Dieser Text hat bei Himmelweiss 's Buch "One Word A Day" mitgemacht. Das Wort war 'Bambusmansarde'.
Robert Koch litt. Und das ganz vorbildlich. Jeden Abend wenn er von der Redaktion ermüdet nach Hause in die kleine Dachwohbung kam, sich Nudeln oder eine Fünf-Minuten-Terine aufgewärmt und Amy Winehouse aufgelegt hatte, setzte er sich mit einem Bier und einer Schachtel Malboro Gold auf seinen kleinen Balkon, und weinte.
Nicht etwa weil er betrübt war, nein.
Es gehörte doch dazu, oder nicht? Es vervollständigte das Bild vom mittelalten Witwer, der nichts mit sich und seinem Leben anzufangen wusste.
Es kam so schön stimmig rüber.
Oft unternahm er auch "lange, melancholische Spaziergänge", wie er auf seiner Facebookseite veröffentlicht hatte. Viele aufmunternte Kommentare waren eingetrudelt, er spielte das Spiel gut.
Heute verfasste er einen Post, der ging so:,, Einsam bin ich, meine Freunde. Ich schlürfe mein Bierchen, die Mikrowelle ist mein bester Freund geworden. Den Sinn suchend und nachdenklich bin ich, seitdem meine liebe Frau von uns gegangen ist."
Er triefte förmlich vor Spott, niemand könnte ernsthaft denken dass das ernst gemeint sei. Aber wie die letzten Wochen auch, erschienen sofort unzählige Kommentare, alle bemitleident und Trost zusprechend. Robert Koch schüttelte den Kopf vor lauter Unverstandenheit, und fuhr sich durchs schüttere Haar, als ein neuer Kommentar angezeigt wurde. Seine inzwischen halb so alte Tochter wie er schrieb:,, Du liebst die Vorstellung zu leiden, verständlich. Und ich meine nicht den Bullshit den du hier hochlädst, ich meine das dadrunter.
Hättest du Mama einmal mit nach Asien begleitet, hättest du einmal deinen scheiß Zynismus hinter die gelassen, wärst du einmal aus deiner kleinen Welt aufgewacht, sie hätte dich nicht für den homosexuellen Japaner verlassen.
Sie lebt jetzt glücklich in der "verdammten Bambusmansarde mit dem Schwulen Japsen", wie du dich auszudrücken pflegtest.
Wenn du selber nur mal aus dir herausgekommen wärst, aus diesem kleinen Zimmerchen in deinem Kopf, dieser Bambusmansarde (wie ironisch). Bambus wird mit der Zeit alt und spröde, und in Mansarden lebt man meistens allein, wie alle traurigen Poeten.
Lass es gut sein, Papa. Schöne Grüße aus Japan.
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Schaukelpoesie
PoesíaOhne Worte. In Gedanken. Ohne Zeit. Im Nichts. [Textesammlung] Cover ist von @angelacht (Nana, Dude)