Ich bin für dich da

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Joshs Sicht:

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Joshs Sicht:

,,Josh, ich muss dich kurz sprechen. Es geht um Selina'', wurde ich von ihrer Mutter Eva begrüßt, als ich nach dem Footballtraining bei den Maynards Zuhause ankam. Ich folgte ihr in die Küche und machte mich auf jedes mögliche Szenario gefasst. Hatte sie mitbekommen, dass ich und ihre Tochter uns näherstanden als es in einer Freundschaft üblich war? Wollte sie mich etwa deswegen rausschmeißen? Ich sah es in Evas Augen, dass sie etwas sehr mitzunehmen schien. Sie sahen betrübt aus und auch ihre Mundwinkel waren nach unten gezogen. Man musste kein Genie sein, um zu sehen, dass etwas passiert sein musste und sie das sehr zu bedrücken schien. ,,Sie ... sie hatte vorhin einen Anruf von ihrem Dad.''

Beim Wort ,,Dad'' schrillten sofort alle Alarmglocken bei mir.

Scheiße!

Der Mann, der mir nichts dir nichts ohne einen verständlichen Grund von einem Tag auf den anderen aus ihrem Leben verschwunden war, hatte doch tatsächlich den Mut und Dreistigkeit, seine Tochter anzurufen?!

Bei mir brannten alle Sicherungen durch und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Ich verstand nicht, wie man einem so großartigen Menschen wie sie so etwas antun konnte.

Man sollte keinen Hass auf Personen haben, aber ich war gerade in dieser Sekunde so wütend auf ihn. Wie Selina sich gerade wahrscheinlich fühlen musste, wollte ich mir gar nicht erst vorstellen.

,,Was hat er gewollt?'', fragte ich Eva und ermahnte mich innerlich ruhig zu bleiben.

,,Ihm geht es leider gesundheitlich nicht so gut. Er ... er hat Krebs und nicht mehr lange zu leben. Da hat er seine Tochter angerufen, um sie zu fragen, ob sie ihn ein letztes Mal sehen möchte.'' Er hat Krebs und nicht mehr lange zu leben. Ich war absolut sprachlos und wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Ich nahm nur wahr, dass Eva In Tränen ausbrach und ich sie in den Arm nahm, weil mir eine innere Intuition sagte, dass sie das gerade mehr als dringend brauchte. ,,Sie weiß nun verständlicherweise nicht, was sie machen soll und ich kann es ihr auch nicht so wirklich sagen. Ich habe nur gemeint, dass mein Fehler verzeihen kann und sie, wenn sie die nötige Kraft hat, ihn besuchen sollte.''

,,Ich werde mit ihr reden'', versprach ich Eva und war dabei mindestens genauso überfordert wie sie.

,,Tut mir leid, dass du da irgendwie mit reingezogen wirst. Ich könnte es mehr als verstehen, wenn du unter diesen Umständen sie Gastfamilie wechseln möchtest.''

,,Quatsch, ich bleibe natürlich bei euch'', unterbrach ich Eva.

Ich konnte es selbst nicht glauben, dass ich das sagte. Vor ein paar Monaten hätte ich nicht so gedacht, aber mein jetziges-Ich konnte sich unter keinen Umständen vorstellen, die Maynards in so einer schwierigen Situation allein zu lassen.

,,Er wohnt nun in Chicago. Falls Selina ihn besuchen wollen sollte, müsste sie mit dem Flugzeug fliegen und davor habe ich irgendwie Angst, weil meine Kleine noch nie ...''

,,Hey, das ist doch gar kein Problem. Ich könnte ja mit ihr fliegen und ihr beistehen. Es würde ihr bestimmt guttun, zu wissen, dass sie jemanden an ihrer Seite hat, wenn sie wirklich ihren Vater besuchen möchte.'', bot ich an.

,,Das ist unglaublich toll von dir, dass du das anbietest. Ich kann dir dafür nur vom ganzen Herzen danken. Wir können ja darüber beim Abendessen sprechen. Geh jetzt erst einmal hoch und schau, wie es Selina geht.''

***

,,Hey'', machte ich mich bemerkbar, als ich Selinas Zimmer betrat. Sie wendete den Blick vom Schreibtisch ab und drehte sich zu mir um. Ich setzte mich zu ihr und wusste dabei gar nicht so genau, wie ich dieses Gespräch beginnen sollte. Irgendwie schien kein einziges Wort passend, um diese Situation angemessen zu beschreiben. Für sie musste gerade die Welt zusammengebrochen sein und ich wusste absolut nicht, was ich dagegen tun konnte. Ich fühlte mich hilflos, weil ich ihr helfen wollte, aber nicht den blassesten Schimmer hatte wie. ,,Ich hab vorhin mit deiner Mutter gesprochen. Das mit deinem Vater tut mir echt leid'', meinte ich vorsichtig, während ich nervös am Ärmel meines Pullovers herumfummelte. Ich legte meine Hand auf ihre Schulter und streichelte sie leicht. ,,Ich bin echt nicht gut in diesen Dingen, weißt du. Aber wenn du jemanden zum Reden brauchst ...''

Sie sollte wissen, dass ich stets ein offenes Ohr für sie hatte. Das sie das auf keinen Fall allein überstehen musste. Deswegen reichte ich ihr fürsorglich ein Taschentuch, weil ihr schönes Gesicht total verheult aussah.

,,Danke das ist nett.'' Selina wischte sich mit dem Taschentuch die Tränen weg und ich wünschte mir in dieser Sekunde so sehr, dass ich sagen könnte, dass das alles nur ein ganz schlimmer Albtraum war. Doch das war es nicht. Es war bittere Realität, gegen die man leider völlig machtlos war. ,,Ich weiß nicht was ich denken soll, geschweigenden handeln. Bis jetzt bin ich davon ausgegangen, dass ich ihn hasse, doch nach dem Telefonat weiß ich nicht Recht, ob das noch so ganz stimmt. Er hat sich am Telefon so fertig angehört, dass es mir fast das Herz gebrochen hat. Er bleibt mein Vater egal was er mir angetan hat. Es hat immer einen Teil in mir gegeben, der nicht aufgehört hat ihn zu lieben, selbst nach allen diesen Jahren. So zu tun, als würde er nicht mehr für mich existieren war so viel einfacher zu ertragen. Und nun kommt er wieder daher und meint er könnte meine Welt wieder einmal auf den Kopf stellen und ich würde nicht lieber tun, als ihn dafür zu hassen, aber ich kann nicht.''

Ich war ihr dankbar, dass sie es mir erzählte, obwohl sie erneut in Tränen ausbrach. Ich konnte mir nichts schlimmeres vorstellen, als wenn sie mit all diesen Gefühlen allein war.

Es tat mir unheimlich gut, zu wissen, dass sie mir so sehr zu vertrauen schien, dass sie keine Angst davor hatte, mit mir darüber zu sprechen. Ich hob ihr Gesicht an, weil ich wollte, dass sie mich richtig ansah.

,,Als ich durch Zufall an Thanksgiving herausgefunden habe, nachdem meine Mom nicht wie versprochen um 10 Uhr nach Hause gekommen ist, um mich mit Ellie ablösen, dass sie ein Verhältnis mit einem Kollegen von ihr hat, habe ich sie dafür mehr als gehasst. In meinem Kopf wollte einfach nicht in den Sinn kommen, wie sie jemanden ihrer Familie vorziehen konnte. Aber soll ich dir sagen, was ich daraus gelernt habe? Menschen treffen naive dumme Entscheidungen, ohne sich darüber Gedanken zu machen, was diese für Konsequenzen mit sich bringen könnten.''

Bis jetzt hatte ich niemandem davon erzählt. Bei Selina wollte ich jedoch eine Ausnahme machen. Ich wollte ihr davon erzählen, damit ihr klar wurde, dass Menschen manchmal dumme Entscheidungen trafen, ohne sich der Konsequenzen wirklich bewusst zu sein.

Und auch wenn ich ihren Vater dafür nicht mochte, was er ihr angetan hatte, hieß das nicht, dass er ein vollkommen schlechter Mensch war.

,,Wenn ich nach Chicago fliegen würde, würdest du mitkommen?'', wollte sie von mir wissen und ich nickte sofort.

Wir gingen gemeinsam die Liste durch, was dafür und dagegen sprach und kamen zu dem Entschluss, dass sie ihn besuchen sollte, bevor es zu spät war.

Und wenn das Treffen zwischen ihnen sowas von nicht gut verlaufen würde, dann würde ich dafür sorgen, dass wir trotzdem eine schöne Zeit in Chicago haben würden. Ich würde ihr nicht von der Seite weichen und wir würden genau das tun, was sie für richtig hielt.

Band 2 der Living Reihe - Living for the lectures you gave me ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt