr lagen in der Luft. Unzählige Stände waren in den Straßen aufgebaut, darauf lagen allerlei wunderbare Waren, die Lejara in dieser Fülle und Form noch nie gesehen hatte. Kleider und Getöpfertes, Geschirr, Schmuck... Sie blieb an einem Stand mit Büchern stehen, schlug eines davon vorsichtig auf und betrachtete die Bindung. Großvater hatte recht gehabt. Eine billige, geleimte Bindung. Tauglich, aber nicht so von Dauer wie die Fadenbindungen, die Lejara gefertigt hatte. Ein Stich jagte durch ihre Brust und sie strich über den ebenso billigen Einband des Buches, bevor sie es zurücklegte. Sie lächelte der Verkäuferin zu, bevor sie sich wieder in Bewegung setzte. Langsamen Schrittes folgte sie der Gasse bis zur nächsten Kreuzung, an der Finjan auf sie warten würde.
Ihre Gedanken glitten währenddessen wieder zurück zu den Büchern. Das Papier war billiger gewesen als jenes, das sie für gewöhnlich verarbeitete, die Bindung simpler, die Einbände liebloser gestaltet. Massenanfertigung eben. Dafür waren die Bücher auch für alle erschwinglich, nicht nur für die Oberschicht.
In Momenten wie diesen fehlte Lejara die Buchbinderei ihres Großvaters. Die friedliche, konzentrierte Arbeit, die sie alles rundherum vergessen ließ. Die Zufriedenheit nach einem erfüllten Auftrag...
Sie erreichte die Kreuzung und blieb an einer mit Ornamenten verzierten Hausecke stehen. Sie suchte die Anwesenden nach Finjan ab, aber im Gewimmel auf der Straße fiel es ihr überhaupt schwer, einzelne Gesichter auszumachen. Irgendwann jedoch stach ihr der dunkle Haarschopf Finjans ins Auge, der sich auf sie zubewegte. Finjan kam in einem hellen Leinenhemd und einer dunklen Hose mit hohen Stiefeln auf Lejara zu. Auf seinen Lippen trug er ein sanftes Lächeln. „Und, hast du etwas gefunden, das du haben möchtest?", fragte er sie und griff nach ihren Händen.
Lejara schmunzelte. „Ich könnte die ganze Stadt leerkaufen", antwortete sie belustigt.
Ein Grinsen legte sich auf Finjans Züge. „Das lässt sich einrichten."
Sie schüttelte den Kopf und lachte leise. „Du musst kein Geld für mich ausgeben. Ich fühle mich sowieso schon schlecht genug, weil ich dir auf der Tasche liege."
Er deutete eine Verneigung an. „Du bist meine Gästin, dein Wunsch ist mir Befehl", erwiderte er mit einem umwerfenden Lächeln auf den Lippen.
Sie begegnete ihm mit einem warmen Blick. „Lass uns lieber sehen, was die Nacht Filàns noch zu bieten hat", schlug sie vor und lächelte.Lejara rollte sich auf die andere Seite des Bettes, während Finjan leise zischend neben ihr lag. Durch das Fenster fiel das schwache Licht des gerade anbrechenden Tages in den Raum. Normalerweise wäre sie zu dieser Zeit aufgestanden, hätte sich angezogen und wäre in die Buchbinderei hinunter gegangen. Ob Großvater schon am Werktisch stand? Ob sie ihm fehlte?
Sie seufzte und drehte sich um. Ihr Blick blieb an Finjan hängen, dessen Züge entspannt und friedlich waren, während er regelmäßig ein- und ausatmete. Ein schwaches Lächeln huschte über ihr Gesicht, bevor sie an die Decke starrte. Sie spielte mit ihren Fingern, während ihre Gedanken immer noch um die Buchbinderei kreisten. Wie schon in den letzten Tagen. Den ganzen lieben langen Tag saß sie im Zimmer oder spazierte durch den weitläufigen Garten, während Finjan Geschäfte abwickelte. Einige Tage war das schön gewesen, doch nun...
Sie schluckte und schloss die Augen. Vielleicht würde sie doch noch ein wenig Schlaf finden.Ein leises Grummeln von Finjan riss sie aus ihren Gedanken und sie schlug die Lider auf. Wieder sah sie zu ihrem Partner, der gerade die dunklen Augen öffnete. Verschlafen taumelte sein Blick durch den Raum, bis er an ihr hängenblieb. Er lächelte und drückte Lejara einen Kuss auf die Lippen. „Guten Morgen, Schönheit", flüsterte er und ein leises Kratzen schwang in seiner Stimme mit, nachdem er gerade erst erwacht war.
Ein zögerliches Lächeln huschte über Lejaras Gesicht und sie strich über seine Wange. „Guten Morgen", antwortete sie.
Er zog die Augenbrauen zusammen und richtete sich ein wenig auf. „Stimmt was nicht?"
Unsicher sah sie ihn an und setzte sich auf. Unruhig knetete sie den Saum ihres Nachtkleids. „Ich vermisse die Buchbinderei", erklärte sie mit leiser Stimme und blickte Finjan an.
Er runzelte die Stirn. „Du hast hier doch alles, was du brauchst."
„Ich weiß, ich weiß", beeilte Lejara, sich zu sagen. „Aber mir fehlt die Arbeit."
Die Falten auf seiner Stirn wurden tiefer. Dann schüttelte er den Kopf und griff nach ihren Händen. „Du bist gerade erst aufgewacht, das Heimweh wird schon vergehen." Er lächelte sie an. „Lass uns aufstehen."
Lejara zog die Augenbrauen hoch und wandte für einen Moment den Blick ab. „In Ordnung", nuschelte sie.
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Die unglückliche Buchbinderin
RomanceLejara arbeitet in der Buchbinderei ihres Großvaters, erschafft Bücher aus Papier und Leder, auf dass sie die Zeiten überdauern. Das tut sie auch gerne. Doch dann kommt ein Fremder aus der fernen Hauptstadt und gibt sein Buch bei Lejara in Auftrag...