Naoki spürte, dass ihr jemand eine Hand auf die Schulter legte. Die Geste kam ihr bekannt vor und erinnerte sie sofort an Seolan. Als sie aufsah, sah sie diesem in die Augen und musste müde lächeln. „Das hast du gut gemacht", sagte er. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, hätte er nicht erwartet, dass sie es wirklich schaffte.
„Was war das?", hörte Naoki jemanden tuscheln. Heilmagie war unter den Drachen nicht verbreitet und so sahen die meisten von ihnen das erste Mal etwas Derartiges.
„Ich hoffe, dass er sich bald wieder erholt", lächelte Naoki müde und lehnte sich sogar an Seolans starke Beine.
„Wir müssen ihn beobachten, um sicherzugehen, dass er nicht mehr ansteckend ist und die Krankheit nicht zurückkommt", sagte Seolan, wobei er es als Befehl an seine Leute richtete.
„Ich werde mich darum kümmern", sagte Shao sofort. Aktuell war er der Einzige, der von Reolans und Seolans Vertrauten hier war.
„Gut", sagte Seolan, der Naoki vorsichtig auf den Arm hob. Diese ließ es zu, da sie zu erschöpft war, um sich dagegen zu wehren.
Als er sie an seine Brust drückte, damit sie nicht fiel, spürte sie seine unglaubliche Wärme. Sie wusste, dass diese für Drachen normal war, was sie beruhigte.
Seolan wandte sich um und schritt auf das Gebäude zu, in dem sie ihr Zimmer hatte.
Vorsichtig zupfte Naoki an seinem Oberteil. „Könntet Ihr mich ... in einen Garten bringen, sollte es sowas hier geben?", fragte sie schüchtern. In ihrem Zimmer könnte sie sich zwar ausruhen, doch das würde ihre Kräfte nicht so schnell wieder aufladen.
Seolan blieb stehen und blickte sie verwundert an. Diese Bitte konnte er absolut nicht nachvollziehen. „Du solltest dich ausruhen", sagte er streng. Sie erinnerte ihn an ein Kind, das nicht wusste, was gut für sie war.
„Das kann ich in einem Garten besser", versuchte Naoki sich zu erklären. Schon zuhause hatte sie daher immer viel diskutieren müssen. Obwohl ihre ganze Familie magisch war, unterschied sich ihre Art der Magie doch von denen der anderen. Während andere Magier durch Schlaf und Ruhe ihre Magie aufluden, brauchte sie die Verbindung zur Natur. Nur war es schwer, das anderen begreiflich zu machen.
Seolan runzelte kurz die Stirn. „Gut, aber du sollst dich nicht überanstrengen", sagte er, weil er sich Sorgen um sie machte. Naoki hatte gerade bewiesen, dass sie wirklich die Frau sein könnte, welche die Seher prophezeit hatten. Wenn ihre Heilmagie wirklich so stark war, dann würden sie die Seuche vielleicht eindämmen können. Allerdings nur, wenn Naoki wieder zu Kräften kam und sich nicht zu sehr verausgabte.
Seolan wandte sich um und lief einen anderen Weg, um sie in den Bereich zu bringen, der als Garten gedacht war. Hier gab es nicht nur Obstbäume, sondern auch weite Felder. Dazu nutzte man das Tal. Die Gebäude hingegen waren eher in den Stein gehauen oder an den Felswänden gebaut. Naoki hatte so etwas noch nie gesehen.
Die Drachen nutzten alles, was das Gebirge ihnen gab und hatten es bewohnbar gemacht.
Seolan schritt mit ihr einen schmalen Weg entlang, bevor sie auf die Wiese gelangten. An einem Apfelbaum setzte er sie ab.
Sofort spürte Naoki, wie die Kraft der Natur in sie strömte, was sie leise seufzte ließ.
„Was tust du da?", fragte Seolan überrascht und skeptisch, denn, dass um sie herum die Blumen förmlich aus der Erde schossen und ihre Köpfe gen Sonne reckten, war nicht normal.
Naoki bemerkte das jedoch nicht. Sie hatte die Augen geschlossen und ihr Gesicht in die Sonne gerichtet, um es sich wärmen zu lassen. „Mich ausruhen", sagte sie leise und erleichtert seufzend.
„Das sieht mir nicht aus, als würdest du dich ausruhen", bemerkte er. Für ihn sah es eher so aus, als würde sie ihre Kraft in den Boden fließen lassen und dieser würde dadurch die Blumen zum Blühen bringen. Gleichzeitig glaubte Seolan aber auch, dass ein Teil der Kraft zu ihr zurückfloss. Allerdings war er sich da nicht ganz sicher. Er konnte nicht einschätzen, was gerade passierte.
Naokis Magie ging in den Boden, floss dort durch ein größeres Areal und kehrte gereinigt zu ihr zurück. Ein Vorgang, der für die Magier dieser Zeit sowohl unnatürlich als auch vergessen war.
„Warum sagen das immer alle", murmelte sie und lehnte sich weiter gegen den Baum.
Als Seolan hinaufblickte, bemerkte er, dass der Baum die Äste bewegt hatte, damit die Sonne zu ihr hinabscheinen konnte. So etwas hatte er noch nie gesehen und er wurde aus dieser Frau nicht schlau.
Er wollte Naoki gerade auf ihre Worte ansprechen, als Reolan mental mit ihm Kontakt aufnahm, um ihn zu informieren, dass er gleich zurück war und mit Naoki sprechen wollte. „Ich werde kurz Reolan begrüßen. Du bleibst hier", sagte er, erhielt jedoch nur ein müdes Nicken, bevor Naoki einschlief.
Ein leises Seufzen verließ Seolans Lippen, bevor er sich abwandte, um mit seinem König zu sprechen. Diese Frau war ihm ein Rätsel.
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Die Drachen von Askan
FantasyNaoki muss aus ihrer alten Heimat fliehen und durch ein Portal landet sie auf einem Kontinent, den bisher noch nie jemand ihrer Gegend betreten hat. Askan. Dort steht sie dem Drachen Seolan gegenüber, der sie töten will, es sich dann doch anders übe...