Wenn deine Gedanken ganz woanders sind...

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Vier Monate zuvor - Joshs Sicht :

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Vier Monate zuvor - Joshs Sicht :

Es wäre auf vollster Linie gelogen, wenn ich behaupten würde, dass mich das völlig kalt gelassen hatte, was da zwischen mir und Selina abgelaufen war.

Selbst als ich ein paar Minuten später immer noch vor Biancas Zimmer stand, kreisten all meine Gedanken immer noch voll und ganz um sie.

Ich konnte nicht vergessen, was sie zu mir gesagt hatte. Wenn ich die Augen schloss, dann waren da ihre Hände und ihre Lippen, die ich auf meiner bloßen Haut fühlen konnte.

Es war verdammt gefährlich gewesen. Ich konnte wirklich froh sein, dass ich sie dazu gedrängt hatte, aufzuhören. Ansonsten wäre etwas passiert, was ich hinterher wahrscheinlich unglaublich bereut hätte.

,,Hey'', begrüßte mich meine Freundin, die auf einmal vor mir stand und mich in eine Umarmung zog. Wenn man schlechtes Gewissen von der Nasenspitze ablesen konnte, dann musste meine mich in dieser Sekunde verraten. ,,Ich hab dich bis jetzt kaum zu Gesicht bekommen. Wo warst du die ganze Zeit über?'', fragte sie mich.

,,Ich war vorhin mit Luke draußen bei der Bar. Dann bin ich zurück ins Haus gegangen und habe eine betrunkene Selina in dein Zimmer gebracht. Ich hoffe, dass das okay ist.''

Das war wenigstens nicht mal gelogen ...

,,Natürlich geht das in Ordnung. Hoffen wir mal, dass der Kater, mit dem sie morgen aufwachen wird, nicht allzu groß sein wird'', meinte Bianca lachend. ,,Es ist schon fünf Uhr. Möchtest du zusammen mit mir im Gästezimmer schlafen?''

,,Warum nicht.''

Eine andere Wahl hatte ich wohl nicht. Ich folgte Bianca in das besagte Zimmer und mir war sofort klar, was sie wollte, als sie mich leicht gegen die Wand drückte, nachdem sie die Tür geschlossen hatte.

,,Ich habe dich heute Abend sehr vermisst.''

Jede ihrer Berührungen fühlte sich bei Weiten nicht so intensiv an als die von Selina. Ich hatte dennoch keine Ahnung, wie ich ihr verklickern konnte, dass ich gerade keine Lust darauf hatte, mit ihr zu schlafen.

,,Babe, ich bin nicht wirklich in Stimmung'', probierte ich es auf die nette Tour, doch Bianca schien das sehr wenig zu interessieren.

Sie küsste mich am Hals und ihre Hände wanderten zu meinem Rücken.

,,Komm schon. Mach ein Geburtstagskind glücklich'', bettelte sie mich an und machte Anstalten, mir mein Hemd auszuziehen.

Ich half ihr wiederwillig dabei, sich aus ihrem Kleid zu befreien und dann widmete sie sich meiner Hose.

Und natürlich machte mein Körper nicht mit, als ich meine Boxershorts loswurde und Bianca nackt gegenüberstand, weil sie nicht das Mädchen war, das ich eigentlich wollte.

,,Das muss am Alkohol liegen, den ich vorhin getrunken habe'', entschuldigte ich mich bei ihr, weil es mehr als offensichtlich war, dass ich etwas neben der Spur und nicht erregt war.

,,Alles gut'', versicherte sie mir und band sich die Haare zusammen.

Es bewirkte zwar etwas, als sie ihren Mund um mich schloss, doch es fühlte sich dennoch unglaublich falsch an. Auch mit Bianca schien irgendetwas los zu sein.

Sie sagte es mir zwar nicht ins Gesicht, doch ich merkte natürlich, dass etwas nicht stimmte und sie ebenso wenig wie ich in diesem Moment wirklich präsent war.

Es war, als würde sie das hier nur machen, weil man das nun mal tat, wenn man in einer Beziehung war. Ich wusste gar nicht mehr, wann wir überhaupt das letzte Mal miteinander geschlafen hatten.

Seitdem ich Selina geküsst hatte, war das stets etwas gewesen, was ich so gut es ging gemieden hatte.

Davor hatte es eigentlich zwischen uns immer ganz gut geklappt. Es war zwar nie der beste Sex meines Lebens gewesen, doch das hatte mir bis jetzt nie etwas ausgemacht. Um ehrlich zu sein, hatte ich diesen noch nie gehabt. Luke meinte immer, dass es ganz viel ausmachte, mit wem du schliefst. Es sei angeblich ganz entscheidend, weil sich dann diese körperliche Nähe zueinander erst richtig gut anfühlen würde.

Eine tiefe Bindung konnte man jedoch mit Personen, mit denen man nur eine einzige Nacht verbrachte, wohl kaum haben. Dessen war ich mir bewusst. Aber selbst mit Bianca fehlte da irgendwie etwas ganz bestimmtes.

Ich konnte zwar nicht genau sagen, was es war, doch wenn es um Selina und mich ging, schien genau dieses Gefühl da zu sein, von dem Luke gesprochen hatte. Und ich hatte noch nicht einmal mit ihr geschlafen ...

Weil wir schnell merkten, dass es heute Abend nicht zu funktionieren schien, kam Bianca auf die Idee, dass wir die Augen schließen sollten. Und mein Gehirn machte das, was es nicht hätte tun sollen.

Es dachte an all die Empfindungen, die mich überkommen waren, als Selina versucht hatte, mich dazu zu bringen, sie zu vögeln. In meinen inneren Augen sah ich noch, wie sie nur in Unterwäsche bekleidet vor mir gestanden und mich aufs Bett gedrückt hatte. Ich konnte noch hören, was sie zu mir gesagt hatte und ihren Atem spüren.

Ich wusste, dass es verdammt kacke und Bianca gegenüber alles andere als fair war, in so einer Situation an sie denken zu müssen. Doch gegen meine eigenen Gedanken war ich leider gerade völlig machtlos.

,,Josh, ich kann bald nicht mehr ... oh Gott, ich komme'', hörte ich Bianca unter mir stöhnen und das hätte mir schmeicheln sollen.

Wir hatten ja schon ein paar Mal miteinander geschlafen und daher hätte es mich nicht wundern sollen, dass ich scheinbar intuitiv das machte, was sich gut für sie anfühlte.

Es gab nur ein sehr großes Problem, für das ich selbst verantwortlich war. Selina war nicht aus meinem Kopf verschwunden und nach wie vor mehr als präsent.

,,Ich bin auch fast soweit, Selina ... ähm Baby'', rutschte es aus mir heraus und ich hätte mir im nächsten Augenblick dafür eine scheuern können. Scheiße, du hast sie gerade eben Selina genannt, weil du es einfach nicht lassen kannst, an sie zu denken. Verdammt, wenn Bianca das gehört hat, dann ... Mir blieb keine andere Möglichkeit, als so zu tun, als wäre das nicht passiert. Ich machte weiter bis, mich die Erlösung überkam und ich zog mich dann aus ihr zurück. Wenn sie es gehört hatte, dann kommentierte sie es zum Glück nicht. ,,Ist alles okay? War ich zu grob?'', erkundigte ich mich bei ihr, als ich das Kondom entfernte.

Hoffentlich sieht sie mir nicht an, wie angespannt ich gerade bin.

,,Nein, alles gut. Ich bin nur etwas müde. Lass uns etwas schlafen'', erwiderte Bianca und ich zog mir meine Boxershorts und mein T-Shirt über.

Es war einer der Momente, in denen man begriff, dass etwas eindeutig nicht in Ordnung war. Doch keiner von uns hatte den Mut, es anzusprechen.

Wir lagen nebeneinander und ich spürte dennoch den riesigen Abstand, der unsichtbar zwischen uns lag. Die Stille, die danach folgte, war umso schlimmer und unerträglich.

Während Bianca zu schlafen schien, lag ich mit offenen Augen da und fühlte mich unheimlich schlecht. Ich hatte wirklich gehofft, dass es funktionieren konnte.

Dass wir gemeinsam glücklich sein konnten. Dass ich Selina vergessen konnte, in dem Gewissen, dass es ein sie und ich niemals geben würde. Doch es klappte nicht.

Der heutige Abend hatte mir gezeigt, dass es nicht funktionierte und Bianca und ich eine Beziehung führten, in der wir uns die Lüge einredeten, dass wir diejenigen seien, die wir ineinander suchen würden.

Band 2 der Living Reihe - Living for the lectures you gave me ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt