Biancas Sicht:
Ich hatte mich die ganze Woche über auf diesen Tag gefreut. Heute war Dienstag, was hieß, dass wir gemeinsam nach Las Vegas auf Klassenfahrt gehen würden. Vielleicht könnten ja Josh und ich die Klassenfahrt nutzen, um uns wieder näher zu kommen.
Ich hatte mir einige Touristenpunkte herausgesucht, die ich sehr gerne mit ihm besuchen würde. Mein Koffer war voll mit Klamotten, die ich alle anziehen wollte. Während der Fahrt von Kalifornien nach Las Vegas saß ich neben Riley, die es wohl auch kaum abwarten konnte.
Das Einzige, was mich traurig machte war, dass Aubry nicht dabei war. Seit ihrem Umzug hatten wir so gut wie nichts mehr von ihr gehört. Ich hatte sie mal auf Facebook gestalkt, doch schlussendlich nicht getraut, sie anzuschreiben. Sie hatte ein neues Leben in Ohio begonnen und uns wahrscheinlich vergessen.
Noch heute dachte ich an sie. Wir hatten sie durch Riley kennengelernt, da sie miteinander sehr gut befreundet waren. Selina, Ashley, Riley und ich hatten so gut wie alles gemeinsam mit Aubry gemacht.
Ich erinnerte mich an Halloweenfeiern, wo wir alle zusammen Kürbisse angsteinflößende Gesichter verpasst hatten. An Übernachtungen, wo wir uns gegenseitig die Nägel lackiert hatten.
An Nächten, wo Riley, Aubry und ich feiern waren. Oder auch an Nachmittage, die wir an der Promenade verbracht hatten. Seitdem war es nicht mehr das Gleiche. Sie fehlte und wir waren als Deiergespann zurückgeblieben.
Ich beobachtete die Landschaft, während sich der Bus in Bewegung setzte und uns zu unserem Zielort brachte. Währenddessen knabberte Riley an ihren Chips und schien ziemlich aufgeregt zu sein. Man hatte schließlich nicht immer die Möglichkeit, ein paar Tage in Las Vegas zu verbringen.
,,Wie läuft es eigentlich zwischen dir und Josh'', erkundigte sie sich bei mir.
,,Ganz gut. Ich habe einige Dinge für uns in las Vegas geplant'', erzählte ich ihr.
,,Habt ihr schon mal darüber gesprochen, wie es weitergehen soll, wenn er zurück in Birmingham ist?'', fragte sie mich.
Riley hatte wirklich ein Talent dafür, die Fragen zu stellen, die man nicht beantworten wollte. Das musste ich ihr lassen.
,,Nein, und um ehrlich zu sein denke ich da zumindest momentan nicht dran. Wir genießen das Hier und Jetzt und sind einfach nur glücklich miteinander.''
Vielleicht würde er ja eines Tages zu dem Menschen werden, den ich liebte. Ich wünschte es mir sehr und ich würde alles dafür tun, dass es zwischen uns funktionierte.
Auch räumliche Distanz sollte unserer Beziehung kein Ende geben. Ich sollte mich glücklich schätzen, dass jemand wie er mit mir zusammen sein wollte.
Und eventuell würde er die erste Person sein, der ich die wahre Bianca Robbins zeigen konnte. Ich würde diese Klassenfahrt nutzen, um ihn zu deutlich zu machen, was er an mir hatte.
Als wir in Las Vegas ankamen, staunte ich nicht schlecht über das ansehnliche Hotel. Es besaß hübsche Marmorsockeln und wirkte mit seiner goldenen Fassade richtig pompös. Auch die Eingangshalle, die mit Blumensträußen geschmückt worden war, verlieh dem Hotel seinen Charme.
Ashley fragte mich, ob ich mit ihr ein Zimmer teilen würde und ich war sofort damit einverstanden. Wir mussten den Fahrstuhl nehmen, um in unser Zimmer zu gelangen. Ich staunte nicht schlecht, als ich für uns die Tür öffnete und wir uns in unserem Zimmer umsahen. Wir hatten ein großes Fenster mit einem wahnsinnig tollen Blick auf die Stadt. Ich konnte es kaum erwarten, diese zu erkunden.
,,Ziemlich schade, dass Aubry nicht mehr bei uns ist. Mir ihr hätte es sicherlich sehr viel Spaß gemacht, Las Vegas unsicher zu machen'', meinte Ashley bedauernd.
,,Wie kommst du denn jetzt auf Aubry'', fragte ich sie, wobei sich ein kleiner Kloß in meinem Hals bildete.
,,Das hier ist unsere erste Klassenfahrt. Irgendwie musste ich da direkt an sie denken'', erklärte Ashley mir.
Ich ließ mich auf mein gemütliches Bett fallen und schloss für einen kurzen Moment die Augen.
,,Du hast ihr doch besonders nah gestanden. Ihr habt so gut wie jede freie Minute miteinander verbracht. Sie muss dir auch bestimmt sehr fehlen.''
Ich versuchte die Bilder aus dem Kopf zu bekommen, doch es ging nicht. Auf einmal sah ich ein junges Mädchen, das lange Pullis und weite Hosen trug. Sie hatte kastanienbrauenes Haar und ozeanblaue Augen. Auch die kleine Zahnlücke sah ich ziemlich deutlich vor meinem inneren Auge.
Und dann spürte ich, wie mich ein Blitz und Hitze durchzuckte, als ich daran dachte, wie es sich angefühlt hatte, ihre Lippen auf meinen zu spüren. Es hatte sich so falsch angefühlt doch gleichzeitig so gut. Bei dieser Erinnerung kamen mir ganz bestimmte Worte in den Sinn.
Selina hatte mal, als wir am Strand gesessen und über unser Liebesleben gesprochen hatten, gemeint:
,,Wenn du von einer Person geküsst wirst und kein Schwarm an Schmetterlingen oder Hummeln in deinem Bauch zu kribbeln anfangen, dann ist da etwas eindeutig falsch. Denn wenn das richtig wäre, würde ein verdammtes Feuerwerk in deinem Körper stattfinden."
Josh war kein schlechter Küsser, das würde ich niemals behaupten. Ich mochte es, dass er erst meine Lippen mit seinen verschloss, bevor er Anstalten machte, seine Zunge einsetzten zu wollen.
Mir gefiel es, dass er mein Kinn mit seinen Händen anhob, um besser an meine Lippen heranzukommen. Wie er leicht auf meine Unterlippe biss und mich näher zu sich zog.
Doch trotzdem würde ich keinen unserer Küsse als atemberaubend schön beschreiben. Es lag nicht daran, dass er nicht wusste, was er zu tun hatte. Es lag ganz allein an mir und meinen eigenen Gefühlen.
Ich konnte mich bei ihm nicht vollständig fallen lassen und das hier genießen aus dem einzigen Grund, weil es in mir nichts Überwältigendes auslöste, wenn ich ihn küsste. Und ich wusste nicht, ob sich das jemals ändern würde.
Bei Aubry war es anders gewesen. Alles in mir hatte gekribbelt und ich hatte mir innerlich gewünscht, dass dieser Moment niemals enden würde. Tagelang hatte ich an den Abend denken müssen, wo wir Flaschendrehen gespielt hatten.
Noch heute schämte ich mich dafür, dass ich in diesem Augenblick so gefühlt hatte. Mein Herz zog sich zusammen als ich daran dachte, dass Aubry sehr wahrscheinlich nicht das Gleiche gefühlt haben musste wie ich.
Ich war ihr für einige Zeit aus dem Weg gegangen, um mich wieder einigermaßen sammeln zu können. Ich hatte kurz danach ein Verhältnis mit Toby begonnen, um die Außenwelt davon abzulenken, dass ich ganz normal sei.
Er war zwar auch nicht mehr bei uns an unserer Schule, doch vermissen tat ich ihn nicht. Um ehrlich zu sein, war es mir sogar lieber, etwas mit Josh zu haben als mit ihm.
Unsere Trennung war nicht sonderlich schön gewesen. Toby hatte mir vorgeworfen, dass er mir angeblich zu wenig bedeuten würde und er zu gut für mich gewesen sei.
Ich war sehr erleichtert gewesen, als wir miteinander Schluss gemacht hatten. Meine Freunde hatten ihn nicht sonderlich gemocht.
Aus diesem Grund hoffte ich, dass das zwischen mir und Josh nicht genauso enden würde. Denn ansonsten müsste ich mich mit dem Gedanken anfreunden, dass ich für niemanden eine gute Freundin sein konnte.
Ganz egal, wie sehr ich mich auch anstrengen würde. Ich hatte Angst davor, dass ich am Ende allein dastand, weil ich nicht hübsch, intelligent, witzig oder begehrenswert genug war.
Schließlich hatte ich ein ganzes Leben lang beigebracht bekommen, dass ich das schwarze Schaf war. Bei diesem Gedanken kamen mir augenblicklich die Tränen.
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Band 2 der Living Reihe - Living for the lectures you gave me ✔️
ChickLitdas wunderschöne Cover und Banner sind von @EndeLegende ,,Es war für uns beide eine Lektion gewesen. Er hatte gelernt, dass wahre Liebe anders aussah und man nicht vor seinen eigenen Gefühlen davonlaufen konnte. Und ich wusste nun, dass ich keinen F...