Als Naoki in die Küche kam, um Shikarao zu helfen, bemerkte sie die Blicke, die auf sie gerichtet waren.
Hätte sie sich einmal vorgestellt, nur unter Männern zu leben, hätte sie sich das sicher nicht so vorgestellt. Es war überhaupt nicht schlimm.
In den letzten Tagen hatte sie nicht einmal die Frauen vermisst, mit denen ihre Mutter sie immer hatte befreunden wollen. Dafür fehlten ihr die Diener. Hoffentlich ging es ihrem Kammermädchen gut. Sie war so jung und erfreut gewesen, endlich Naokis Zopfe zu werden, dass sie am ersten Tag überhaupt kein Wort herausgebracht hatte.
Mit der Zeit war sie jedoch aufgetaut und Naoki hatte gehofft zu sehen, wie sie aufblühen und eine Familie gründete. Das alles ging jetzt nicht mehr und machte sie ein wenig traurig.
„Was ziehst du denn für ein Gesicht?", fragte Reolan, der gerade mit Shikarao gesprochen hatte.
Überrascht blickte Naoki auf und versuchte sich an einem beruhigendem Lächeln. Es wollte jedoch nicht so recht klappen und Reolan kaufte es ihr auch nicht ab. „Nichts Wichtiges", sagte sie, damit er sich keine Sorgen machte.
Damit gab sich Reolan aber nicht zufrieden. „Wenn es um den Flug geht ...", begann er, doch Naoki schüttelte schnell den Kopf.
„Geht es nicht", unterbrach sie ihn, damit er nicht auf falsche Gedanken kam. Ihre Stimmung hatte rein gar nichts mit dem Flug zu tun.
Im Gegenteil. Darauf freute sie sich schon sehr.
Reolan hob eine Augenbraue. „Wenn ich dir helfen kann ...", setzte er an und Naoki unterbrach ihn erneut.
„Kannst du nicht. Tut mir leid. Es ist nicht wichtig", versicherte sie mit dem Gedanken, dass er sich deshalb keine Sorgen machte. Doch ihr war nicht bewusste, dass sie es so nur noch schlimmer machte.
Dadurch, dass sie Reolan vehement unterbrach, machte sie ihn neugierig. Damit zeigte sie ihm, dass sie irgendwas vor ihm verbarg.
Reolan gefiel das gar nicht. Da sie eine sehr gute Heilerin war, wollte er sie bei seiner Art wissen. Unabhängig davon, das die Seher ihr Erscheinen prophezeit hatten, wollte er sie schützen.
Es war eine seltsame Empfindung, da sie eine Magierin war und er Menschen bisher nur als Grund gesehen hatte, war sein Volk ausstarb. Aber die Tatsache, dass sie einen der seinen gerettet hatte, ohne zu zögern und ungeachtet jeder Konsequenzen hatte sie in seinen Ansehen steigen lassen.
Obwohl er es nur durch eine mentale Verbindung über Allen mitbekommen hatte, hallte ihre Magie auf dem Innenhof noch nach. Aus der Luft war es wie ein magisches Leuchtfeuer gewesen.
Naoki war sich ihrer eigenen Macht jedoch gar nicht bewusst, doch Reolan erkannte das Potential.
Und noch etwas erkannte er. Ihre Kraft war anders als die der Drachen und doch ähnlich. Er fragte sich, ob sie vielleicht die Energie aus dem Boden zog, die durch die gestorbenen Drachen dorthin gelangt war. Immerhin gab es diverse Legenden und Sagen über die ersten ihrer Art.
„Bist du bereit, um heute zu fliegen?", fragte er, um das Thema zu wechseln, während Naoki sich daran machte, einige Zutaten für das Essen zu schälen.
„Bin ich. Ich freue mich schon darauf", erwiderte sie gut gelaunt. „Zuhause bin ich mit Ran jeden Tag geflogen", erzählte Naoki, da sie bisher nicht so viel über sich preisgegeben hatte. Das wollte sie zwar auch nicht ändern, doch mit dieser Information glaubte sie nicht, zu viel zu verraten.
„Ran?", fragte Reolan höflich nach. An sich interessierte er sich nicht unbedingt für ihre Vergangenheit, sondern für ihre Zukunft, doch er glaubte, dass die Erinnerung an diese Ran bei Naoki für schlechte Laune sorgte.
„Mein Drache", erwiderte sie mit einem sanften Lächeln und erinnerte sich daran, wie die Kleine geschlüpft war. Es füllte ihr Herz noch immer mit Staunen. Sorge, wie es ihr ging, machte sich in Naoki breit, doch sie verdrängte diese schnell wieder. Sie war sich sicher, dass weder Nikan noch sein Vater Ikoto einem Drachen etwas tun würden. Drachen waren immerhin selten und wichtig. Trotzdem hoffte sie, dass sie Ran gut behandelten.
„Bei euch gibt es Drachen?", fragte Reolan überrascht.
Naoki nickte. „Ja. Nicht so viele, aber die, die es gibt, leben mit uns zusammen. Aber sie können sich nicht in Menschen verwandeln", erklärte Naoki, die für einen Moment zuließ, dass sie sich vorstellte, wie Reolan mit ihr Ran rettete. Diesen Gedanken verwarf sie jedoch gleich wieder. Wie sollten sie durch den Nebel kommen und warum sollten sich die Drachen von Askan nur ihretwegen in solche Gefahr begeben?
Reolan blickte zu Shikarao und beide nickten sich einig zu. Es gab also Drachen außerhalb. Das war eine sehr wichtige Information, da es ihnen damit eine Hoffnung auf eine Zukunft gab.
Der Drache fragte sich, ob Naoki ihnen irgendwann erzählen würde, wieso sie wirklich in diesem Dorf auf Askan gelandet war. Er wollte sie jedoch nicht drängen. Dass sie am Ende versuchte wegzurennen, war das Letzte, was er wollte. Ihm war wichtig, dass sie sich hier wohlfühlte, um weiterhin bleiben zu wollen. Es war leichter, wenn sie Naoki nicht zwingen mussten.
Heute Abend würde er testen, wie hilfsbereit die Magierin wirklich war. Er hoffte sehr, dass er sie damit nicht verstörte, doch ihm fiel kein anderer Weg ein, um sie auf die Probleme aufmerksam zu machen. Da sie von außerhalb von Askan kam, wusste sie vermutlich nicht einmal, warum die Drachen vor so vielen Jahrhunderten den Nebel erschaffen hatten, um die Insel einzuschließen.
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Die Drachen von Askan
FantasiNaoki muss aus ihrer alten Heimat fliehen und durch ein Portal landet sie auf einem Kontinent, den bisher noch nie jemand ihrer Gegend betreten hat. Askan. Dort steht sie dem Drachen Seolan gegenüber, der sie töten will, es sich dann doch anders übe...