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Wir steigen aus dem Bus und direkt erfüllt mich Plätzchen- und Glühweinduft.

»Das kenne ich schon gar nicht mehr«, schwärme ich. Viele Menschen laufen über das Kopfsteinpflaster in der Innenstadt und lachen und reden, trinken und amüsieren sich. Natürlich sind wir in keiner Großstadt gelandet, doch um die zwanzig Tausend Einwohner hat dieses niedliche Städtchen, circa vierzig Minuten mit dem Bus entfernt, schon.

»Weihnachten? Ich könnte darauf verzichten.«
Ich stoße Theo mit dem Ellbogen in die Rippen. »Sag das nicht«, warne ich ihn. »Sonst was?« Er grinst amüsiert.
»Sonst musst du mit mir Glühwein trinken und Schokobananen essen«, gebe ich schlagfertig zurück. Er verzieht sein Gesicht, doch lacht dann auf. »Dagegen habe ich eigentlich gar nichts einzuwenden.«

Also steuere ich direkt einen der ersten Stände an. Die Leute sind warm eingepackt und heißer Dampf steigt sichtbar aus den Tassen. Einige Stehtische stehen vor den einzelnen Holzständen und sind reichlich belagert.

Ich drehe mich zu meinem Weggefährten, als Zigarettenqualm in meine Nase steigt.

»Du rauchst?« Überrascht beobachte ich, wie er die Zigarette wieder aus dem Mund nimmt und langsam Luft ausstößt. Dann zuckt er mit den Schultern. »Was erwartest du?« Ich schaue wieder auf meinen Weg. »Ich habe dich nur noch nie rauchen sehen.«

»Ich rauche nicht viel. Aber an Tagen wie diesen muss es sein.« Ich nicke stumm. Als ich vor einem Stand zum Stehen komme, spüre ich die ersten Regentropfen auf meinem Kopf. Wie unweihnachtlich!
»Oh nein«, stöhnt Theo und sieht nach oben, als wäre es nur ein tropfendes Dach über seinem Kopf und keine weinenden Wolken.

»Das hört bestimmt gleich auf«, beruhige ich ihn, doch ehrlich gesagt habe ich selbst ein mulmiges Gefühl, vor allem bei dem Gedanken an den ewigen Nieselregen am Vortag, der mich so unterkühlt hat.

Und es kommt, wie es kommen muss: Der Regen wird innerhalb von Sekunden stärker. Die Menschen werden hektisch und beschleunigen ihre Schritte, flüchten unter Dachvorsätze und geben schleunig ihre Tassen ab. »Planänderung, komm mit«, ruft mir Theo über die plötzliche Lautstärke hinweg zu. Ich nicke nur und laufe ihm mit schnellen Schritten hinterher. Damit wir uns nicht verlieren, greift er nach meiner Hand und hält sie fest in seiner.

Meine Schultern sind weit hoch gezogen und die Nässe macht sich schon in meinen Haaren sichtbar. Theo quetscht sich mit mir durch die hektische Menschenmasse, bis wir in eine der Seitenstraßen einbiegen und er zielstrebig weiterläuft. Ohne etwas zu hinterfragen, lasse ich mich von ihm durch die mir unbekannten Straßen ziehen.

Nach etwa fünf Minuten bleiben wir vor einem der kleinen alten Gebäude, welche aneinandergereiht den Charme der Altstadt ausmachen, stehen. »Ich wette, so etwas kennst du nicht aus der Stadt«, grinst Theo und sieht zu mir. Seine braunen Haare kleben schon leicht an seinem Gesicht. Ich sehe nach oben und erkenne ein altes Kino-Schild über der Schwingtür.

»Ein altes Kino?«, frage ich unbeeindruckt. Theo schüttelt nur den Kopf und zieht mich mit sich. Die Tür schwingt auf und etwas modriger Geruch kommt mir entgegen. Wir stehen in einem Eingangsbereich, der nicht recht groß ist und nur durch die wenigen Fenster und die Glastür beleuchtet wird. Dieser Laden sieht alles andere als einladend aus.

»Ich weiß ja nicht, Theo«, stammle ich und drücke unbewusst seine Hand etwas fester. Manche Ecken sind so unbeleuchtet, dass der Raum beinahe ein Horrorfilm-Schauplatz sein könnte. »Du wirst begeistert sein, vertrau mir«, sagt Theo jedoch und klingt dabei sicher und aufgeregt. Das beruhigt mich. Er lässt meine Hand los und läuft in Richtung des Empfangtresens.

Doch niemand steht an der Rezeption. Niemand steht hier irgendwo, denn das Gebäude scheint leer zu sein.

»Es scheint, als hätten sie zu«, sage ich, doch Theo läuft hinter die Theke und holt einen Schlüssel hervor. »Ich weiß«, grinst er. Meine Augen weiten sich. »Spinnst du? Es könnte jeden Moment jemand kommen!« Ich drehe mich erschrocken um, doch sehe nur den fiesen Regen draußen wüten.

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