Kapitel 4

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Panisch rang sie nach Luft. Alles schmerzte. Da war zu viel Schmerz, als dass sie hätte ausmachen können, wo sie wie stark verletzt war. Ihr Kopf war wie betäubt. Die Gedanken wateten wie durch zähen Honig, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen.

Stöhnend rollte sie sich auf die Seite, stützte sich auf den rechten Unterarm. Doch bevor sie Gelegenheit hatte, sich ihrer Situation klar zu werden, schoss plötzlich eine Gestalt an ihre Seite, packte sie an der Kehle, drückte sie zu Boden. Es war Quaritch. Mit der einen Hand drückte er ihren Hals zu Boden, würgte sie, mit der anderen nagelte er ihre rechte fest.

Verzweifelt griff sie mit der linken nach seiner Hand an ihrer Kehle, zog und zerrte daran, während sie panisch nach Luft ringend seinen Blick suchte.

„Du hörst mir jetzt zu!", brüllte er. „Dank dir sitzen wir jetzt auf dieser Insel fest. Der Heli ist Schrott und deinen Ikran gibt es nicht mehr. Wir sind jetzt aufeinander angewiesen. Du bist kaum noch am Leben und ich weiß nicht, wie man hier überlebt. Du brauchst mich, ich brauche dich. Also wirst du jetzt tun, was ich dir sage! Hast du mich verstanden?"

Sie brachte nicht viel mehr als ein Röcheln zustande. Verzweifelt nach Luft schnappend zerrte sie an seiner Hand. „Luft ... bitte ..."

Nach kurzen Zögern lockerte er seinen Griff. „Hast du mich verstanden?", brüllte er noch einmal.

Sie nickte. „Ja."

Sie sah ein, dass es keinen andere Möglichkeit gab. Sie waren aufeinander angewiesen, ob sie wollten oder nicht.

Quaritch wollte noch ein letztes Mal zudrücken und damit seinem Ärger Luft machen, hielt sich aber sichtbar zurück und beschränkte sich auf einen frustrierten Schrei, während er neben ihr auf alle viere sank. 

Nun endlich genug Luft bekommend, griff sie sich an den schmerzenden Hals und brauchte einige Momente, bis sich ihre Atmung wieder einigermaßen normalisiert hatte. Als sie es schließlich mit letzten Kräften schaffte sich in eine schonende Haltung auf die Seite zu rollen, beobachtete sie, wie Quaritch aufschrie und die Faust in den Boden rammte. Wie als würde ihm plötzlich wieder einfallen, dass sie auch noch da war, wanderte sein wilder, hasserfüllter Blick plötzlich zu ihr. Schwer atmend ruhte er dort für einige Augenblicke, während ihr immer elendiger zumute wurde. Wie sollte sie das hier nur überleben. Sie war diesem Mann hilflos ausgeliefert. Er konnte mit ihr machen was er wollte und sie hätte nicht einmal die Kraft sich zu wehren.

Da gab er sich plötzlich einen Ruck und richtete sich auf. Ein kühle Klarheit hatte sich wie eine Maske über ihn gelegt. Weg war die Wut und der Hass. Aus halb geschlossenen Augen beobachtete sie, wie er sich neben ihr niederkniete, um sie nach Verletzungen abzusuchen. Außer ein paar Kratzern und Prellungen an Armen und Beinen konnte sie selbst nichts feststellen, zu übertönend war der bereits vorhandene Schmerz an ihrem Rücken. Als er ihren Oberkörper nach vorn neigte, verzog er das Gesicht zu einer Grimasse. Prüfend suchte sein Blick den ihren, um sicher zu gehen, dass sie noch bei Bewusstsein war. Als er ihre flatternden Lieder und den flehenden Blick bemerkte, fluchte er leise.

„Wir müssen deinen Rücken neu verbinden. Der Sturz hat alles wieder aufgerissen." Hilfesuchend schaute er sich im Wald um, dann hellte sein Blick sich auf. „Da vorne ist ein Fluss. Kannst du gehen?"

Sie lachte mit schmerzverzerrtem Blick auf und schnaubte. „Nein."

„Dann trage ich dich." Sie fragte sich schon, wie er das anstellen wollte, ohne sie am Rücken zu stützen, als er unter ihre Arme griff und sie wie einen nassen Sack aufrichtete. Nun sitzend, konnte er nachgreifen und sie wie ein kleines Kind am Hintern haltend, auf seine Hüfte stützen und am unteren Rücken, wo keine Wunde ihre Haut zerrissen hatte, aufrecht halten.

Verlorene Seelen PandorasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt