Kapitel 10

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Miri:

Nina antwortete mir nicht, weshalb ich das Licht ausmachte und mich hinlegte. Aber einschlafen konnte ich nicht. Ich musste darüber nachdenken, was Ben gesagt hatte; vielleicht gab es wirklich eine Chance hier weg zukommen. Dann würde ich meinen nervigen Bruder wieder sehen, den ich ein wenig vermisste und ich würde meine Eltern wieder sehen. Obwohl das auch wieder anstrengend wird, weil sie sich ständig streiten. Außerdem würde ich endlich wieder The Script hören können.
Jemand zog scharf die Luft ein. Es kam von links, deshalb dachte ich, dass es Hannah war.
"Hannah?", fragte ich und tastete nach der Taschenlampe, die ich aber nicht fand, weil Hannah sie in der Hand hatte. Sie knipste sie an und deutete mir, mit ihr nach draußen zu kommen, was ich auch tat.
"Was war das grad?", fragte ich leicht besorgt.
"Ich hab mir nur mein Knie angestoßen ... Das Knie mit dem blauen Fleck wegen der Treppe", erklärte sie und ich prustete los.
"Lach mich nicht aus nur weil ich nicht laufen kann!" Hannah tat gespielt beleidigt und viel dann in mein Lachen ein. Leicht schlug ich ihr gegen die Stirn und sie grinste. Es tat gut das ganze Drama zu vergessen und einfach mit Hannah zu lachen. Ich glaube ihr ging es genauso.
"Okay Miri du musst mir was erklären...", fing sie an. Oh oh was kommt jetzt?
"Als Simon dich in Schutz genommen hat bist du rot geworden. Wieso?" Prüfend sah ich sie an.
"Nur so", murmelte ich dann und sah zu Boden.
"Ihr habt mich geweckt", maulte Nina, die plötzlich hinter uns stand. Erschrocken fuhren Hannah und ich zusammen und brachen dann mit Nina in Lachen aus. Nina setzte sich neben uns.
"Ich hab die Frage von Hannah mitbekommen. Ich wills auch wissen! Vorallem wie du Simon in den Arm genommen hast und er sich dann entspannt hat ..." Nina wackelte mit ihren Augenbrauen. Ertappt sah ich die beiden an.
"Okaaay ... Ich steh ein wenig auf ihn und ihr werdet das keinem sagen, klar!?" Ich hob drohend meinen Zeigefinger und schaute sie abwechselnd an.
"Echt?", fragte Nina und grinste.
"Nee unecht" lachte ich. "Ich mag aber nicht darüber reden also amderes Thema?"
"Okay und was?"
"Ben hat doch Recht, oder?", fing ich an. "Er meinte, dass wir es schaffen können hier weg zu kommen und ich glaube das auch. Auch wenn Herr Fischer kein Handy mitgenommen hat, dann können wir doch irgendwie SOS-Signale senden, damit uns jemand rettet."
"Falls du's noch nicht bemerkt haben solltest, sind wir hier am Arsch der Welt. Wer soll denn bitte ein SOS-Signal sehen?", meinte Hannah. Ich seufzte.
"Und wenn wir soweit schwimmen, bis es jemand sieht?", beteiligte sich Nina.
"Wenn du es schaffst, so weit zu schwimmen, dann bist du gut, Vollidiot!", lachte Hannah, aber umarmte Nina kurz, um ihr zu zeigen, dass es nur ein Spaß war.
"Schlag was besseres vor", motzte Nina aber fing dann auch an zu lachen.
"Theoretisch können wir auch am Strand sitzen bleiben und warten, bis The Script mit einem U-Boot vorbeikommt", schlug ich verträumt vor. Oh mein Gott, das wäre das allerbeste. Nina und Hannah lachten und schüttelten die Köpfe, was mir egal war. In meinem Kopf war alles möglich, warum dann nicht auch in Wirklichkeit. Okay, das war absurd, ich war schon ein wenig seltsam.
"Wir können auch ein Wache aufstellen. Immer zwei Leute, falls einer ein schläft oder so. Und am Tag können wir versuchen alle zusammen zu bleiben, dann wird es für den Mörder schwer, jemanden zu töten." Nina holte mich mit ihrer Idee wieder aus meinen Träumereien zurück in die Wirklichkeit. Mit ihrer ziemlich guten Idee.
"Ja, das können wir machen. Wir sollten das morgen den anderen sagen, vielleicht überleben wir dann die restlichen Wochen", stimmt auch Hannah zu. Es war wirklich schlimm sich vorzustellen, dass morgen Hannah oder Nina tot war. Oder sogar ich selber. Ich würde nie wieder meinen Bruder sehen, nie meine Eltern, meine komplette Familie, meine Freunde, einfach alle. Dieser Gedanke jagte mir einen Schauer über den Rücken. Ich wollte nicht sterben, aber ich denke, das galt für alle. Ob es Caro und den anderen wohl gut ging? Wie fühlte sich das überhaupt an zu sterben? Wie eine Qual oder eine Erlösung? Und wenn man dann tot war, kam es einem dann so vor als würde man schlafen? Für immer einfach nur da liegen und schlafen? Ich wusste es nicht. Und ich wollte es nicht wissen. Zumindest jetzt nicht.
Ich realisierte gar nicht, dass die anderen mit mir sprachen, bis Hannah mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum fuchtelte.
Ich machte ein verwirrtes "Hm?" und drehte mich zu ihnen.
"An was denkst du?" Nina klang ein wenig besorgt. Merkte man mir wirklich so leicht an, wenn ich über etwas nachdenke oder traurig oder sonst was bin? Das sollte ich schleunigst ändern.
"Nur daran, wie es wird wenn wir nicht überleben", murmelte ich. Wie würden meine Eltern reagieren? Sie würden wahrscheinlich von der Schule informiert werden, sobald das gebuchte Boot am Hafen an gekommen wäre. Wahrscheinlich wären sie geschockt. Ihr Leben würde sich bestimmt verändern ... Genau so, wie sich mein Leben ändern würde, wenn jemand von ihnen sterben würde. Okay, darüber durfte ich nicht nachdenken, das machte mich gleich deprimiert.
"Können wir ins Zelt gehen und versuchen zu schlafen?", fragte ich. meine gute Laune von vorhin ist wie weg gepustet. Meine beiden Freundinnen waren einverstanden, also stiegen wir ins Zelt und legten uns hin. Obwohl ich noch immer an das ganze Drama denken musste, schlief ich ziemlich schnell ein.

Ich wurde von einen Schrei wach. Nein, bitte nicht schon wieder. Nina und Hannah hatten ihn auch gehört und dachten dasselbe wie ich, das sah ich an ihren Gesichtsausdrücken. Zusammen gingen wir nach draußen und stellten uns zu den anderen um zu schauen, was passiert war. Im Kreis der anderen lag Tobi - mit einem Messer in der Brust. Über ihn gebeugt saß Amy. Die beiden waren schon ewig zusammen und wirklich ein richtig süßes Paar. Allerdings hörte das wohl in diesem Moment auf.
Die legte ihren Kopf vorsichtig auf seinen Bauch und schluchzte - und alle schauten zu. Manche hatten erschrockene Gesichter, andere mitfühlende oder traurige. Tobi war nicht unbeliebt, aber er stand nie extrem im Mittelpunkt.
"Amy, komm lass uns ihn sauber machen und zu den anderen Leiche legen", sagte Henry und wollte Amy weg ziehen, aber Nina hielt ihn zurück.
"Lass sie. Lasst sie alle, am besten ihr geht mal was frühstücken. Ich bin mir sicher, sie braucht gerade keine Zuschauer", rief sie und machte eine scheuchende Handbewegung. Hannah und ich liefen los und zogen die anderen mit uns, während Nina bei Amy blieb. Beim Frühstück sagte niemand was. Es wurde wirklich jedes Mal schlimmer. Ich wollte, dass dieser Horror endlich aufhörte...

Will I die tomorrow?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt