"Überraschungsbesuch."

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Es war nun echt schon länger her, dass wir das letzte mal mit einander geschlafen hatten. Es hatte mir wirklich genug Zeit gegeben, um für mich alles verarbeiten zu können. Minho war noch liebevoller zu mir, als er es sowieso schon immer war. Er war wirklich besorgt um mich und fragte mich ständig, ob ich irgendetwas brauchen würde. Irgendwann war ich fast schon etwas genervt, aber er war einfach zu süß, als dass ich das wirklich so gemeint hätte. Er war seit ein paar Tagen wieder arbeiten und er fehlte mir. Genauso fehlte mir auch der Sex. Ich hatte mich gerade extra umgezogen, um ihm ein SEHR nettes Foto von mir zu schicken, da zeigte mein Handy an, dass er mir eine Nachricht geschrieben hatte: "Ich brauche heute leider länger, tut mir leid :'(". Klar, das musste ausgerechnet an einem Tag passieren, an dem ich an nichts anderes denken konnte und die Stunden zählte, bis ich ihn verführen würde. Da kam mir eine Idee: Wenn mein heißer Freund nicht zu mir kommen konnte, musste ich eben zu ihm! Minho hatte in einem seiner Kochbücher Geld versteckt, weil er meinte, dass man ja nie wisse, ob ich doch irgendwann mal etwas brauchen würde. Ich musste meinen ganzen Mut aufbringen, um mir ein Taxi zu rufen. Ja, Telefonieren gehörte definitiv zu den Dingen, denen ich geschickt versuchte aus dem Weg zu gehen. Nachdem ich aufgelegt hatte, sammelte ich mich einen kurzen Moment und beruhigte mich erstmal. Gut gemacht, Jisung, so langsam wirst du zu einem halbwegs normalen Menschen! Das Taxi würde in etwa zehn Minuten hier sein, also zog ich mich eilig um und überprüfte ich im Spiegel nochmal, wie ich aussah. Ich hatte mir eine enge schwarze Hose angezogen, einen etwas weiteren schwarz-weiß gestreiften Pullover, dessen Saum ich vorn in den Bund meiner Hose steckte. Dazu zog ich schwarze Boots an. Ich denke, so konnte ich mich sehen lassen. Ich zog mir noch eine leichte Jacke über, da es heute doch ziemlich frisch war. Bevor ich los ging, schnappte ich mir noch schnell meinen Lieblingscheesecake, den wollte ich mir mit Minho im Büro teilen. Ob er sich wohl freuen würde, dass ich ihn auf der Arbeit besuche?


Ich schloss die Tür des Taxis und ging über die Straße auf das große graue Gebäude zu. Es war ein hoher Komplex mit mehreren Etagen, in denen sich verschiedene Unternehmen eingemietet hatten. Minho hatte schon öfter davon gesprochen, dass er gern etwas Eigenes kaufen würde, wo er seine Büroräume hatte. Aus Spaß hatte er in dem Gespräch damals gesagt, dass ich dann auch mein eigenes Büro bekommen würde. Er sagte das zwar scherzhaft, aber irgendwie fand ich die Idee toll. Ich wäre nicht mehr den ganzen Tag allein zuhause, ich könnte mich regelmäßig unter Menschen begeben und hätte gleichzeitig einen sicheren Rückzugsort, falls es mir dann doch zu viel werden würde. Ich würde einfach den ganzen Tag damit verbringen, alle Mitarbeiter mit Kaffee und Cheesecake zu versorgen. Ich wette, sie würden mich dafür lieben! Während ich mir in meinem Kopf schon ausmalte, wie mein Büro aussehen könnte, war ich mit dem Fahrstuhl im richtigen Stockwerk angekommen und lief durch die automatischen Türen, die sich kurze Zeit später wieder schlossen. Nun musste ich nur noch Minho finden. Ein paar seiner Mitarbeiter, die auch auf der Feier gewesen sind, erkannten mich wieder und begrüßten mich freudig. Die vielen Blicke, die auf mir lagen, waren mir sehr unangenehm, deshalb wollte ich so schnell wie möglich an allen vorbeiziehen. Als ich der Glastür zu Minhos Büro näher kam, musste ich schon lächeln. Ich war so gespannt auf seinen Blick und musste mich zurückhalten, nicht loszurennen. Gerade noch rechtzeitig erkannte ich, dass Minho nicht allein in seinem Büro war. Neben seinem Schreibtisch stand eine kleine schlanke Frau. Sie hatte langes schwarzes Haar, trug aber einen Pony, der ihr Gesicht niedlich aussehen lies. Sie trug ein Lolitakleid in schwarz und weiß, auf dem Kopf hatte sie ein paar Katzenohren, von denen schmale Satinbänder herabhingen. Ich glaube, ich hatte noch nie in meinem Leben einen so putzigen Menschen gesehen. Würde ich auf Frauen stehen, hätte ich sie direkt nach ihrer Nummer gefragt. Nein, das hätte ich nicht, aber ich hätte definitiv täglich darüber nachgedacht, dass ich es wollen würde. Ich blieb vor der Glastür stehen und wartete, bis Minho mich entdecken würde. Da die beiden so vertieft in ihr Gespräch waren, stand ich nun Ewigkeiten blöd in der Gegend rum. Eine Mitarbeiterin rief mir irgendwann lachend im Vorbeigehen zu: "Du musst anklopfen, die beiden kriegen nie was mit, wenn sie Pläne schmieden. Das kann noch Stunden dauern!". Kannte ich sie? Ich war mir nicht sicher, ob ich sie auf der Feier gesehen hatte. Aber anscheinend kannte sie mich mindestens von den peinlichen Fotos in Minhos Büro. Bevor ich hier noch weitere drei Stunden unbemerkt warten würde, klopfte ich leise an die Glastür. Minho schaute fragend auf und brauchte ein paar Sekunden, bis er realisierte, dass ich es war, der da stand. Er schaute mich mit riesigen Augen an und winkte mich herein. Ich öffnete langsam die Tür und trat ein. Ich hatte die Tür noch nicht ganz geschlossen, da kam Minho mir entgegen und fragte aufgeregt: "Was ist passiert, Jisung? Geht's dir gut? Brauchst du was?". Ich lachte und beruhigte ihn erstmal: "Alles in Ordnung, ich hatte nur Sehnsucht nach dir." Er atmete erleichtert aus und nahm mich in den Arm. Als er mich los lies, schob er mich behutsam auf seinen Schreibtisch zu und sagte: "Jisung, das ist Ahri, eine der begabtesten Schneiderinnen der Welt!". Wir verbeugten uns kurz voreinander und sie sagte: "Es freut mich, Sie endlich mal persönlich kennenzulernen." und lächelte mich sanft an. Ich ging leise zu Minhos Bürostuhl und setzte mich. Ich wollte die beiden keinesfalls von ihrer Arbeit abhalten. Ich warf einen kurzen Blick auf die Skizze, die die beiden vor sich liegen hatten. Das gemalte Kleid sah schon auf dem Papier atemberaubend aus. Ahri sagte entschlossen: "Es braucht definitiv Tüll. Und davon nicht wenig!". Minho nickte ihr zu und sagte: "Ich verlasse mich wie immer auf dich, du hast mich noch nie enttäuscht.". Er schaute auf die Uhr und kniff die Augenbrauen zusammen. "Ahri, wir haben es mal wieder nicht geschafft, unter einer Stunde zu einer Entscheidung zu kommen.". Sie zuckte nur mit den Schultern und verharmloste alles damit, dass gute Dinge eben ihre Zeit bräuchten. "Also dann. Ich fange gleich an, ein Schnittmuster zu machen und alle Teile zuzuschneiden. Ich denke, du kannst am Freitag mal schauen kommen, da sollte ich alles halbwegs fertig haben.". Sie drehte sich zu mir und verbeugte sich erneut. "Es hat mich sehr gefreut, vielleicht sehe ich Sie ja irgendwann mal wieder!". "Das würde mich freuen, ja!", verabschiedete ich mich von ihr, bevor sie mit der Skizze in den Händen aus dem Büro ging. "Man, die ist ja echt niedlich.", flüsterte ich Minho zu, der sich auf seinen Schreibtisch gesetzt hatte und mich freudig anlächelte. "Sie ist umwerfend. Und sie ist meine allerbeste Mitarbeiterin. Ohne sie wäre ich manches mal echt aufgeschmissen gewesen! Aber viel wichtiger: Was treibt dich her?", fragte Minho mich. "Habe ich doch gesagt, ich hatte Sehnsucht nach dir!", antwortete ich, während ich den Cheesecake aus meiner Tasche kramte. "Willst du ein Stück?", bot ich ihm an, woraufhin er erstaunt sicherstellte: "Du teilst deinen Cheesecake freiwillig mit mir?!". Ich verdrehte gespielt genervt die Augen. Minho holte einen zweiten Stuhl an den Schreibtisch und setzte sich neben mich. In kürzester Zeit hatte wir den gesamten Kuchen aufgegessen. Er erzählte mir nebenbei, dass er sich nächste Woche tatsächlich eine Immobilie ansehen wollte, die für ihn in Frage kommen würde. Er freute sich total, als ich fragte, ob ich dorthin mitkommen dürfte: "Klar, dann kannst du dir gleich dein Büro aussuchen und wir können gemeinsam überlegen, wo ich dich am besten anketten kann!". Herzhaft lachten wir beide darüber, jedoch war ich mir sicher, dass er das in Wahrheit ziemlich ernst meinte.

"Be a good boy." - Minsung -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt