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»Niva Mallow.«

Ich zucke zusammen und verschlucke mich beinahe an meiner eigenen Zunge.
Mein Blick schnellt nach oben.

Irgendwie muss ich erleichtert aufatmen, als ich meinen braunhaarigen Klassenkameraden erblicke.
»Theo Braunskin«, seufze ich erleichtert.

Jetzt, da ich wieder wach bin, spüre ich die nasse Kleidung an meinen Gliedmaßen. Und die Kälte, die beißende Kälte. Sofort beginne ich zu zittern.

Theo setzt sich seufzend neben mich. Und der Regen hört auf.

Ich schaue nach oben. Er hält einen roten Regenschirm über uns.

»Manchmal habe ich das Gefühl, du willst dich umbringen.« Diese trockene Weise, in der er diese Worte sagt, lassen mich kurz am Sarkasmus zweifeln.
»Ich auch«, erwidere ich. Und muss selbst an meinem Sarkasmus zweifeln.

Ich ziehe meine Beine an meinen Oberkörper und versuche, meine eisigen Zehen zu bewegen. Es ist noch hell. So lange kann ich nicht geschlafen haben.

Ich drehe meinen Kopf zu Theo. Er erwidert meinen Blick mit einem fragenden Gesichtsausdruck.

»Warum bist du hier?«, frage ich. »Es regnet in Strömen. Niemand geht bei so einem Wetter an den See.«
»Doch, du«, erwidert Theo kopfschüttelnd und muss aufgrund dieser Absurdidät lachen. Auch mir entflieht ein Schmunzeln.
»Die Frage war ernst gemeint«, sage ich dann und mustere ihn skeptisch. Seine braunen Augen strahlen irgendwie so eine Ruhe aus.

Mum hatte braune Augen.

»Ich habe dich gesucht. Ehrlich. Ich meine, wir haben dich gesucht. Deine Tante und Cousine. Und...«
Meine Augen werden größer. »Levin?«
»Nein, nicht Levin«, beruhigt er mich sofort. Beruhigt es mich wirklich? Oder tut es weh? Beides. Ich will ihn gerade wirklich nicht sehen.

»Aber so eine Freundin von Enya.«
»Lia?«
»Ja, das kann sein.«
»Machen sie sich wirklich so große Sorgen?« Ich zücke mit schlechtem Gewissen mein Handy. Und da sehe ich schon sieben entgangene Anrufe von Enya und drei von Louise. »Scheiße«, murmle ich.

»Aber sie haben sich gedacht, dass du eine Auszeit brauchst.«

»Warte mal«, sage ich etwas lauter und richte meinen Blick wieder auf Theo. »Woher weißt DU das alles? Warst du bei mir zuhause? Was zur Hölle ist die letzte... Stunde passiert?« Ich mustere ihn skeptisch, fast schon misstrauisch. Doch er grinst nur, als habe er eine einfache Erklärung.

»Wir waren verabredet in der Schule und du kamst nicht. Nach zehn Minuten hat mir Enya geschrieben, ob du bei mir wärst, aber ich habe verneint und dann meinte sie, ob ich denn zu ihnen kommen könnte. Sie klang verängstigt, also habe ich das gemacht. Wir dachten, dir ist etwas passiert.«

Ich schüttle den Kopf. »Warum? Ich war nicht lange weg.«
Theo zuckt mit den Schultern und sieht etwas peinlich berührt zur Seite. »Sie haben anscheinend eure Auseinandersetzung gehört. Und wie du die Tür zugeworfen hast. Und dann hat Louise Levin im Flur getroffen, der sie und ihre Fragen aber ignoriert hat und das Haus ebenfalls verlassen hat.«

Ich schlucke. Er ist nicht der, für den ich ihn gehalten habe. Und das spreche ich laut aus.

Theo sieht mich wieder an. Sein Blick durchdringt mich, als hätte er eine Erleuchtung. »Danke, dass du es endlich siehst«, flüstert er. Meine Augen füllen sich schon wieder mit Tränen. Wie ich das langsam satt habe!

Für einige Minuten sitzen wir einfach so da und es fühlt sich nicht einmal seltsam an. Zwar ist mir kalt und wach zu sein bedeutet, dass all die Gedanken und Erinnerungen wieder hochkommen, doch irgendwie macht Theo es erträglicher.

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