"Erkundungstour"

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Der Ledersitz des Autos war ganz kalt, als ich mich auf ihn setzte. Ich zog meine Hände in die Ärmel meiner Jacke und steckte sie zwischen meine Oberschenkel. Minho stieg ein, hing sein Handy an den Halter und startete den Motor. Wir fuhren los zum Büro, er wollte - wie mit Ahri besprochen - einen Blick auf das Kleid werfen, über das sie vor ein paar Tagen diskutiert hatten. Minho begann leise die Lieder mitzusingen und ich lauschte entspannt seiner Stimme, bevor ich mich ihm irgendwann anschloss. Die Fahrt verging wie im Flug und als wir am Büro ankamen, sangen wir so laut im Auto, dass wir ein paar genervte Blicke von Fußgängern ernteten. Minho parkte ein und drehte die Musik wieder leise, bevor wir ausstiegen und Hand in Hand unseren Weg ins Büro antraten. Er wollte gerade sein Handy einstecken, da klingelte es plötzlich. Er schaute fragend auf den Bildschirm, nahm dann aber den Anruf doch entgegen: "Lee?", meldete er sich. Kurz hinter der Eingangstür hielt er an und sagte: "Ja, das würde passen, ich könnte in anderthalb Stunden da sein.". Ich legte den Kopf leicht schräg und sah ihn fragend an. Was auch immer das für ein Termin sein mochte, ich musste anscheinend mitkommen, denn ich hatte ja schon mitbekommen, dass Ahri und er nicht gerade kurz angebunden waren, wenn sie etwas besprachen. Endlich legte er auf und erklärte mir: "Das war der Makler, wir können heute schon das neue Büro besichtigen.". Ich lächelte ihn an und klatschte ein paar mal aufgeregt in die Hände.


Wir fuhren mit dem Fahrstuhl in die vierte Etage und gingen zwischen den Schreibtischen hindurch. Minho begrüßte jeden einzelnen Mitarbeiter persönlich, dieser Mann war so wertschätzend. Es fiel ihm scheinbar so leicht, anderen Menschen zu vermitteln, dass sie ihm wichtig waren. Ich hingegen bekam nur bei ein paar Leuten ein Wort heraus, wenn sie mich freundlich etwas fragten. Mit mir an der Hand ging Minho zielstrebig auf eine Tür zu. Er klopfte ein paar mal an und öffnete sie. Ich war geschockt, wie es hier aussah. Der große, helle Raum stand voll mit Tischen, auf denen hochgestapelt Entwürfe, Stoffbahnen und Zuschnitte lagen. "Ahri?", rief Minho in den Raum und wir hörten Geräusche hinter einem der großen Tische. Ahri stand auf und begrüßte uns müde. "Wann hast du denn schon wieder angefangen zu arbeiten? Du siehst total fertig aus.", fragte er sie besorgt, woraufhin die zierliche Frau antwortete: "Keine Sorge, ich habe genug Energydrinks gehabt, dass ich die nächsten drei Nächte nicht schlafen kann.". Als sie das sagte, fielen mir die vielen leeren Dosen auf, die sich hier überall gesammelt hatten. Minho schüttelte nur den Kopf und sagte: "Du musst echt mal aufhören, so viel von dem Zeug zu trinken, ansonsten explodiert irgendwann dein Herz." - "Ich habe doch gar keins.", antwortete sie ihm trocken und kam auf uns zu. Anscheinend wusste sie, dass Minho ein Befürworter von Ordnung war, weshalb sie sich einige male für das Chaos entschuldigte und versprach, dass sie demnächst aufräumen würde. "Ist schon okay. Wie weit bist du mit dem Kleid?". Sie grinste ihn an und zog ihn hinter sich her. Ich folgte den beiden unauffällig hinter ein deckenhohes Regal, das voll mit Stoffen und Aufbewahrungskisten war. Ich konnte nicht glauben, dass Ahri das Kleid selbst genäht hatte, was an der Schneiderpuppe hing. Das Kleid war bis zur Taille hauteng und unten breiteten sich viele Schichten aus Tüll über dem Boden aus. In Perfektion hatte sie mehrere schmale Träger über dem tiefen Rückenausschnitt ineinander gewebt. Minho ging langsam auf das Kleid zu und seine Augen funkelten genau wie die kleinen Glitzersteine, die sie mühsam per Hand eingearbeitet hatte. Leise sagte er: "Es ist wunderschön." und strich leicht über die oberste Schicht aus Tüll. "Wenn du mir hilfst, mein Kleid aufzumachen, ziehe ich es gern mal an, dann können wir besser schauen, was wir noch ändern müssen.", schlug Ahri vor und drehte sich mit dem Rücken zu Minho. Langsam öffnete er den Reißverschluss an der Rückseite und sie zog zaghaft ihre Arme aus dem durchsichtigen Stoff. Sie zog sich einfach vor uns aus, ohne auch nur im geringsten rot anzulaufen. Nur in Kniestrümpfen und Unterwäsche ging sie zur Schneiderpuppe und bat Minho darum, ihr zu helfen, da noch einige Stecknadeln im Stoff versteckt waren. Ich half den beiden ebenfalls, die vielen Lagen des fließenden Stoffes über Ahris Kopf zu ziehen, ohne dass sie eine der Nadeln verletzen konnte. Sie stellte sich vorsichtig auf einen Hocker und schüttelte den langen Rock den Kleides auf, sodass er sich weich ausbreitete. Ihr Anblick hatte uns vollkommen die Sprache verschlagen. Irgendwann sagte sie mit leicht geröteten Wangen: "Und? Was meinst du?". "Es ist umwerfend.", antwortete ich anstelle von Minho, der nur noch nicken konnte. Wir halfen ihr dabei, sich aus dem Kleid zu befreien und sich wieder ihr Eigenes anzuziehen. "Mach es bitte genau so fertig, Ahri. Es ist perfekt.", bat Minho sie, bevor wir den Raum verließen.

"Be a good boy." - Minsung -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt