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Wenn Miss Bagshot ihnen keine Eule geschickt und gefragt hätte, wann ihr Großneffe nachhause kommen würde, hätten Albus und Gellert wahrscheinlich noch viele Stunden in seinem Zimmer verbracht und über die verschiedensten Dinge philosophiert. Albus hatte noch nie jemanden wie ihn kennengelernt; es kam ihm beinahe so vor, als ob sie nie Fremde gewesen wären. In einem Brief, den er Elphias schrieb, schwärmte er in den höchsten Tönen von seinem neuen Freund.

Lieber Elphias,

Alle Langeweile, die mich die letzten Wochen hier geplagt hat, ist vergessen. Gestern lernte ich den Großneffen meiner Nachbarin Bathilda Bagshot kennen. Sein Name ist Gellert J. Grindewald, er kommt aus Österreich-Ungarn und ging auf Durmstrang. Er ist nur ein Jahr jünger als ich und wirkt doch so viel reifer als Aberforth. Jemanden wie ihm bin ich noch nie begegnet, er fasziniert mich in allem was er sagt und tut. Ich denke, dass ich endlich jemanden gefunden habe, der ähnlich talentiert ist, wie ich - nimm es bitte nicht persönlich, Elphias! Wir haben dieselben Interessen und verstehen uns blendend. Er bleibt über den Sommer und reist dann ab, wenn Aberforths Ferien vorbei sind. Sein Englisch ist fast perfekt; man hört nur einen kleinen Akzent. Oh, und er hat Heterochromie. Obwohl manche Menschen es als abartig abtun, finde ich doch, dass es sehr schön ist (er ist generell schön, wenn man denn Schönheit als etwas anderes als ein soziales Konstrukt betrachtet).

Nun habe ich aber genug über Gellert geschrieben. Wie geht es dir? Wie ist der Aufenthalt in Connecticut? Jeder deiner Briefe ist ein kleiner Lichtblick. Meinen Geschwistern geht es gut, Ariana isst wieder mehr und Aberforth holt immer noch Aufgaben nach. Ich denke, dass sich momentan wieder alles zum Besseren wendet.

Beste Grüße,

Albus D.

Er rollte das Pergament zusammen und band es an Dottys Bein fest, bevor er das Fenster öffnete und sie hinaus in die Nacht schickte. Es war vermutlich besser, Elphias vorerst nichts von Gellerts und seinem Vorhaben zu erzählen - vielleicht fing jemand Dotty ab und gelangte an Informationen, die nicht für diese Person bestimmt waren, oder Elphias, ein großer Liebhaber von Butterbier und Wodka, plauderte es aus, während er betrunken war. 

In den nächsten Wochen traf er sich jeden Tag mit Gellert, zum Leiden seiner Geschwister. Sie konnten sein Geschwärme beim Abendessen langsam nicht mehr hören.

„Der Typ ist ja mittlerweile der Mittelpunkt von deinem Leben", meinte Aberforth leicht genervt, während sie eines Abends Albus' Kürbispasteten aßen.

Ariana ließ die Füße baumeln und starrte durch die Luft. „Wenn er Albus glücklich macht, ist das doch schön."

Albus merkte, wie er leicht errötete. Er genoss Gellerts Gesellschaft sehr und vermisste ihn sogar etwas, wenn er abends wieder ging. In seinem Zimmer hatten sie inzwischen eine riesige Stoffsammlung zu den Heiligtümern des Todes erstellt. Sie waren fest entschlossen, sie zu finden. Dafür hatten die Jungen sich dazu entschieden, Anzeigen im Tagespropheten aufzugeben: Gesucht: Hexen und Zauberer, die sich mit dem Märchen der drei Brüder auskennen. Gezeichnet: Gellert J. Grindelwald und Gesucht: Hexen und Zauberer, die sich mit Zauberstäben auskennen. Gezeichnet: Albus P. W. B. Dumbledore. Niemand, abgesehen von Miss Bagshot, Aberforth, Ariana und Elphias würde den Zusammenhang der beiden Anzeigen sehen, und die interessierte es wahrscheinlich herzlich wenig. Auf Gellerts Vorschlag hin hatten sie sich entschieden, zuerst das erste Heiligtum zu suchen, den Elderstab.

„Wenn wir erst einmal diesen Zauberstab haben", hatte Gellert gesagt, „dann steht uns nichts mehr bei der Suche des Steins und des Umhangs im Weg."

Vielleicht hatte Albus damals gewusst, was Gellert vorhatte und was seine Worte bedeuteten. Vielleicht auch nicht. Vielleicht hatte er auch einfach seine Augen vor der Wahrheit verschlossen.

„Du solltest auch wieder etwas mehr unter Leute gehen, Aberforth", wies er seinen Bruder an. Albus erhob sich, als seine Geschwister aufgegessen hatten und räumte mithilfe zauberstabloser Magie ab.

„Das würde ich auch gerne können", flüsterte Ariana hauchdünn zu Albus, während sie ihrem Bruder voller Begeisterung zuschaute.

Aberforth zuckte mit den Schultern. „Hm. Vielleicht. Ich könnte meinen Schulfreunden einen Brief schreiben, wenn Dotty nicht ständig unterwegs wäre." Ein säuerlicher Unterton schwang in seiner Stimme mit.

„Abgemacht. Wenn Dotty wieder da ist, schicken wir sie zu deinen Freunden", schlug Albus vor. „Oh, oder du besuchst sie. Du könntest Flohpulver nehmen, oder wir apparieren-"

„Nein, nein", wandte Aberforth ein. „Ist schon in Ordnung. Wer passt dann tagsüber auf Ariana auf, wenn du dich mit Gellert triffst und ich aus dem Dorf bin?"

Albus wusste, dass Aberforth damit subtile Kritik an seinen vielen Treffen mit Gellert ausüben wollte. Er hatte ja recht. Seine Rolle als Oberhaupt der Familie vernachlässigte er in letzter Zeit etwas. „Hör zu. Morgen triffst du dich mit wem und ich bleibe den ganzen Tag zuhause, was sagst du?"

Zuerst zögerte Aberforth, aber dann stimmte er zu. „Du hast recht. Ich muss mal wieder rausgehen."

Albus war erleichtert und auch Aberforth lächelte. Er schob sich selbst wieder in den Vordergrund.

Auch Ariana war begeistert. „Du kannst mir was vorlesen, Albus. Oder wir backen zusammen oder malen oder du zauberst mir etwas vor." Für ihre fast vierzehn Jahre verhielt sie sich immer noch wie ein kleines Kind. Es hing wahrscheinlich mit ihrer Krankheit zusammen.

„Gerne", antwortete Albus nur. 

Dunkelste Kunst (Albus Dumbledore und Gellert Grindelwald)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt