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Ich betrete das Klassenzimmer nur wenige Sekunden vor Unterrichtsbeginn. Alle anderen Schüler sitzen schon auf ihren Plätzen, während meine Lehrerin es sich vor dem Pult gemütlich macht und nochmal genüsslich in einen Bagel beißt.

Mein Blick trifft sich sofort mit dem von Theo, der in der letzten Reihe sitzt und mich fixiert. Schnell wende ich meinen Blick ab und laufe mit gesenktem Kopf zu meinem Sitzplatz.

Verdammt, was war das schon wieder? Es wirkt so, als würde ich ihn meiden, dabei will ich doch bei ihm sein. Aber immer, wenn er mich so ansieht, bekomme ich das Gefühl aus dem Kino wieder und mir wird heiß und mein Kopf knallrot. Das kann ich in der Schule nicht gebrauchen. Mein Verstand ebenso nicht. Er ist gerade erst ein guter Freund geworden, einer, der mich versteht und mit dem ich Gedanken teilen kann, die sonst niemand versteht. Warum mache ich mir diese Verbindung gerade selbst wieder kaputt?

»Ah, Mallow«, sagt meine Lehrerin und schluckt dann erst herunter. »Braunskin. Haben Sie beide die Planung des Schulfestes dabei?« Ich nicke langsam. »Dann stellen Sie diese doch bitte der Klasse vor.« Ich schlucke heftig.

Direkt neben Theo stehen und von fünfzig Augen angestarrt werden, während mein Kopf rot wird und mein Verstand die Fassung verliert. Das kann nicht gut enden.

Da ich aber keine andere Wahl habe, hole ich die ganzen Zettel und die Flyer, die wir ebenso entworfen haben, aus meinem Rucksack.

Ich höre einen Stuhl quietschen. Das muss Theo sein. Also tue ich es ihm gleich und stehe auf.

Ich meide seinen Blick und starre auf die Zettel in meinen zittrigen Fingern, als wir im grellen Neonlicht vor der ganzen Klasse stehen, die uns abwartend ansieht. Nur das Kaffeeschlürfen der Lehrerin und vereinzelte Flüstereien durchbrechen die Stille.

»Also... ich fange dann mal an«, sagt Theo nach einigen Sekunden verunsichert in das Schweigen hinein. Ich spüre, dass er merkt, wie nervös ich bin. Dass ich mich seltsam verhalte, und ich würde es ihm so gerne erklären, doch gerade er ist ja das Problem. Ich reiche ihm wortlos den ausgearbeiteten Plan.

Zum Glück beginnt Theo einfach, zu erklären. Ob die Klasse wirklich zuhört, weiß ich nicht, doch die Sekunden zehren sich so endlos lange und meine Wangen brennen aufgrund der starrenden Jugendlichen und Theos naher Präsenz und seiner ruhigen Stimme. Ich will raus aus dem Rampenlicht, sogar ein einstürzender Boden käme mir gerade zugute.

»...Und Niva zeigt euch jetzt die Flyer.« Theo stößt mir mit dem Ellbogen leicht in die Rippen. Ich blinzle einige Male und schaue auf, dann zu den Flyern in meiner Hand. Das ist die perfekte Möglichkeit, die Aufmerksamkeit kurz von mir abzulenken.

»Ich teile sie euch einfach aus«, sage ich leise, und weiß nicht, ob mich irgendjemand gehört hat. Dann lege ich die Flyer auf einen der Tische und meine Klassenkameraden verteilen sie zum Glück unter sich und lesen sie durch. Auch die Lehrerin ist über einen gebeugt. So fühle ich mich zumindest für diesen Bruchteil von Minuten nicht wie serviertes Steak in einem Löwengehege.

Ich stelle mich wieder neben Theo und rieche sofort wieder seinen Geruch und sehe auf seine braune Cordjacke, die er auch in der Stadt anhatte.

»Hey, was ist los mit dir?«, flüstert er. Ich schüttle nur schnell den Kopf. »Alles gut«, lüge ich.
»Ist es wegen deiner Mum?« Er sieht zu mir herab und ich komme ins Stocken. An sie habe ich heute tatsächlich weniger gedacht, auch wenn heute ihr Geburtstag ist. Tante Louise will heute Abend noch einen Kuchen mit mir für sie backen. Dieses Angebot war sehr lieb von ihr.

Also zucke ich einfach mit den Schultern. Er soll nicht wissen, dass er mich nervös macht und mir plötzlich die Sprache verschlägt. Einen Augenblick sehe ich zu ihm auf, und als seine braunen Augen direkt auf meine treffen, ist es schon wieder um mich geschehen.

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