KW 6 - Die Bar an der Ecke

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Die liebe floraelizaschwartz liebt lange Sätze (gerne bis zu 60 Wörter in einem Satz über ein einfaches Lächeln 😉) und ich liebe ihre Sprache.

Diese Geschichte fließt dahin wie ein fruchtig herber Sommerwein; leicht, schwungvoll und voller Geschmack. Man will sie noch einmal lesen, die Worte über die Lippen schieben, ihre Bedeutung auf der Zunge spüren, sich von den Beschreibungen benebeln lassen und ein bisschen selbst in Erinnerungen schwelgen, an einen heißen Sommer und seine langen Nächte mit sinnlosen Gesprächen, die einem die Welt bedeuteten, weil man glaubte, man habe die Weisheit mit Löffeln gefressen, weil man voller Stolz ein ganzes Buch mit seidendünnen Seiten bis zum Ende gelesen hat.

Aber urteilt selbst:

Es war in der Zeit, als ich eben dabei war mein Studium in Anglistik zu beenden, dass wir begannen, immer in diese eine Bar an der Ecke zu gehen, wo sich die Emil-Riedel-Straße und die Winckelstraße trafen

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Es war in der Zeit, als ich eben dabei war mein Studium in Anglistik zu beenden, dass wir begannen, immer in diese eine Bar an der Ecke zu gehen, wo sich die Emil-Riedel-Straße und die Winckelstraße trafen. Ich weiß nicht mehr so recht, wer sie von uns entdeckt hatte; ich glaube nicht, dass ich es gewesen war. Vielleicht war es Clemens gewesen. Clemens neigte bisweilen dazu in abgetragene Vintagemäntel gekleidet durch die beleuchteten Straßen unserer Stadt zu flanieren und nach beinahe edlen Lokalitäten mit überteuerten Alkoholika Ausschau zu halten, die sich eben noch im Rahmen eines gut gesponserten Studentenbudgets befanden.

Jedenfalls muss es Frühling gewesen sein, als wir vier alle zum ersten Mal Bier und Weißwein trinkend unter den frisch grünen Zweigen der Robinien saßen und leicht angetrunken über das Leben philosophierten. Besonders mein Bruder Alexander neigte alkoholisiert zu den ausführlichsten Rezitationen seiner letzten Soziologievorlesungen, die Lee-Ann hin und wieder durch Nietsche oder wahlweise auch Jean-Paul Sartre zu unterlegen pflegte, während Clemens Getränke und immer mehr Getränke bestellte und zahlte.

Wenn ich an unsere Abende in dieser Bar denke, sehe ich noch immer das orangerote Flackern der Teelichter vor meinen Augen, dass Mücken und Eintagsfliegen anlockte und ihnen die zarten Flügel verbrannte. Die liebevoll verschränkten Hände meines Bruders und Lee-Anns. Sein Haar dunkel und lockig, ihres noch dunkler und lang und voll. Clemens stilvoll ausgetretene Sneaker und meine, die sich unter dem winzigen wackligen Tisch kreuzten. Das Glitzern der Gin- und Rumflaschen im Schein der Lichterketten über der Theke, die ebenholzschwarz und blank poliert war. Das vegane Leder teurer Jacken und Schuhe, die sich durch die Bar bewegten. Ich höre das Klirren von Gläsern und das helle Lachen der Frauen mit ihrem intensiven Parfum und Zigaretten zwischen den nikotingelben mit Ringen geschmückten Fingern. Ich sehe die hübschen mit Ringen verzierten Hände von Lee-Ann, die sich sanft gestikulierend durch die Luft bewegten.

Damals waren sie noch schön. Es war dieser Sommer, in dem Gerome sie tanzend und betrunken durch die Szenerie einer von so vielen Partys trug und mit ihr stürzte, wobei sich die scharfen Scherben zersplitternder Weingläser in ihre Handinnenflächen bohrten, sodass sich ihr warmes Blut zwischen ihren Beinen verteilte und über meinen Bruder ergoss, der sie nicht weniger betrunken als wir alle ins Krankenhaus fuhr. Es hat ein Jahr gebraucht, bis sie danach wieder einen Stift zwischen ihren vernarbten Fingern halten konnte.

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