Kapitel 2

66 3 0
                                    

Hannah:

"So... Der erste Tag neigt sich bereits zu Ende! Gefällt es euch hier?", fragte Herr Fischer nach dem Essen neugierig. Einige murrten und es schien so als würden sie am liebsten wieder auf direktem Weg nach Hause laufen wollen. Doch der größte Teil unserer Klasse nickte zustimmend. Ich schloss mich dem gut gelaunten Teil der Klasse an und nickte ebenfalls. So schlimm wird es schon nicht werden!

Herr Fischer strahlte uns an. Ihm schien campen sichtlich Spaß zu machen. Normalerweise hatte er ziemlich schlechte Laune, doch heute strahlten seine kastanienbraunen Augen förmlich. "Ich weiß, wie wir den Tag noch schön ausklingen lassen können!", meinte er lächelnd, während er eine Gitarre hinter seinem Rücken hervorholte. Eine Gitarre?! Wir haben nur einen kleinen Rucksack mitnehmen dürfen und er bringt so etwas unnötiges wie eine Gitarre mit?! Die Jungs stöhnten, als sie die Gitarre sahen. Das entsprach eindeutig nicht ihrer Vorstellung eines gelungenen Abends. "Muss das sein?", fragte Ben genervt und verdrehte die Augen. "Können wir nicht was anderes machen?", ergänzte Paul. Herr Fischer runzelte die Stirn. "Was denn zum Beispiel?", wollte er wissen. "Wir könnten uns Geschichten erzählen oderso, aber bitte nicht singen!", flehte Max. "Geschichten erzählen? Wie alt sind wir? 10?", fragte Skye naserümpfend. "Eigentlich ist das doch gar keine sooo schlechte Idee!", warf Lena ein. "Und ob das eine schlechte Idee ist!", erwiderte Sandra. "Ok, ok. Ich merke schon wir sind unterschiedlicher Meinung, was einen gelungenen Abend betrifft! Wie wäre es wenn wir einfach abstimmen?", schlug Herr Fischer vor. Für die Geschichten meldeten sich 19 Leute inklusive mir, denn ich hatte im Moment nicht sonderlich viel Lust noch irgendetwas zu singen. Lieber hörte ich mir jetzt irgendwelche Geschichten von den anderen an.

Oliver began und erzählte uns eine, wie er sagte, wahre Geschichte: "Vor zehn Jahren haben mal fünf richtig gute Freunde beschlossen ihr Wochende allein in einer kleinen, renovierungsbedürftigen Holzhütte auf einer einsamen Insel zu verbringen. Angangs hatten sie noch ziemlich viel Spaß. Das Wetter war schön und am Abend haben sie dann auch noch ein großes Lagerfeuer gemacht und ihre mitgebrachten Marshmallows darin gegrillt. Alles war gut bis dann am Morgen Sven, also einer von den Fünf, die Leiche von seiner Freundin Ronja findet. Sie lag direkt vor der Hütte mit einem Messer in der Brust. Ihre Augen waren merkwürdig verdreht, sodass man nur das weiße sehen konnte. Da außer ihnen niemand auf der Insel war verdächtigten sie sich gegenseitig und wollten natürlich wieder von der Insel herunter. Doch es ging nicht da ihr Boot verschwunden war. Also blieben sie in der Hütte und jede Nacht starb einer von ihnen. Bis heute weiß niemand, wer für diese Morde verantwortlich ist, das heißt der Mörder ist wahrscheinlich immer noch auf der Insel!"

Für einen Augenblick trat ein betretenes Schweigen ein, dann meinte Alex: "Deine Geschichten waren auch schon mal besser!" Einige reagierten nicht und andere kicherten nervös. Die Geschichte ist schon irgendwie gruselig, wenn man bedenkt, dass wir hier auch auf einer einsamen Insel sind. Eine Gänsehaut überzog meinen Körper. Vielleicht war es doch nicht so klug gewesen für die Geschichten zu stimmen!

Doch die darauffolgenden Geschichten von Nick, Amy und Lena waren eher seltsam als gruselig. Das Lagerfeuer war mittlerweile schon fast heruntergebrannt und ich musste gähnen. "Ich glaube, das reicht für heute!", meinte Herr Fischer, der ebenfalls müde zu sein schien. Gähnend löschten wir das Feuer und begaben uns dann in unsere Zelte. Auf dem Weg dorthin meinte Nina genervt:  "Wieso muss Oliver solche Geschichten immer dann bringen wenn wir grade hier auf dieser  Insel zelten?" "Der wollte uns doch nur Angst machen!", erwiderte ich und Miri nickte zustimmend. Doch nachdem wir eine Weile schweigend nebeneinander hergelaufen waren, flüsterte sie: "Aber die Geschichte war schon gruselig! Stellt euch mal vor das würde wirklich passieren!" Ein Schauder lief mir über den Rücken. "Ok lasst uns lieber über was anderes reden!", versuchte ich das Thema zu beenden. Beide stimmten mir zu und so streiteten wir uns  darüber ob Borussia Dortmund oder der FC Augsburg cooler waren, während wir in unsere Schlafsäcke krochen. Doch bald waren wir alle zu müde zum reden und versuchten zu schlafen.

Die Atemzügen der beiden wurden immer gleichmäßiger, was mich vermuten ließ, dass sie schliefen. Doch egal in was für einer Position ich lag, ich schaffte es einfach nicht einzuschlafen. Nach einiger Zeit bekam ich dann auch noch Durst. Stöhnend kroch ich aus meinem Schlafsack und verließ das Zelt. Alles um mich herum war dunkel und ich konnte nicht einmal meine eigene Hand sehen. Fluchend lief ich in die Richtung in der ich das Zelt mit unseren Vorräten vermutete. Immer wieder stolperte ich über irgendwelche Steine oder die Schnur von einem Zelt. Ich hatte das Zelt schon fast erreicht, da rutschte ich auf irgendetwas glitschigem aus und fiel auf etwas weiches das sich anfühlte wie...ein Körper. Verdattert rappelte ich mich wieder auf und spürte, dass irgendetwas widerlich flüssiges an meinen Handflächen klebte. Na super, wo hab ich jetzt schon wieder reingefasst? Naserümpfend roch ich dran. Ein lauter Schrei entfuhr mir, als ich realisierte, dass es sich bei der Flüssigkeit um Blut handelte.

Wie erstarrt blickte ich an den Ort an dem ich meine Hände vermutete. Ich nahm gar nicht richtig war, dass ein paar meiner Klassenkameraden verschlafen aus ihren Zelten krochen, um nachzusehen, wer gerade eben geschrien hatte. Erst als mich der grelle Schein einer Taschenlampe bestrahlte und weitere laute Schreie ertönten erwachte ich aus meinem Trance-Zustand. Und jetzt sah ich auch, wieso die anderen geschrien hatten. Vor mir lag Herr Fischer. Ein schlichtes Brotmesser steckte tief in seiner breiten Brust und das Blut hatte bereits eine Lache um seinen Brustkorb gebildet. Auch sein weißes Hemd war von seinem Blut durchtränkt. Seine Augen starrten ausdruckslos in den klaren Nachthimmel und sein rechter Arm war unnatürlich verdreht. Es sah einfach nur schrecklich aus!

"Was hast du getan?", hauchte Bianca ängstlich, deren Gesicht noch blasser wirkte als sonst. "Wie...? Ich hab nicht... also das war ich nicht!!", stammelte ich aufgebracht. Erst jetzt realisierte ich, wie das alles auf die anderen wirken musste. Sie sahen Herr Fischers Leiche und daneben mich, ein Mädchen dessen Hände blutverschmiert waren. Aber dachten sie echt ich hätte ihn umgebracht? Glaubten sie wirklich ich sei zu so etwas fähig? Ein Blick in die Gesichter der anderen genügte um zu wissen, dass sie genau das dachten. "Verdammt, ich war das nicht!! Das müsst ihr mir glauben!! Ich könnte sowas doch gar nicht!", versuchte ich ihnen panisch zu erklären, dass ich keine Mörderin war. "Was macht dann sein Blut an deinen Händen?", fragte Paul skeptisch. "Ich konnte nicht einschlafen und wollte mir was zu trinken holen, da bin ich über ihn gestolpert!", antwortete ich hektisch. Verzweifelt fiel mein Blick erneut auf die Gesichter der anderen und ich erkannte, dass sie mir immer noch kein Wort glaubten. Was soll ich jetzt tun? Ich bin keine Mörderin!! Plötzlich entdeckte ich Nina und Miri in der Menge. "Aber ihr glaubt mir doch, dass ich unschuldig bin, oder?" Zuerst schwiegen beide, dann meinte Nina mit gesenktem Blick: "Du warst nicht im Zelt, als wir aufgewacht sind..." Geschockt blickte ich in ihre Gesichter. Sie glauben mir nicht! Meine eigenen Freundinnen glauben nicht an meine Unschuld! Tränen schossen mir in meine Augen. "Ihr müsst mir glauben!", schrie ich verzweifelt. "Denkt ihr ernsthaft, dass ich zu so etwas fähig bin?" Nach diesem Satz sank ich erschöpft zu Boden und schloss die Augen. Vielleicht ist all das hier ja nur ein schrecklicher Traum? Doch ich wusste ganz genau, dass das die Realität war und dort war ich die Hauptverdächtige in einem Mordfall...

Will I die tomorrow?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt