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Ein fahler Strahl von goldenem Sonnenlicht fiel durch das verdreckte Fenster und ließ die Staubkörnchen in der Luft schweben. Müde blinzelte Albus. Wo war er? Was war passiert? Wie spät war es?

Als er die hochgewachsene Gestalt sah, die vor ihm saß und etwas in ihrer Hand betrachtete, fiel Albus alles wieder ein.

Er würde eine Weltrevolution starten - und hatte schwarze Magie praktiziert.

Für einige Sekunden begann sein Herz wie wild zu rasen und er hätte sich ohrfeigen können, dann beruhigte der junge Zauberer sich abrupt wieder. Es war das richtige. Das größere Wohl für alle.

„Du bist endlich wach", sagte Gellert mit einem belustigten Unterton, ohne sich umzudrehen.

Albus murmelte irgendetwas und schnippste die Strohhalme von seinem Hemd und seiner Hose; er hatte die Nacht im Heuhaufen verbracht. Trotzdem fühlte er sich ausgeschlafen und bärenhungrig. Gedankenverloren wühlte er in seiner Tasche nach den letzten Bonbons. „Was hast du da in der Hand?"

Gellert beugte sich zu ihm herüber und hielt ihm eine dunkelgraue Kette entgegen, um welche ein kleiner, parallelogrammförmiger Anhänger baumelte. In seiner Mitte befand sich etwas, was auf den ersten Blick wie ein kreisrunder Rubin wirkte, sich bei näherem Betrachten aber als ein winziger Behälter für eine rote Flüssigkeit herausstellte - Blut.

Albus' und Gellerts Blut.

„Willst du ihn heute tragen?"

Fast schon begehrend nahm Albus die Kette an. In seiner Hand fühlte sie sich viel schwerer an, als sie aussah. Behutsam legte er sie sich um und spürte das kalte Metall auf seiner Haut. „Morgen gebe ich es dir."

„Gerne."

Dann erschrak Albus plötzlich. „Wie spät ist es?!"

„Ich weiß es nicht, aber ich fühle mich, als hätte ich sehr lang geschlafen."

„Verdammt!" In Windeseile packte Albus all seine Sachen zusammen, schnappte sich Gellerts Arm und apparierte direkt vor die Haustür der Dumbledores. Er hatte Aberforth und Ariana vergessen und kein Essen gemacht!

„W-was?", stammelte Gellert nur leicht verwirrt, welcher den Ortswechsel wahrscheinlich noch nicht realisiert hatte.

„Ich muss nachhause - du verstehst!" Einer Entschuldigung gleichend küsste Albus ihn auf die Wange, bevor er die Haustür öffnete (er hatte gestern Nacht doch tatsächlich vergessen, sie zu verschließen) und verschwand drinnen.

Im Hausflur begrüßte ihn als erstes die große Wanduhr. Sie zeigte ihm an, dass es beinahe nachmittags war. Wie lange war er gestern wach gewesen?
Albus bemerkte erst, dass aus der Küchentür jemand getreten war, als diese ins Schloss fiel. Abrupt wandte er sich um und starrte in das wutentbrannte Gesicht seines Bruder. „Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore. Wo hast du gesteckt, zum Teufel nochmal?!"

Albus erschrak über Aberforths harschen Ton und wich etwas zurück, als er sah, wie er seine Hände zu Fäusten geballt hatte. Wie konnte er die ganze Situation erklären, ohne ihm etwas von den Revolutionsplänen und den Heiligtümern des Todes erzählen?

„Bei Gellert", sagte er stattdessen verlegen. Es war töricht gewesen; er hätte bei seinen Geschwistern bleiben sollen.

„Bei Gellert, bei Gellert, alles was ich von dir höre, hat mit diesem beschissenen Österreicher zutun! Was ist mit mir und Ariana?!", donnerte Aberforth und ließ Albus keine Zeit, um sich zu rechtfertigen. „Er ist der Mittelpunkt von deinem Leben! Jeden gottverdammten Tag triffst du dich mit ihm und machst Gott weiß was! Was geht bei euch vor sich?"

„Ich liebe ihn, Aberforth", sprach Albus die Worte endlich aus, die er so lange hatte sagen wollen.

„Ich weiß." Er sprach, als würde er Gift ausspucken. „Aber das ist nicht alles. Du kannst mich nicht für dumm verkaufen, du magst zwar schlauer und begabter und besser und toller und brillanter sein als ich, aber ich bin immer noch dein Bruder. Und außerdem-"

„Wie geht es Ariana?", unterbrach Albus ihn, welcher sich am liebsten irgendwie aus der Situation retten wollte.

„Ihr geht es gut, ich habe Mittag gemacht - und jetzt lass mich ausreden!" Wütend schlug Aberforth mit der Faust auf die Kommode, sodass das kleine eingerahmte Schwarzweißfoto von der Familie (das sich durch Magie bewegte) wackelte.

„Sprich", murmelte Albus leise, nicht sicher, ob Aberforth es gehört hatte.

„Ich habe die Anzeige im Tagespropheten von dir und diesen Grindelwald von vor ein paar Wochen gelesen. Was zur Hölle habt ihr vor? Zauberstäbe? Seit wann interessierst du dich für Zauberstäbe; sei ehrlich? Und die Märchen von Beedle dem Barden? Habt ihr zu viel Butterbier getrunken, oder was?"

„Das geht dich nichts an. Das ist unsere Sache."

„Ich habe ein Recht darauf, es zu erfahren."

„Das geht dich nichts an!"

„Albus, ich bin dein gottverdammter Bruder!", brüllte Aberforth. Albus war sich sicher, dass er auf ihn losgegangen wäre, wenn aus der Küche in diesem Moment nicht ein kurzer, aber schriller Schrei ertönt wäre.

Ariana.

Das Mädchen hatte sich unter dem Tisch zusammengekauert und den Kopf zwischen die Knie gelegt. Ihr sprödes, blondes langes Haar versperrte ihr fast jegliche Sicht. Sie wimmerte und ihre Fingernägel krallten sich in den Holzboden.

„Alles gut, Ariana, alles gut", redete Aberforth beruhigend auf sie ein. Währenddessen hob Albus die Hände, um ein paar Schutzzauber über sie zu legen, falls etwas Ernsthaftes passieren sollte. Er, Albus Dumbledore, verspürte Angst.

„Was ist los?", fragte er seine Schwester, die jedoch nicht antwortete.

„Mach was, Albus, los!" Aberforth wirkte gehetzt.

Kaltes Wasser, Zucker, Emma. An mehr konnte er nun nicht denken. „Hol die Ziege, Aberforth, schnell!" Er sprang auf und verließ die Küche.

Accio Zitronenbonbons", war das einzige, was Albus nun einfiel. Er konnte Ariana keinen puren Zucker geben, den würde sie nicht essen. „Aguamenti." Ein immer größer werdender Wasserstrahl ergoss sich von Albus' Zauberstabspitze aus direkt über Arianas Kopf.

Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, hörte sie auf zu zittern und hustete. Sie brach augenblicklich auf dem Küchenboden zusammen, war jedoch nicht bewusstlos. Sie weinte nur.

„Hier, iss das." Albus drückte ihr ein Zitronenbonbon in den Mund und war erleichtert, als sie langsam zu kauen begann.

In diesem glücklichen Moment kehrte Aberforth mit Emma zurück. Schnell ließ er sie von seinen Armen nach unten, wo sie zielgerade auf Ariana zulief und sie anstupste. Zuerst war sie davon unbeirrt, dann begann sie, Emma ganz langsam durchs Fell zu streicheln.

„Es muss unsere Schuld gewesen sein", murmelte Albus nach einer Weile, in welcher Ariana sich wieder beruhigt hatte, vorsichtig mit der Ziege kuschelte und Zitronenbonbons lutschte.

„Wir waren zu laut", stimmte Aberforth zu.

„Beinahe hätte sie wieder einen Anfall gehabt." Er betrachtete seine kleine Schwester nachdenklich. „Es tut mir leid." Es war an sie gerichtet und nicht an Aberforth.

„Sie hatte keinen mehr, seitdem Mutter verstorben ist. Wenn du mir erzählt hättest, was du mit Gellert treibst, wäre das jetzt nicht passiert."

„Aberforth, ich kann es dir nicht sagen. Noch nicht."

„Und wann wirst du es mir sagen?"

Dunkelste Kunst (Albus Dumbledore und Gellert Grindelwald)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt