Kapitel 7

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Niamh erwachte mit den ersten Sonnenstrahlen, die durch das dichte Blätterdach blitzten. Beschämt sah sie zu Quaritch auf, als ihr siedend heiß die Ereignisse der letzten Nacht einfielen. Bei der Bewegung erwachte auch er und schaute sie verschlafen an. Obwohl sie wusste, dass auch er an das gleiche denken musste, verzog er keine Miene, als ob nichts geschehen wäre und gab sie einfach aus seiner Umarmung frei. Als er erkannte, dass sie sich nicht von allein aufrichten konnte, stützte er sie und hielt sie noch einen Moment lang fest, bis das Schwindelgefühl verschwunden war und sie allein sitzen konnte.

„Hunger?" Er hielt ihr die Tahe-Frucht vom Vortag hin.

Sie nickte und griff danach, wagte es aber nicht, ihn anzusehen. Dann stockte sie, als ihr einfiel, dass sie sein Messer brauchen würde, um sie zu schälen.

„Kann ich ...? Ich brauche dein Messer." Er hielt inne und sie wusste, dass er an die Situation der letzten Nacht dachte, reichte es ihr aber wortlos mit dem Griff voraus.

Sie griff danach und begann die Tahe-Frucht zu schälen. Sie sah auf, als er vergeblich versuchte mit dem am Vortag gesammelten Totholz ein Feuer zu entfachten. Ohne Zunder. Aber sie konnte es ihm nicht verübeln, es war nicht einfach im Regenwald richtig trockenen Zunder zu finden, wenn man nicht wusste, wo man suchten musste.

„Das wird so nichts." Sie hielt ihm ein am Messer aufgespießtes Stück Tahe-Frucht hin. Sein Blick wanderte von der Frucht zu ihr, dann griff er danach und biss hinein, ließ sie dabei aber nicht aus den Augen.

„Du brauchst Zunder." Ohne den Blickkontakt zu brechen, schnitt sie für sich selbst ein Stück ab und schob es in den Mund.

„Denkst du das weiß ich nicht?", fragte er mit gereiztem Unterton.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich kann mir vorstellen, dass das schwer zu finden ist, wenn man sich nicht auskennt. Aber ich kann es dir zeigen."

Er legte den Kopf zur Seite. „Glaubst du, du schaffst das in deiner Verfassung?"

Seufzend wandte sie sich wieder der Tahe-Frucht zu. „Ich weiß es nicht." Sie reichte ihm ein weiteres Stück. „Wir müssen sowieso erst mal meinen Verband und die Paste wechseln, danach sehen wir weiter." Sie wies auf seinen Kopf. „Und deinen auch."

Mit einem Nicken deutete er auf ihren Rücken. „Wie geht es dir?"

„Die Schmerzmittel lassen nach", sagte sie trocken, wollte ihm nicht zeigen, dass die Schmerzen sich schon seit dem Aufwachen durch ihren Rücken fraßen.

Während sie die Frucht in Stücke schnitt und abwechselnd eines an Quaritch reichte und selbst eines aß, entging ihr nicht, dass er sie aufmerksam beobachtete, konnte aber nicht feststellen, ob er ihren gesundheitlichen Zustand ermitteln wollte oder an der Art interessiert war, wie sie die Frucht schnitt. Oder an etwas ganz anderem. Aber das war jetzt auch egal. Als sie fertig war, reichte sie ihm das Messer.

Sein Blick glitt prüfend über sie. „Können wir?"

Sie nickte und machte schon Anstalten, aus eigener Kraft aufzustehen, aber er war schneller und hob sie hoch. Unwillkürlich stöhnte sie auf und krallte sich mit einer Hand an ihm fest, mit der anderen fasste sie sich an den Kopf.

„Langsam", keuchte sie.

„Entschuldige."

„Geht schon", murmelte sie und realisierte erst jetzt, dass er sich gerade bei ihr entschuldigt hatte. Etwas, was sie von ihm nicht erwartet hatte. Bisher hatte sie ihn als jemanden eingeschätzt, der sich nahm was er wollte, ohne auf irgendjemand oder irgendetwas Rücksicht zu nehmen und sich schon gar nicht für irgendetwas entschuldigte.

Verlorene Seelen PandorasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt