1. Von seltsamen Nachbarn

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Valerie

„Valerie, stalkst du schon wieder den Nachbarsjungen?", höre ich meine Mutter aus dem Erdgeschoss zu mir hoch schreien.

Wütend ducke ich mich von Fenster weg und versuche möglichst unauffällig die Vorhänge wieder komplett vor mein Zimmerfenster zu schieben. Dann gehe ich mit stampfenden Schritten zur Treppe und poltere hinunter.

„Kannst du das nächste Mal nicht noch lauter schreien? Ich glaube der Nachbar drei Straßen weiter hat es noch nicht gehört", zische ich ihr entgegen und lasse mich dann geräuschvoll auf den Esszimmerstuhl plumpsen. Meine Hände schlage ich dann theatralisch vor mein Gesicht.

„Du zerstörst mein ganzes Leben!", werfe ich ihr entgegen und warte auf ihre Reaktion. Aber die kommt nicht, wie immer.

Stattdessen grinst sie mir nur entgegen, während sie die Spagetti mitsamt Soße auf dem Tisch in der Mitte abstellt und sich dann mir gegenüber hinsetzt.

„Boah, wieviel Knoblauch hast du da schon wieder rein? Das vertreibt ja einen ganzen Vampirstamm", beschwere ich mich. Meine Mutter steht auf Knoblauch als Geschmacksverstärker. Beim Kochen kann sie nie darauf verzichten. Egal ob Pizza, Lasagne, Spagetti – ja sogar in Salate tut sie das eklige Zeug rein.

„Iss und gib endlich Ruhe. Sei dankbar, dass wir Essen auf dem Tisch haben. Denk an all die armen...", fängt sie einmal wieder mit ihrer alten Leier an. Die kenne ich aber schon in und auswendig, daher kann ich ihren Satz zu Ende bringen: „...unterprivilegierten Kinder dieser Erde. Gott sei gesegnet, zu aller Zeit", säusle ich und zwinkere ihr dann zu.

„Irgendwann muss ich doch noch den Pfarrer kommen lassen, damit er dir den Teufel austreibt", droht sie mir mit erhobenem Zeigefinger.

„Das hatten wir doch schon. Einen Exorzismus darf man heutzutage nur noch unter Begleitung eines Psychologen machen und da du das nicht willst, wird der Pfarrer es auch nicht machen", wiederhole ich ihr nicht zum ersten Mal. Unzufrieden, weil sie genau weiß, dass ich recht habe, kneift sie ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammen.

„Du solltest trotzdem aufhören, diesem seltsamen Jungen nach zu gaffen", wechselt sie das Thema. Während ich auf den Spagetti herumkaue, lege ich mir eine Antwort zurecht. Schließlich schlucke ich geräuschvoll hinunter, was meine Mutter wiederum genervt aufseufzen lässt

„Ich gaffe niemandem nach. Adrian und ich kennen uns seit einer Ewigkeit. Wir sind Freunde. Da ist ein gewisses Interesse aneinander normal", verteidige ich mich.

„Die Grigoris sind vor einem Jahr eingezogen! Das ist keine Ewigkeit!", schießt sie zurück.

„Für einen Teenager ist das aber eine Ewigkeit. Und ich verstehe auch gar nicht, was du gegen ihn hast. Er war immer höflich zu dir", gebe ich jetzt kleinlaut von mir und stochere in meinen restlichen Nudeln herum.

„Er ist einfach seltsam, ich kann mir nicht helfen. Welcher Junge in diesem Alter kleidet sich bitte jeden Tag mit einem Rüschenhemd und einem langen schwarzen Mantel? Ich habe den Jungen noch nie in Jeans gesehen, oder in normalen Turnschuhen! Besitzt er sowas eigentlich?", will sie mit ungläubiger Stimme wissen.

Etwas ertappt versuche ich ihrem stechenden Blick auszuweichen. Klar, er hat echt einen eigensinnigen Kleidungsstil. Die Rüschenhemden sehen schon etwas gewöhnungsbedürftig aus, ebenso diese ewig langen Mäntel. Teilweise hat er sogar den alten Lederfetzen von seinem Dad an. Dann ziehe ich ihn jedes Mal damit auf, dass er damit kleine Kinder erschrecken könnte oder aufpassen muss, von der Polizei nicht als Exhibitionist festgenommen zu werden.

„Außerdem ist es ein schlechtes Omen, das gleich in der ersten Woche nach ihrem Einzug unsere Katze Lucky verschwunden ist". Sie macht ein trauriges Gesicht wie immer, wenn sie von unserer entlaufenen Katze spricht. Lucky geht uns beiden ab. Sie war echt ein liebes Tier und sie ist davor noch nie weggelaufen.

Don't kill me Darling (Dark Romance)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt