Das Laute Klingeln der Schulglocke erlöste mich schließlich vom Unterricht. Es würde jedoch nicht lange dauern, bis das Training des Volleyballclubs und somit mein offiziell erster Tag als Managerin beginnen würde. Statt noch einmal über Oikawas Worte von heute Morgen nachzudenken, versuchte ich lediglich zu entspannen und es aus meinem Kopf zu verbannen. Ganz so einfach war das dann aber doch nicht, da ich seinen Blick quasi dauernd auf mir spüren konnte. Ob es nun daran lag, dass er hinter mir saß und ich mir nur einbildete, dass er mich beobachtete, oder ob es tatsächlich so war, konnte ich nicht sagen. Heute verspürte ich lediglich das Bedürfnis, ihn zu meiden und darüber nachzudenken, wie ich es ihm am besten beichten würde. Noch immer verstand ich nicht ganz, wieso ich mir solche Gedanken über das Thema machte, denn eigentlich konnte er nur die Volleyballmannschaft der Karasuno an sich nicht leiden. Praktisch gesehen war ich also nicht direkt involviert. Wundern würde es mich aber auch nicht, wenn er es bereits ahnen würde, es aber für sich behält.
"Hey, es wird Zeit. Lass uns zur Halle gehen.", weckten mich Iwaizumis Worte aus meinen Gedanken, woraufhin ich zu ihm aufsah. Anders als heute morgen schien er auf einmal richtig zu strahlen. Ob es wegen des Trainings war?
"Sag mal Oikawa, was steht'n heute an?", fragte er meinen Hintermann und drehte seinen Kopf dabei in seine Richtung. Der Angesprochene stand bereits mit seiner Tasche über die Schulter hängend da und sah nun zu Iwaizumi.
"Blocken und Annahmen.", sagte dieser nur trocken und richtete seinen Blick kurz aus dem Fenster.
"Karasuno hat uns letztens gut genug gezeigt, wo unsere Schwächen liegen.", fügte er schließlich hinzu. Für einen kurzen Moment dachte ich, er würde mir dabei einen Blick aus dem Augenwinkel zuschmeißen, bevor er sich jedoch ganz zu mir drehte.
"Dein erster Tag als Managerin, was?", sagte er lächelnd und machte sich dabei auf den Weg Richtung Flur.
"Ja, mein erster Tag.", bestätigte ich seine Aussage nur, wobei mir erst als ich die Tür des Klassenzimmers erreicht hatte auffiel, dass ich unbemerkt angefangen hatte zu lächeln.
Ich würde lügen, würde ich sagen, dass ich mich nicht auf das Training freute. Das Mannschafts-Klima von Seijoh war anders als bei Karasuno. Natürlich gingen alle das Training mit Spaß an und versuchten, so wie Karasuno auch, sich stetig zu verbessern. Der Einzige große Unterschied lag jedoch darin, dass Seijoh ungerne neue Techniken ausprobierte, sondern lieber an ihren Stärken pfeilten. Natürlich trainierten sie auch in den Punkten, in denen sich noch Schwächen herausstellten, so waren es die Annahmen und Blocks gegen schnelle Angriffe, wie der von Hinata im Übungsspiel. Aber vor allem schienen sie mir alle ernster zu trainieren und auch viel konzentrierter, als Karasuno. Was jetzt nicht heißen soll, dass die Jungs nicht hart und konzentriert trainierten, sondern es lediglich einfach anders war als bei Seijoh. Es gab nicht viele Momente, in denen sie herumalberten. Durch Hinata, Kageyama, Tanaka und Nishinoya sah das bei Karasuno ganz anders aus. Es gab immer jemanden, der die Stimmung oben hielt und zwischendurch herumwitzelte. Seijoh hingegen schien genau zu wissen, was sie in einer Trainingsstunde auf jeden fall erreichen wollten. Für sie gab es keine Zeit zu verschwenden, selbst wenn es nur eine Minute durch herumalbern wäre. Sie waren um einiges disziplinierter als der ein oder andere aus Karasuno. Zudem spielte jeder von ihnen so solide, dass sie selbst bei jedem anderen beliebigen Team als Ass gelten konnten."Wir sehen uns dann gleich.", winkten mir Iwaizumi und Oikawa synchron zu, bevor sie in der Jungenumkleide der Sporthalle verschwunden waren. Ich hingegen machte meinen Weg zur Mädchenumkleide. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen zog ich mir meine türkis-weiße Sportuniform an, legte meine Tasche beiseite, schnappte mir mein Trinken und lief in Richtung der Halle. Auch heute hörte ich wieder das vertraute Quietschen der Schuhe auf dem Hallenboden. Kindaichi, Kunimi, Matsukawa und Hanamaki waren bereits dort und übten ihre Aufschläge, während die anderen nach und nach die Halle betraten. Ich schenkte dem jedoch nicht viel Aufmerksamkeit, auch wenn ich ihre Aufschläge gerne etwas genauer gesehen hätte, und machte mich daran, alle Getränke aufzufüllen und die Handtücher bereit zu legen. Es dauerte eine Weile, die ganzen noch leeren Flaschen nach einander aufzufüllen, aber andererseits beruhigte mich dies auch etwas. Es war immer ein Moment der Stille, in dem ich vom Rest des Tages kurz abschalten konnte, während das Wasser leise in die Flaschen plätscherte. Die Handtücher hingegen ließen sich zum Glück schnell verteilen, da sie bereits zusammengelegt waren. Anders wäre es gewesen, hätte ich sie aus der Wäsche holen müssen, was heute zum Glück nicht der Fall war. Als die Getränke also auch alle endlich aufgefüllt waren, lief ich einige Male hin und her und drückte jedem der Spieler eine Flasche in die Hand, welche dies dankend annahmen.
"Es ist so ungewohnt endlich wieder jemanden zu haben, der sich um all die Kleinigkeiten kümmert.", sagte Matsukawa mehr oder weniger nachdenklich, wie auch dankend.
"Es spart uns so viel mehr Zeit beim Training, jetzt da wir Yui haben, auf die wir zählen können.", meldete sich auch Hanamaki zu Wort, der mir kurz einen Daumen nach oben zeigte. Beide Reaktionen auf meine Anstrengungen ließen mich breit grinsen. Genau das war es auch, was ich damals bei Karasuno so liebte. Es war das Vertrauen, was mir geschenkt wurde. Dass ich die Kleinigkeiten schon regeln würde, während sich die anderen voll und ganz auf ihr Ziel konzentrieren konnten. Ihr Ziel immer und immer besser zu werden und im Sommertunier zu gewinnen und sich somit für die Nationalmeisterschaft des Oberschulvolleyballs zu qualifizieren. Ich hoffte für sie, dass sie es weit schaffen und vielleicht sogar gewinnen. Aber das gleiche hoffte ich auch für Karasuno. Möge also der bessere gewinnen. Denn mittlerweile war ich mir nicht mehr sicher, ob Karasuno sich so leicht geschlagen geben würde. Das letzte Trainingsspiel ist eine Weile her und seitdem zeigten die Jungs starke Verbesserungen, gleichzeitig aber auch einen viel stärkeren Willen. So einfach ließen sie sich nicht unterkriegen. Wie war das ganze aber bei Seijoh?
Mal wieder merkte ich erst, als ich gerade dabei war, die letzten beiden Flaschen auszuteilen, dass ich unterbewusst angefangen hatte zu lächeln. Obwohl es nicht lange her war, als ich das hier täglich machte, hatte ich es in den letzten Tagen echt vermisst. Es war mittlerweile wie eine Angewohnheit, die mich entspannte und durch welche ich mich wichtig fühlte. Schnell eilte ich also zu Seijohs Kapitän und dessen Ass, welche noch immer am Rand des Spielfeldes standen und sich über etwas zu unterhalten schienen. Bei den beiden angekommen, hielt ich ihnen stumm ihre frisch aufgefüllten Flaschen entgegen
"Danke.", entgegnete Iwaizumi mir herzlich und nahm mir die Flasche aus der Hand. Mein Blick schweifte also zu Oikawa hinüber, der die Flasche noch immer nicht entgegengenommen hatte.
"Jetzt mach schon hinne Shittykawa, wir haben noch einiges für heute vor uns!", meckerte Iwaizumi und klatschte seinem Nachbarn mit Schwung gegen die Schulter.
"Ist ja gut Iwalein!", quängelte dieser nur und nahm die Flasche mit tränenden Augen entgegen.
"Es ist nur so.. wie soll ich das sagen? Endlich müssen wir diesen Kram selbst nicht mehr machen und haben jemanden, der sich um uns kümmert.", erklärte er seine verzögerte Reaktion noch immer mit tränenden Augen, bevor er seinen Kopf zu Iwaizumi drehte.
"Heulsuse.", quittierte dieser ihn nur mit emotionslosem Blick, drehte sich danach um und ging zum Rest des Teams hinüber, um seinen Aufschlag zu üben. Kaum war Iwaizumi bei den anderen, normalisierte sich Oikawas Gesichtsausdruck und er sah zu mir hinunter.
"Danke, dass du dich dazu entschieden hast jetzt auch ein Teil von uns zu sein. Wir sollten uns nun besser auf unser Training konzentrieren können.", sagt er bloß kindlich lächelnd, zeigte mir begeistert einen Daumen nach oben und begab sich schließlich, genau wie Iwaizumi, zu den anderen des Teams. Fröhlich sah ich ihm hinterher und setzte mich auf die Bank am Rande des Spielfeldes. Es war ungewohnt, Oikawa nun so sorgenfrei zu sehen. Ungewohnt, wenn ich bedenke, dass sich das wohlmöglich durch meine bevorstehende Beichte ändern könnte. Meinen Blick auf den Spielfeldrand werfend, merkte ich, dass der Coach noch nicht da war aber auch bald eintreffen sollte. Jedoch war er nicht der einzige der noch fehlte. Als ich meinen Blick nämlich durch die Halle gleiten ließ, fiel mir auf, dass Kyotani noch immer nicht anwesend war. Gerade der, der wohlmöglich die größten Schwierigkeiten verursachte, ließ sich nicht beim Training blicken. Aber was sollte man auch anderes von dem Hitzkopf erwarten. Ich würde dennoch sicherstellen, dass er absofort pünktlich kommt, wenn er dann mal da ist. Die Rede wird er sich anhören müssen, ob er will oder nicht. Das Gleiche machte ich damals auch mit Noya und Asahi durch. Noya hatte nichts besseres zu tun, als sich in irgendwelchen Schwierigkeiten involvieren zu lassen, während Asahi sich nach seiner langen Pause nicht wieder unter die Augen der anderen traute. Und wenn ich sage, dass die beiden aus ihrer Lektion gelernt hatten, dann hatten sie das auch und das gleiche würde ebenso Seijohs Hitzkopf blühen.
DU LIEST GERADE
Liberty [Oikawa x OC]
FanfictionYui Mitsuyo, das bin ich! Manche würde mich als hübsch, impulsiv oder auch als eine eigentlich sehr liebevolle Person beschreiben. Trotz meiner kleinen Größe war es schon immer mein Traum, einer Volleyballmannschaft beizutreten. Leider ist das jedoc...