Als ich das Rascheln der Decke neben mir hörte, öffnete ich die Augen. Chishiya lag neben mir und hatte noch die Augen geschlossen. Eine seiner Strähnen hing ihm ins Gesicht, und ich betrachtete ihn eine ganze Weile. Am Abend hatte ich ihn noch in mein Bett geholt, da er auf dem unbequemen Sessel nicht schlafen wollte. Er hatte sich mit Abstand zu mir ins Bett gelegt, doch im Laufe der Nacht war er näher gerückt. Nun lag er so nah an mir, dass ich seinen warmen Atem auf meiner Haut spüren konnte.
Langsam erwachte er, und ich schloss hastig die Augen, um nicht gesehen zu werden. Nach ein paar Minuten stand er auf, um das Zimmer zu verlassen. Er wollte die Zeit nutzen, während ich noch schlief, um einige Dinge zu erledigen. Nachdem er aus meinem Zimmer gegangen war, stand ich auf und ging ins Bad. Ich schloss die Tür ab und stellte mich vor den Spiegel. Ich redete mir selbst ein, dass ich für Noah leben musste, dass ich vor den anderen glücklich sein musste und mir nichts anmerken lassen durfte.
Aus einer Schublade nahm ich die Scherbe heraus, die ich gestern dort deponiert hatte, und zog meine Jogginghose aus. Ich setzte die Scherbe an meinem Oberschenkel an und schnitt mehrfach in meine Haut. Es tat so gut, ich fühlte mich wieder lebendig und konnte meine Gefühle freien Lauf lassen. Ich genoss es, die Wunde aufplatzen zu sehen und das Blut herausfließen zu sehen. Es entspannte mich auf irgendeine Weise. Ich nahm mir Verbands- und Reinigungszeug, um meine anderen Verletzungen zu versorgen.
Nachdem ich mich etwas zurechtgemacht hatte, verließ ich mein Zimmer. Es war schon über eine Woche her, seit dem letzten Spiel, und heute wollte ich wieder spielen. Ich tat so, als würde es mir wieder gut gehen, obwohl ich innerlich tot war. Ich ging zur Lobby, da der Hutmacher eine Versammlung einberufen hatte, wegen der Spiele heute Abend. Er redete wie immer und beendete die Versammlung schnell. Ich war auf dem Weg zu meinem Zimmer, um die Zeit bis zu den Spielen totzuschlagen, als mich jemand von hinten packte und mir den Mund zuhielt. Ich wollte schreien, doch der Schrei wurde durch die Hand gedämpft.
Die Person zog mich in einen kleinen Raum neben dem Flur, der offen war, und drehte mich um. Es war Niragi. Er nahm seine Hand von meinem Mund, und bevor ich ihn anschreien konnte, griff er mein Gesicht und presste seine Lippen auf meine. Er schloss die Augen, und instinktiv machte ich meine Augen ebenfalls zu. Er drückte mich gegen die Wand und küsste mich intensiver. Ich spürte ein Lächeln in seinem Kuss. Als ich die Augen öffnete, sah ich, dass er in Richtung Flur schaute, aber ich konnte nicht erkennen, wer dort stand.
Ich stieß ihn weg und schrie ihn an, dass er das nicht ohne meine Erlaubnis machen dürfe. Dann ging ich zurück in mein Zimmer und begann zu weinen. Ich konnte nicht fassen, dass mein erster Kuss ungewollt und mit Niragi, dem Psycho, war. Ich wusste, ich war 19 Jahre alt und hatte noch nie zuvor einen Kuss erlebt, da die Jungs mich durch das Mobbing nie mochten. Ich stieß gegen Ann, und sie fragte mich direkt, was los sei. Wir gingen zu Kuina, die in ihrem Zimmer war, und ich erzählte es ihr. Sie war wütend auf Niragi und wollte ihn umbringen, aber ich hielt sie davon ab und meinte, ich würde das alleine klären. Wir redeten noch eine Weile, bevor wir gemeinsam in die Lobby gingen.
Chishiya sah mich keinen Moment an, sprach nicht mit mir und schien schlechte Laune zu haben. Ich wünschte ihnen viel Glück und ging zu meinem Team, um zum Zentrum Tokios zu fahren. Das Spiel war einfach – man musste nur ein wenig nachdenken, was am logischsten war. Wir fuhren zurück, und ich wartete auf Kuina und Chishiya. Als sie kamen, ging Chishiya einfach vorbei, ohne mich anzusehen.
„Kuina, weißt du, was mit Chishiya los ist? Er beachtet mich überhaupt nicht und ignoriert mich vollkommen," sagte ich zu ihr.
„Ich habe echt keine Ahnung. Er ist so mies gelaunt, will aber nicht darüber reden," antwortete sie, als wir in Richtung Zimmer gingen. Ich wollte mit Chishiya reden, wusste aber nicht, wo sein Zimmer war. Doch es klärte sich schnell, als er im Flur vor meinem Zimmer entlangging. Ich ging schnell zu ihm und fragte ihn, was los sei, aber er ignorierte mich und lief weiter.
„Du weißt, wie gemein du bist. Sag mir doch, was los ist, da es offensichtlich ist, dass du wegen mir so schlecht gelaunt bist," sagte ich zu ihm, und er blieb stehen.
„Niragi? Echt jetzt? Du küsst Niragi?" fragte er. Mir wurde sofort klar, dass er den Kuss meinte und warum Niragi so gelächelt hatte. „Nein, du hast das ganz falsch verstanden. Er hat mich überrumpelt und einfach so geküsst. Ich wollte auch nicht, dass mein erster Kuss ungewollt ist," erklärte ich.
Chishiya unterbrach mich, indem er sich umdrehte und mich verliebt ansah. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und presste seine warmen, weichen Lippen auf meine. Ich erwiderte den Kuss, und erst als wir keine Luft mehr bekamen, lösten wir uns voneinander. „Jetzt hast du deinen ersten Kuss," sagte er lächelnd. Das Wort „Liebes" ließ mich fast umkippen. Er ging, und ich lief in mein Zimmer. Ich machte einen kleinen Freudentanz und bereitete mich vor, um nach unten zu gehen. Als ich meine Tür schloss, freute ich mich über das, was geschehen war.
Unten am Pool angekommen, suchte ich Kuina und Chishiya. Sie lagen auf zwei Liegen, und Chishiya sah mich mit einem tiefgründigen und verträumten Blick an, der mich fast dahinschmelzen ließ. Ich setzte mich neben Kuina, legte mich auf ihren Schoß und blickte nach oben zu den Sternen. Noah hätte diesen Ausblick geliebt. Die Sterne strahlten und funkelten so wunderschön. Ich fragte die beiden, ob sie jemals etwas Schöneres gesehen hatten. Chishiya sah zu mir und sagte nur: „Ja."
Ich fragte ihn, was es sei, aber er gab mir keine Antwort und ging auf die Toilette. „Du bist so ein Idiot, Y/N," sagte Kuina zu mir. „Warum?" fragte ich. „Er hat von dir gesprochen, Y/N. Er sah dich so verliebt an," meinte sie, und mir stockte der Atem.
DU LIEST GERADE
Ich bin besessen von dir
FanfictionAls du eines Tages in dem vollkommen leergefegten Tokio stehst mit deinem Bruder und weit und breit keine Menschen seele ist wird euch kurz bevor deinem ersten spiel bewusst was los war. Ihr seit ein naturtalent darin gewesen all eure Spiele zu übe...