~~Aufbruch~~
Stille war nach dem Kampf eingetreten. Die Wölfe hatten sich nicht von ihrem Platz bewegt. Ihre Körper entspannten sich allerdings langsam nach dem anstrengenden Kampf.
Die Lichtung, auf der sie sich befanden, war, aufgrund des mittlerweile erloschenen Feuers, komplett schwarz. Die Tiere versteckten sich weiterhin im Wald. Langsam begannen die Vögel in den Bäumen wieder zu zwitschern und das Leben nahm um die Wölfe wieder seinen Lauf. Sie spürten, dass die Gefahr vorüber war.
„Freunde", unterbrach Nyrona die Stille. „Dieser Wolf namens Lumus und sein Rudel sind aktuell keine Gefahr mehr für uns, dennoch können wir uns nicht sicher sein, dass sie nicht bereits den nächsten Angriff planen. Ich schlage vor, wir verschwinden hier so schnell wie möglich. Im Wald sind wir ein leichtes Ziel. Lasst uns raus in die offene Ebene gehen, wo wir den Feind am ehesten bemerken.
„Du hast Recht, Nyrona", sagte Yen und drehte sich zu den Bäumen um. „Mir ist der Wald zu unsicher." Sein Blick glitt zu Kian. „Wirst du uns begleiten?", fragte Yen den gelben Wolf.
Kian seufzte. „Ich werde euch begleiten, sobald wir einen sicheren Ort zum Reden gefunden haben. Ich möchte euch ebenfalls so einiges fragen."
Yen nickte und ging vorsichtig auf den Wald zu. Seine linke Schulter tat noch immer weh, doch die Blutung hatte aufgehört. Für diesen Umstand war Yen sehr dankbar. Eine blutende Wunde konnte er bei einer Flucht nicht gebrauchen.
Der schwarze Wolf wusste, dass ihm die anderen Wölfe folgten und nach kurzer Zeit trat Esaila neben ihn. „Soll ich mir mal deine Schulter ansehen?", fragte sie vorsichtig.
„Nein, das hat Zeit, bis wir draußen sind. Es wird schon die kurze Strecke gehen."
Esaila bedrängte ihn nicht weiter und ließ sich etwas zurückfallen.
Keiner sprach ein Wort, denn jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Ihre Freude darüber, endlich ein genaues Ziel zu haben, war seit dem Kampf verflogen. Der Hinterhalt hatte sie in die Realität zurückgebracht.
Verbittert biss Yen seine Zähne zusammen, denn die Geschehnisse des Kampfes begannen in seinen Gedanken herumzuwirbeln.
Das hasserfüllte Gesicht des braunen Wolfes schob sich in seine Gedanken. Erst nach dem Kampf, wurde ihm bewusst, was er angerichtet hatte. Er wusste, dass er der Einzige in seiner Gruppe war, der seinen Gegner getötet hatte. Seine Begleiter hatten alle ein zu gutes Herz, um einem anderen Wolf zu töten. Das wusste er. Er selbst hatte während dem Kampf die Kontrolle verloren und einem anderen Wolf das Leben genommen. Ein bitterer Geschmack breitete sich auf seiner Zunge aus. Yen versuchte sich mit dem Gedanken zu trösten, dass der feindliche Wolf ihn nicht in Ruhe gelassen hätte. Er wäre zu spät zu seinen Freunden gekommen, um ihnen zu helfen.
Da schlich sich die Frage in seine Gedanken, ob er überhaupt schon einmal getötet hatte. Ein Reh oder einen Hasen hatte er vor seinem Gedächtnisverlust sicher getötet, aber er wusste nicht, ob er in seinem früheren Leben jemals einen Artgenossen getötet hatte. Vor drei Monaten hatte ihn Kora gefunden. Es fühlte sich für Yen so an, als kannte er sich erst seit dieser kurzen Zeit. Laut den Geschwistern konnte er kaum älter als sie selbst sein. Die Geschwister waren drei Jahre alt und drei Jahre fehlten ihm in seinem Gedächtnis. In dieser Zeit hätte er einen anderen Wolf töten können. Mit einem Jahr war ein Wolf bereits ausgewachsen und der schwarze Wolf war für seine Rasse sehr groß.
Die Ungewissheit, dass Yen nicht wusste, wer er wirklich war, machte ihn verrückt. In manchen Nächten fand er keinen Schlaf, da er zu sehr über sein früheres Ich nachdachte.
Nachdem Aufwachen an jenem Tag, konnte er sich an gar nichts mehr erinnern. Selbst die Existenz der Elemente musste ihn Kora erklären. Nach Koras Erklärung, fielen Yen grundlegende Dinge, wie die Elemente und wie die Welt Daromi funktionierte wieder ein. Nur sein Leben und insbesondere sein Name blieben ihm weiterhin verwehrt.

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Call of the shadows - Ruf der Schatten
Fantasy[pausiert] In der Welt Daromi bekamen die Wölfe von den Elementgöttern ihre Kräfte geschenkt, um das Gleichgewicht der Welt zu bewahren. Doch dieses Gleichgewicht währte nicht lange. Eine finstere Macht breitet sich in einem Rudel aus und es scheint...