"Armer kranker Hase."

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Ich wollte meine Augen an diesem Morgen gar nicht öffnen. Gestern Abend war ich schon ständig am Niesen, mein Hals begann zu schmerzen und mein Kopf wurde immer heißer. Die Nacht über bin ich ständig wach geworden, weil ich mir sicher war, jemand hatte mein Bett direkt an den Nordpol geschoben. Ich war ordentlich erkältet. Ich wickelte mich in meine Bettdecke ein, um nicht auf dem Weg in die Küche zu erfrieren. Minho saß mit einer Tasse in der Hand am Tisch und las in irgendeinem Magazin. "Guten Morgen", begrüßte ich ihn kurz mit heiserer Stimme. Er musterte mich mit hochgezogener Augenbraue und sagte: "Na, da ist aber jemand ordentlich angeschlagen.". Ich wollte ihm gerade klar machen, dass alles halb so wild war, da bekam ich auch schon einen Hustenanfall. Minho sprang von seinem Stuhl auf, schnappte ein Glas und füllte es schnell mit Wasser, um es mir rüberzureichen. Ich schüttelte den Kopf und endlich hörte das Husten auf. Streng schaute Minho zu mir rüber und sagte mit ernster Stimme: "Du musst viel trinken, wenn du krank bist." - "Ja, Mama. Weiß ich.". Ich bahnte mir mit meiner Hand einen Weg aus meiner Decke und nahm ihm das Glas ab, was ich austrank, ohne abzusetzen. "Bist du jetzt zufrieden?". Ich drehte mich zu Minho und warf ihm einen leicht genervten Blick zu, während ich das Glas in den Geschirrspüler stellte. "Das hast du fein gemacht!", sagte er und tätschelte mir den Kopf. Dann packte er mich an beiden Schultern, drehte mich um und schob mich in mein Zimmer. "Du hörst mir jetzt mal zu, ich werde mich nicht wiederholen. Du legst dich jetzt in dein Bett und kuschelst dich ein. Ich werde schnell zur Apotheke fahren und dir Medikamente holen. Keine Diskussion!" - "Hör mal auf, dir so 'ne Sorgen zu machen, ich habe einfach nur 'ne Erkältung!". Als ich den Satz ausgesprochen hatte, wurde ich plötzlich wieder von Minho an den Schultern gepackt. Er kam mir näher, sodass ich seinen Atem neben meinem Ohr spüren konnte. "Ich sagte doch, ich will keine Diskussion." Ein kalter Schauer lief mir den Rücken runter. Seine Stimme war so leise, aber die Art wie er das sagte, war irgendwie furchteinflößend. Zumindest traute ich mich nun nicht mehr, irgendetwas anderes zu machen, als mich ins Bett zu legen. Mit den Worten "Bin in einer halben Stunde wieder da!", verabschiedete Minho sich noch schnell. Dann fiel die Haustür auch schon ins Schloss. Ich wusste zwar, dass Minho nichts davon mitbekommen hätte, traute mich aber wirklich nicht, aufzustehen. Ich ging im Kopf nochmal durch, was da eben alles passiert war. Wir kannten uns ja mittlerweile besser und ich mochte seine Anwesenheit sogar irgendwie. Aber das eben war irgendwie ein anderer Mensch. Ich erinnerte mich an die Lappalie mit dem Teller oder der Miete. Das eben hatte ähnliche Ausmaße. Fest stand für mich, dass ich mich niemals ernsthaft mit ihm anlegen würde. Ich fasste mir an die Stirn, um zu schauen, ob sie noch immer so heiß war - ja, das war sie. Ich hasse es, krank zu sein. Ich verlasse mein Bett zwar so selten wie möglich, aber ich werde immer ziemlich weinerlich, wenn mir etwas weh tut. Ich konnte Schritte im Hausflur hören, die lauter wurden. Als nächstes hörte ich, wie jemand einen Schlüssel ins Schloss der Wohnungstür steckte. Minho war also zurück. Es klopfte an meiner Zimmertür, welche sich direkt im Anschluss langsam öffnete. In seiner Hand hielt er eine kleine Tasche, deren Inhalt er auch direkt anfing auszupacken. Dabei zählte er alles auf: "Also. Ich habe dir Hustensaft mitgebracht, Schmerzmittel, was zum Einreiben der Brust und ein Mittel gegen Fieber. Hast du denn mal Fieber gemessen?", fragte er gleich im Anschluss. Er ging wirklich davon aus, dass ich ein Fieberthermometer besitzen würde, wenn ich hier ohne Bett einziehen wollte? "Ich habe kein Fieberthermometer", nuschelte ich in meine Bettdecke. Ohne ein weiteres Wort verschwand Minho und ich konnte hören, wie er im Badezimmer einen Schrank durchsuchte. Er kam zurück in mein Zimmer und trat nahe an mein Bett heran. "Na, dann wollen wir mal sehen.", sagte er, während er mir das Thermometer hin hielt. Ich nahm es entgegen und steckte es durch den Kragen meines Shirts unter meinen Arm. Während ich auf das Piepsen wartete, herrschte völlige Stille. Dann ertönte das Geräusch und ich zog das Thermometer wieder durch meinen Kragen nach draußen. Der Bildschirm zeigte 38,9° an. "Wie viel?", fragte Minho, der sich mittlerweile mit auf mein Bett gesetzt hatte. Ich antwortete ihm nicht, ich hielt ihm nur den kleinen Bildschirm hin. "Na, das ist ja ziemlich ordentlich.". Er stand auf und ging zu meinem Nachttisch, auf dem er die ganzen Medikamente abgestellt hatte. Er vergewisserte sich, ob in der Wasserflasche neben meinem Bett noch etwas drin war, drückte dann eine Tablette aus dem Blister raus und hielt mir beides hin. Ich setzte mich auf und nahm beides in die Hand. Die Tablette klemmte ich mir zwischen die Zähne, während ich den Deckel der Flasche aufschraubte. Mit mehreren Schlücken Wasser spülte ich die Tablette meinen Hals runter. Ich kniff meine Augen zusammen, als ich merkte, dass das blöde Ding in meinem Hals hängenblieb. Ich kippte einen weiteren Schluck Wasser nach, dann war sie weitergerutscht. Ich drehte den Deckel wieder auf die Flasche und stellte sie auf meinen Nachtschrank, der ziemlich vollgemüllt war. Ich hoffte einfach mal darauf, dass Minho mich nun in Frieden sterben lassen würde, da sagte er auch schon: "Shirt ausziehen.". Ich machte große Augen, bevor ich verwirrt zu ihm rüber sah. Er hatte eine kleine runde Dose in der Hand und ich konnte einen leichten Eukalyptusgeruch wahrnehmen. Das meinte er also. "Minho, hör mal auf, so ein Drama um mich zu machen.", bat ich ihn. Ich sah in seine entgeisterten Augen und war mir sicher, dass er mich eh nicht in Ruhe gelassen hätte, bevor ich tat, was er von mir verlangte. Aber sollte ich mich jetzt wirklich einfach so vor ihm ausziehen? Ich schaute nochmal in sein ernstes Gesicht und mir wurde klar, dass ich eigentlich keine Wahl hatte. Zögernd griff ich den Saum meines Shirts und zog es mir über den Kopf. Ich versuchte unauffällig so viel meines Oberkörpers mit dem Stückchen Stoff zu bedecken, dann nahm ich die Dose und steckte meinen Finger in die kalte Salbe. Der angenehme Geruch stieg in meine Nase und ich trug eine dicke Schicht auf meiner Brust auf. Jetzt musste er doch aber wirklich zufrieden sein und mich endlich in Ruhe lassen. Mit müden Augen schaute ich zu ihm herauf, dann brachte er mich wieder aus dem Konzept: "Umdrehen.". "Wieso?", fragte ich schnell, während mein Kopf hochrot wurde. "Ich reibe dir den Rücken ein. Da kommst du ja wohl schlecht selbst dran.". Erschöpft gab ich einfach ohne weitere Diskussion auf und drehte mich auf meine rechte Seite. Mein Herz schlug schneller und schneller. Ich kniff meine Augen zusammen und wartete nervös auf die Berührung, die gleich folgen würde. Minhos Finger waren angenehm warm auf meiner Haut. In kleinen kreisförmigen Bewegungen und nur mit leichtem Druck fuhr er mit seinen Fingerspitzen immer wieder hin und her. Mit jedem Atemzug spürte ich, wie die Anspannung aus meinem Körper wich. Das letzte mal, dass mich jemand am Rücken berührte, war wirklich lange her, sodass ich schon gar nicht mehr wusste, wie angenehm es doch war. Ich war fast schon etwas traurig, als ich merkte, wie Minhos Finger sich langsam von mir lösten. "Versuch jetzt etwas zu schlafen. Ich koche dir Suppe, die kannst du nachher essen, wenn du wieder wach bist.". Ich merkte, wie er von meinem Bett aufstand, also drehte ich mich zu ihm um. "Musst du nicht arbeiten oder so?", fragte ich ihn. Der Mann hatte eigentlich immer irgendwas zu tun, wie konnte es sein, dass er auf einmal so viel Zeit für mich opferte. "Ich hab' ein paar Tage frei genommen. Wurde eh mal wieder Zeit für etwas Ruhe." Er lächelte mich an und ging. Da lag ich also, oben ohne und noch immer mit knallrotem Gesicht. Es war wirklich lieb von ihm, sich so um mich zu kümmern. Als ich noch bei meinen Eltern wohnte, musste ich immer allein klar kommen. Sie waren ständig aus dem Haus und ab irgendeinem Alter hatte ich einfach keinen Nerv mehr darauf, mich von irgendwem umsorgen zu lassen. Wieso also tat mir das jetzt so gut? Ich schlief einige Stunden, dann weckte mich irgendein lautes Geräusch unsanft. Ich saß kerzengerade in meinem Bett. Die Medikamente schienen gut zu helfen, ich hatte nicht mehr das dringende Bedürfnis, dass mich jemand an Ort und Stelle erschießen würde. Ich setzte mich auf die Bettkante und holte Schwung, um aufzustehen. Ich wanderte leise durch den Flur ins Badezimmer. Nachdem ich die Toilette benutzt und meine Hände ordentlich mit Seife gewaschen hatte, rieb ich auch mein Gesicht mit lauwarmem Wasser ein. Ich hatte im Schlaf anscheinend doll geschwitzt, mein Haaransatz war noch ganz nass. Vielleicht sollte ich nachher ein Bad nehmen. Ich hatte tatsächlich etwas Hunger bekommen, also wollte ich einen Blick auf die versprochene Suppe werfen. Ich watschelte in die Küche und sah einen großen Topf auf dem Herd stehen. Ich hob vorsichtig den Deckel und war erstaunt über den aufsteigenden Duft. Ich hörte, wie eine Tür aufging und dass jemand leise durch den Flur tapste. "Hey, du bist ja wach. Sag nicht, dass ich dich geweckt habe.", sagte Minho beunruhigt. Eigentlich war er der Grund, dass ich aufgewacht bin, aber das musste er ja nicht unbedingt wissen. Also log ich ihn einfach an: "Nein, ich musste so dringend aufs Klo, deswegen bin ich aufgewacht. Alles gut, mir geht's auch gar nicht mehr so schlecht!". Er lächelte mich beruhigt an und zeigte dann auf den großen Topf mit Suppe: "Willst du was? Ich mache dir gern was warm!" Ich nickte hastig und schaltete den Herd an. Dann merkte ich, wie mich wieder zwei kräftige Hände an den Schultern packten und zur Seite schoben. "Ich sagte, dass ICH dir etwas mache.". Ich setzte mich also an den Tisch, das Stehen fiel mir zugegebenermaßen doch noch etwas schwer. Während Minho die Suppe immer mal wieder umrührte, erzählte er mir, dass er insgeheim etwas froh darüber war, dass ich krank war, weil er so nicht ständig in Gedanken auf der Arbeit war. Ich fand das etwas seltsam, wusste aber, wie er es meinte. Nachdem ich mit meiner Suppe fertig war, wurde ich auch direkt wieder in mein Bett geschickt. Es war irgendwie süß, wie Minho mich so umsorgte. Am Abend hatten wir noch eine kurze Diskussion darüber, dass ich entweder ohne Aufsicht oder gar nicht in die Wanne steigen würde. Das war die einzige Diskussion, bei der ich mich nicht auf irgendwas anderes einließ. Minho ließ zum Glück auch relativ schnell locker. Dass er mir den Rücken mit der Eukalyptussalbe einrieb, wurde irgendwann zu einem richtigen Ritual, an das ich mich fast etwas zu sehr hätte gewöhnen können.___________________________________________________________________

"Be a good boy." - Minsung -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt