Kapitel 12: Stille, so laut

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Lavena sieht mich an. Unwillkürlich haben wir beide unsere Pferde durchpariert. Ich muss zu ihr hochblicken, den Caryla ist ein ganzes Stück kleiner als Sunny. Lavena sagt immer noch nichts. In meinen Ohren dröhnt die Stille. Ihr Gesicht kann ich nicht lesen. Da beugt sie sich ein Stück nach unten, sodass unsere Gesichter fast auf gleicher Höhe sind. Sie sieht mir direkt in die Augen, als sie sagt:" Ich mag dich auch, Jo." Noch immer sehen wir uns direkt an und mir läuft ein warmer Schauer über den Rücken. Ich muss lächeln, so erleichtert und vor allem glücklich bin ich über ihre Antwort. Sie reitet weiter und ich sehe ihr kurz nach, bevor ich auch meine Stute antreibe. Ich reite noch ungefähr fünf Minuten, dann ist Caryla fast komplett trocken und ich bringe sie in ihre Box. Nachdem ich mich um sie gekümmert habe, fahre ich nach Hause.

Ich weiß einfach nicht, was ich denken soll. Meine Gedanken schwirren unablässig um Lavena und diesen bizarren Moment in der Reithalle. Mittlerweile mache ich mir fast Sorgen, obwohl ich nicht weiß, warum genau. Ich habe das Gefühl, ich weiß gar nichts mehr, aber wenn ich an sie denken muss, wird mir immer warm um's Herz und ich muss lächeln. Sie ist so schön, nicht nur Äußerlich mit ihrem süßen Lächeln, sondern auch Innerlich, wenn sie anderen hilft und nach den Sternen strebt, ohne ihre Bodenständigkeit zu verlieren. Ich wünschte, sie würde mich so sehen, aber ich kann es mir nicht vorstellen, weil ich das nicht bin. Ich bin dieser kleine, komische Junge mit ein bisschen Gefühl für Pferde. Ich bin nicht hässlich, aber auch nicht hübsch. Ich bin durchschnittlich unwichtig, finde ich. Und ich könnte es Lavena auch nie übelnehmen, wenn sie das genauso sieht. Meine Gedanken bilden ein einziges Karussell und drehen sich so stark, dass mir fast schwindelig wird. Ich hasse es, so wenig zu wissen, machen zu können oder wenigstens irgendeine Beschäftigung zu haben. Vor allem weiß ich aber nicht, wie ich mich morgen in der Schule verhalten sollte oder wie genau sie das "Ich mag dich auch" gemeint hat. Bin ich jetzt ein Stallkumpel oder mehr oder etwas ganz anderes. Dieser Gedanke treibt mich am allermeisten um. Ich weiß jetzt schon, dass ich heute Nacht beschissen schlafen werde.

Wie erwartet bin ich am nächsten Morgen furchtbar unausgeschlafen und sehe wahrscheinlich auch so aus, denn meine Mutter hat mich beim Frühstück gefragt, ob ich krank wäre. Was ich natürlich nicht bin. Außer man zählt "Hals-über-Kopf-verliebt" als Krankheit, wessen ich nicht mal so abgeneigt wäre. Denn es fühlt sich tatsächlich ein bisschen an wie eine Krankheit. "Jo, ich habe dich etwas gefragt!". Vor mir steht meine Englischlehrerin, die mich sauer anfunkelt. Sie ist schon etwas älter und als Lehrkraft eine Katastrophe für sich. Sie schafft es kaum, einen englischen Satz zu bilden. Ich blicke genervt zurück und frage sie, was sie gefragt hat. Auf Englisch mit dem breitesten Ami-Akzent, den ich aus meinem Gehirn kramen kann, weil ich weiß, wie sehr sie es hasst. Eigentlich mache ich so etwas nicht, aber heute habe ich einfach keinen Nerv mehr übrig. Sie wiederholt ihre Frage und ich antworte ihr so knapp wie möglich, um mich dann wieder in meinen Gedanken und Tagträumen zu versenken. Als eine Hand auf meine Schulter klopft, habe ich das Gefühl, keine zwei Sekunden seien seit meiner genervten Englischlehrerin vergangen. Aber als ich mich umdrehe, steht hinter mir ein amüsierter Manu, der mir erzählt, es hätte schon zu Pause geläutet. Ich blicke erst ihn und dann meine Armbanduhr sehr verwirrt an, denn es ist wirklich schon Pause und es ist eine Viertelstunde im Flug vergangen. Manu kichert, als er mir beim Denken zusieht. "Wo warst du denn die ganze Zeit mit deinen Gedanken?" "Willst du gar nicht wissen" grummle ich zurück. "So, mir egal, wenn ich mich wie eine überneugierige Viertklässlerin aufführe, du erzählst mir jetzt, über was - wen du nachdenkst!", antwortet mir mein bester Kumpel und zieht mich aus unserem Klassenzimmer. Wir gehen in den Flur vor den Chemieräumen, wo es ruhiger es und ich erkläre Manu so knapp es geht, worüber ich nachgedacht habe. Er sieht mich an, grinst und erklärt mir, er habe eine Wette gewonnen. "Bitte was? Manu!" "Ich habe mir Samu gewettet, wie lang es dauern würde, bis du Lavena gegenüber zugibst, dass du sie magst. Danke für das Eis, das Samu mir jetzt schuldet!" Ich kann ihm nicht mal wirklich böse sein, so begeistert wirkt er, trotzdem kann ich es mir nicht verkneifen eine Hand an die Stirn zu schlagen. "Jetzt musst du ihr nur noch erklären, dass du sie so magst", sagt mein Kumpel nach einer kurzen Redepause mit schiefem Grinsen, haut mir auf die Schulter und verabschiedet sich mit der Begründung, er müsse noch Samu suchen. Als er schon den halben Flur hinuntergelaufen ist, dreht er sich um und ruft mir ein "Viel Glück" zu. Ich schüttle den Kopf und bin mal wieder erstaunt, wie unterschiedlich mein bester Freund und ich sind, wenn man bedenkt, dass wir beste Freunde sind. Leider hat mich sein Rat nicht wirklich weitergebracht, denn zu diesem Schluss bin ich schon gestern Nacht gekommen. Ich grüble noch etwas herum und komme dann zu dem Schluss, dass ich es Lavena niemals direkt sagen könnte, also muss ich eine andere Lösung finden. Plötzlich kommt mir eine Idee und als ich zurück zu unserem Klassenzimmer gehe, weiß ich, was ich tun werde.


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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 20, 2023 ⏰

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