Ich sitze in meinem Zimmer und hänge - wie für mein Alter typisch - am Handy. Genau genommen scrolle ich durch die Insta-Profile von meinen Klassenkameraden. Elodie ist scheinbar ein echter Bücherwurm, denn sie taggt immer #bookstagram unter ihren Bücherrezensionen. Ich kichere in mich hinein. Elodie schreibt echt witzige Texte. Dann sehe ich mir Samus Account an. Er ist eher so der Meme-Typ und lässt das gewaltig raushängen. Ich sehe mir ein paar an und komme zu dem Schluss, dass Samu einen echt bösen Humor hat. Dafür bekommt er Sympathiepunkte, denke ich mir mit einem schiefen Grinsen. Über Lavenas Posts bin ich wenig überrascht. Pferdebilder und Reitvideos. Wer hätte es gedacht. Aber manchmal auch zwischendrin etwas mehr oder weniger Tiefsinniges. So wie der kurze Text unter ihrem neuesten Post:
"Ich glaube, ich hab endlich die Person gefunden, die mich wirklich glücklich macht. Ich trau mich blos nicht, ihm das zu sagen... Wie würdet ihr's ihm sagen? Tipps please!
Lavena ist so ein Glückskind. Sie hat wahrscheinlich bis auf diesen Unbekannten alles was sie will. Ich überlege, ob ich auf ihre Frage antworten soll, aber mir fällt keine Antwort ein, die ich selbst umsetzten würde, also lasse ich es sein.
Eine Stunde später finde ich mich im Gras sitzend neben Caryla wieder. Tja, so kann es gehen und zack wird das Pony zur Kummerkasten-Tante. Ich habe sie einfach mit auf einen Spaziergang genommen und jetzt sitze ich hier auf dieser Lichtung und sie grast neben mir. Ich habe sie mit Longe und Zaumzeug an einem Baum festgebunden, aber die Longe ist so lang, dass Caryla eigentlich wie frei ist. Mir ist aber durchaus klar, dass es wahrscheinlich nicht so gern gesehen ist, wenn ein neues Pony so zweifelhaft am Weglaufen gehindert wird. Aber Caryla wird nicht weglaufen. Das Gras ist ihr viel zu wichtig. Wärend ich da sitze, denke ich über mein Leben nach. Das hört sich zwar total tiefgründig an, ist aber eigentlich recht oberflächlich und nutzlos. Ich weiß nicht mal, warum ich so bedrückt bin. Eigentlich sollte ich doch gute Laune haben. Immerhin ist es Samstag und ich bin bei meinem Lieblingsort und habe mein fantastisches neues Pony dabei. Vielleicht bin ich noch etwas angeschlagen wegen Cair. Vielleicht. Aber ich glaube nicht, dass er der Grund ist. Der blöde Sack ist mir nicht wirklich wichtig, zumindest nicht so. Vielleicht habe ich einfach einen schlechten Tag. Ich glaube ich belasse es dabei. Ich blicke auf und sehe auf mein Handy, das neben mir liegt. Eigentlich sollte ich in einer Viertelstunde zuhause sein, aber das kann ich mir abschminken, in der Zeit komme ich gerade bis zu Stall, immerhin muss ich laufen. Ich könnte natürlich auch reiten, wenn ich reiten könnte. Wenn ich reiten könnte. Ich stehe auf und packe die Longe und mein Handy in meinen kleinen grünen Rucksack und dann machen Caryla und ich uns auf den Weg. Nach kurzer Zeit beginnt es zu winden und es sieht aus, als würde ein Sommerabendgewitter anrücken. Leise grollt ein Donner in der Ferne und Caryla schnaubt. Ich beeile mich noch mehr und auch Caryla ist schon vor einiger Zeit in einen flotten Schritt verfallen, als wisse sie schon eine ganze Weile von dem Sturm. Wenig später pfeift der Wind noch stärker um die Bäume und dazu beginnt es zu tröpfeln. Mittlerweile ich habe einfach keinen Bock mehr in diesem Wäldchen umherzulatschen. Ja, ich kann nicht reiten. Und was soll's? Ich kann auch kein Mathe und bin noch trotzdem durch jedes Schuljahr gekommen. Ich führe mein Pony neben einen Baumstumpf und klettere mit dessen Hilfe auf ihren Rücken. Zum Glück habe ich nicht Halfter und Strick zum Führen benutzt, sondern Zaumzeug mit Zügel. So habe ich wenigstens -im wahrsten Sinne des Wortes- etwas in der Hand. Sanft puffe ich Caryla mit meinen Fersen in die Seiten. Ich merke schnell, dass ich kaum lenken muss, den die Stute will auch einfach nur noch zurück zum Stall. Sie wird immer schneller und ich hoppele unbeholfen auf ihrem Rücken umher. Plötzlich erklingt ein Wiehern nicht weit von uns entfernt. Caryla trabt an und schießt auf das Wiehern zu. Ich kann mich gerade noch un ihren Hals krallen und hänge wie ein Schluck Wasser in der Kurve auf der Stute. Äste wirbeln um mich herum und ich weiß nicht was ich tun soll, also halte ich mich einfach fest, drücke mein Gesicht eng an Carylas Hals und bete innerlich, sie möge endlich langsamer werden. Als wir den Ursprung des Wieherns erreichen wir sie langsamer und bleibt schließlich stehen, als hätte jemand meine Bitte erhört. Erleichtert atme ich auf und setze mich aufrecht hin. Vor uns steht Sunny und auf ihm sitzt Lavena, die mich erleichtert aber amüsiert anblickt. Ich sehe sie erstaunt an und frage mich, was sie bei diesem Wetter hier zu suchen hat. "Ich habe dich heute Nachmittag in den Wald gehen sehen und nach meinem Training mit Sunny wart ihr immer noch nicht wieder da und als es angefangen hat zu stürmen, dachte ich, ich gehe euch suchen" grinst Lavena, als sie meinen fragenden Blick bemerkt. Ich lächele ihr dankbar zu. "Und ich habe dir was mitgebracht", spricht sie weiter "und zwar einen Reithelm, denn ich vermute, du willst nicht unbedingt laufen und zu Pferd sind wir einfach schneller." Ich sehe sie verdutzt an und bedanke mich dann bei ihr. Sie grinst nur uns als ich den Helm aufgesetzt habe trabt sie an. Caryla folgt Sunny direkt und ich muss mich mal wieder an ihrer Mähne festhalten, um nicht direkt auf den Boden zu plumpsen. Ich versuche mich zu fokussieren und zu meinem Erstaunen schaffe ich das auch. Es wird immer leichter, nicht das Gefühl zu haben, von Caryla zu fallen. Ich fange sogar an den Ritt, trotz des Wetters und meiner Unfähigkeit, zu genießen. Kurz darauf erreichen wir den Waldrand und ich kann den Hof über die freien Felder schon sehen. In mir spüre ich Erleichterung aufsteigen und ich muss kichern. Mein leises Lachen wird übertönt von einem Donnern. Als ein weiteres, noch lauteres Donnern ertönt und ein Blitz über uns über den Himmel jagt, steigt der sonst so ruhige Sunny los. Ich sehe den Schreck in seinen Augen und auch im Gesicht seiner Besitzerin spiegelt sich Angst, als ihr Pferd in purem Schock an uns vorbeiprescht. Reflexartig klammere ich mich an Carylas Hals, die nur einen Wimpernschlag später ihrem Stallgefährten in einem Höllentempo hinterherjagt.
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Elfe
Fiksi RemajaJo ist klein, aber was ist schon Größe... Als seine Oma, eine ehemals erfolgreiche Reiterin, sich ein Pony kauft, ernennt sie ihren Enkel kurzerhand einfach zum Reiter der Stute. Doch Jo hat in der Schule eigentlich schon genug Probleme, denn klein...