Freundschaftsanfragen auf Facebook

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Biancas Sicht:

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Biancas Sicht:

Veränderung begann bei sich selbst.

Deshalb beschloss ich, zwei Tage nach Joshs und meinem klärenden Gespräch, für die Schule die Hose anzuziehen, zu der mein Exfreund Toby gesagt hatte, dass sie meinen Hintern fett aussehen lassen würde.

Einfach um zu beweisen, dass es nicht stimmte und ich das anziehen konnte, was ich wollte. Natürlich hörte ich seine Stimme in meinem Kopf, doch ich versuchte sie so gut wie möglich auszublenden.

Ich verzichtete auf meinem Push-UP, weil dieser am Ende sowieso nicht bequem waren und meine Brüste so wie sie waren ohnehin schon perfekt waren. Sie gehörten einem Körper, der zu mir gehörte und damit in seiner unperfektheit perfekt war.

Ich benutzte kein Make Up, da es in meinem Gesicht nichts gab, was ich verstecken musste. Erst recht nicht die Pickel, die jeder hatte, wenn man sich diese nicht wegschminkte. Ich hatte etwas Frieden in mir selbst gefunden, nach dem ich schon so lange gesucht hatte.

Mir war es egal, dass Leute mich anstarrten, weil ich nicht so selbstbewusst wie sonst durch die Schule lief.

Dieses Mal war es einfach nur die Bianca Robinson, die sich so zeigen wollte, wie sie war und nicht die aufgesetzte total selbstbewusste Version von mir.

Ich musste niemandem etwas beweisen und es war gleich, wie andere nun über mich mit diesem Aussehen dachten.

Der Morgen verlief eigentlich ganz gut. Wir hatten Bio und ich hörte dem Lehrer zu, wie er uns einen Vortrag über Genetik und Vererbung hielt.

Doch ich hätte niemals damit rechnen können, dass ich eine Nachricht erhalten würde, die mein Herz zum Aussetzten bringen würde.

Es war eine einfache Facebookmitteilung, die ich in der Mittagspause sah. Dabei handelte es sich um eine Freundschaftsanfrage von einer Aubry Torris aus Ohio. Das Profilbild erkannte ich sofort, da ich es mir schon so oft angeschaut hatte.

Zuerst dachte ich daran, diese Freundschaftsanfrage einfach zu ignorieren und so zu tun, als würde ich die Person nicht kennen, die sie mir geschickt hatte. Doch dann meldete sich eine zweite, viel lautere Stimme in mir, die mich ermahnte, dass ich kein Feigling sein sollte.

Dass ich endlich dazu stehen sollte, dass ich in meine ehemalige beste Freundin verliebt gewesen war.

Es ging nicht einmal darum, zu wissen, ob sie auch Gefühle für mich gehabt hatte. Viel eher war da der Wunsch, ehrlich zu sein und der Person das zu sagen, was so lange schon in einem geschlummert hatte.

Meine Finger waren schneller als mein Verstand und ich tippte auf ,,Anfrage bestätigen.''

Es war etwas so Simples und doch fühlte ich den großen Stolz dafür, dass ich mich getraut hatte, ganz deutlich in meiner Brust. Und damit nicht genug, scrollte ich weiter zu den Nachrichten und begann zu schreiben.

Hallo Aubry,

Wie schön, dass du mich auf Facebook gefunden hast. Wir haben schon so lange nichts mehr voneinander gehört. Ich hoffe, dass es dir in Ohio gut geht (wahrscheinlich wirst du die kalifornische Sonne nicht allzu sehr vermissen).

Dieses Jahr und in der letzten Zeit ist einiges passiert, was sich leider nicht in einer einzelnen Nachricht zusammenfassen lässt. Lass es mich trotzdem irgendwie versuchen.

Ich bin nicht mehr mit meinem toxischen Freund Toby zusammen und habe begriffen, dass ich mich selbst erst lieben muss, bevor ich überhaupt eine Beziehung mit jemandem führen kann. Und dabei ist einer der wichtigsten Schritte, dir zu schreiben, da es da etwas gibt, das ich dir nicht erzählt habe.

Erinnerst du dich noch an dem Abend, als wir alle Wahrheit oder Pflicht gespielt haben und ich dich geküsst habe?

Für mich war das nicht nur ein Kuss unter Freunden, weil ...

Hier wollte ich abbrechen, doch ich gab mir selbst einen Ruck, weiterzuschreiben. Die Wahrheit musste raus. Aubry musste wissen, dass sie die erste Person war, die ich geküsst und bei der ich etwas empfunden hatte.

Weil ich dich mehr als nur freundschaftlich gemocht habe. Ich kann noch nicht so ganz sagen, ob ich denn lesbisch bin oder etwas anderes, aber ich weiß, dass ich Gefühle für dich hatte, Aubry. Ich wollte mir das für eine lange Zeit nicht eingestehen, doch jetzt habe ich begriffen, dass ich es einfach drauf ankommen lassen und es dir erzählen muss. Damit ich selbst heilen kann und mich nicht mehr für meine Empfindungen schäme. Ich erwarte auch gar nicht, dass du auf meinen Text antworten wirst. Ich mache das hier gerade eher für mich selbst.

Du bist wirklich ein großartiger Mensch und ich finde es so schade, dass du gegangen bist und du viele Augenblicke von unserer Mädchengruppe verpassen wirst. Ashley, Riley, Selina und ich vermissen dich und denken hin und wieder an die schöne Zeit mit dir zurück. Und wer weiß, vielleicht denkst du ja in manchen Momenten auch an uns. Jedenfalls habe ich mich sehr darüber gefreut, dass du mich auf Social Media gefunden hast. Keine Ahnung, ob du mir antworten wirst, obwohl ich gerade mein Herz ausgeschüttet habe.

Ich wünsche dir dennoch alles Gute.

In Liebe

Bianca

Es war wirklich mehr als schwer, auf ,,absenden'' zu drücken. Ich tat es trotzdem und hoffe, dass ich eine Antwort erhalten würde.

***

Als nach einer Woche keine Antwort erhielt, wusste ich, dass keine kommen würde. Damit war das indirekt ein Korb, der mir fast wieder den Boden unter den Füßen weggerissen hätte. Doch er tat es nicht, weil ich stark war und es okay war, dass Aubry sich nicht bei mir gemeldet hatte.

Es war schon viel zu lange her. Ich wusste nichts über ihr neues Leben und es konnte schließlich sein, dass sie bereits in einer glücklichen Beziehung war und aufgrundessen mir bewusst nicht geantwortet hatte.

Oder sie hatte mich einfach niemals auf die gleiche Art gemocht wie ich sie. Sie hatte sich dazu entschieden, nicht zu antworten und das hatte ich zu akzeptieren. Die innere Löwin in mir lobte mich schon dafür, dass ich mich überhaupt getraut hatte, sie anzuschreiben.

Das Schicksal hatte immer einen Plan für einen. In meinem Fall hieß das wohl, dass Aubry und ich uns nie mehr begegnen würden. Vielleicht waren wir ja die zwei Parabeln im Koordinatensystem des Lebens, die sich mal an einem Punkt geschnitten hatten, aber es nie wieder tun würden.

Ich musste diesen Weg erstmal allein gehen in dem Gewissen, dass ich selbst sein konnte und keine Angst davor haben sollte. Und wer weiß, eventuell würde ich ja eines Tages einen Menschen finden, der zu mir passte und mir bewies, dass selbst ein schwarzes Schaf liebenswert war, wenn es zu sich selbst stand. Aber davor gab es noch einiges zu tun.

Und da war ein ganz großer Punkt auf meiner Liste, dass ich mit meiner Familie darüber reden musste, dass sie mir ein so schlechtes Selbstwertgefühl gaben. Das konnte so nicht mehr weitergehen. Es war an der Zeit, dies zu ändern.

Band 2 der Living Reihe - Living for the lectures you gave me ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt