Begegnung

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Beim tanzen sieht es so aus, als würde sie schweben.

Wahrscheinlich tut sie es deshalb so gerne, das tanzen meine ich. Sie tanzt sich in einen hypnotisierten Zustand, den sie nicht mehr unter Kontrolle hat, egal wo, egal wann. Sie tanzt, und man kann sie da nicht herausholen. Am Anfang hat mich das völlig aus dem Konzept gebracht, doch inzwischen liebe ich es, ihr zu zusehen wie sie sich fallen lässt, und ihren Körper von ihrem Bewusstsein trennt.

Sie tanzt mal schnell, mal langsam, mal lange, mal nur für einen kurzen Augenblick.

Am Anfang unsrer Bekanntschaft fragte ich mich, wie ich einem solche Wesen begegnen sollte, ohne mich heillos zu verlieren, um es mit John Green's Worten zu sagen. Doch inzwischen weiß ich, das sie ein Mensch ist. Manchmal zweifle ich doch noch, aber am Ende komme ich immer wieder darauf zurück. Sie ist ein Mensch. Das macht das ganze auch nicht begreiflicher, aber wenigstens, ist das diese eine Sache, die ich mit Sicherheit über sie weiß. Oder wenigstens versuche,daran zu glauben.

Sie geht neben mir, nein, eigentlich wirkt es, als würde sie über den Boden gleiten, der nass und voller Pfützen ist. Ihren wirklichen Namen weiß ich nicht.

Ich gebe mich damit zurfrieden.

Sie holte mich aus meinen Gedanken, in dem sie in eine Pfütze sprang. Es spritzte, und wir beide waren bis zu den Oberschenkeln nass. Sie warf den Kopf in den Nacken, und lachte. Ihr dunkles Haar fiel ihr über den rücken, und entblößte die deutlich sichtbaren Schlüsselbeine.

Vieles an ihr hatte mich erschreckt, als ich sie kennenlernte. Aber inzwischen liebte ich jedes kleinste Detail an ihr. Selbst die neun Narben an ihrem Arm, die sich deutlich von ihrer blassen Haut abzeichneten.

Sie hatte sich ein Wort in den Arm geschnitten, tief in die Haut hinein. Ana.

Inzwischen lachte sie sich dafür selber aus, immer, wenn ich bloß den Blick drüber schweifen lies.

An der nächsten Ecke mussten wir nach links.

Es hatte eine Zeit gegeben, wo ich jeden Tag zum Platz an der Spree ging. Ich wusste nicht, ob der Platz einen Namen hatte, aber er war schön, ein paar Bänke standen dort, und es gab sogar Bäume, etwas weiter führten Treppen in die Spree. Sie war mir in dieser Zeit oft aufgefallen, sie saß zwar nicht regelmäßig, aber doch sehr oft auf der zweiten Bank von links. Manchmal schrieb sie in ein kleines Buch, aber manchmal saß sie auch einfach nur da, mit angezogenen Beinen, und sah auf die Spree. Irgendwann hatten wir uns immer zugelächelt, wenn wir uns sahen, und bald setzte sie sich nicht mehr auf die zweite Bank von links, sondern auf meine mit dazu.

Es waren ein paar Treffen vergangen, bis sie unvermittelt in die Stille sagte:,,Nenn mich Ana"

Und von da an nannte ich sie Ana.

SchaukelpoesieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt