Kapitel 7

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Naoki lernte an dem Tag noch weitere Männer kennen, doch so richtig in Erinnerung blieben sie ihr nicht. Es war einfach zu viel.

Ihr war sehr schnell klargeworden, dass die meisten weder Ahnung hatten, wie sie mit Menschen umgehen mussten, noch wie man sich einer Frau gegenüber zu verhalten hatte.

Das Essen, das man ihr serviert hatte, war reichlich gewesen, aber ansonsten eher weniger gewürzt. Sie musste aber vermutlich schon froh sein, dass es gebraten gewesen war. Irgendwie hatte sie damit gerechnet, dass man ihr rohes Fleisch servierte. Immerhin war das die vorrangige Speise der Drachen. Hier war es genauso wie bei ihr zuhause.

Müde und ausgelaugt vom Tag, zog sie sich in ihr Zimmer zurück. Draußen war es bereits dunkel und so brauchte sie eine Kerze, um überhaupt zu sehen, wohin sie trat. Das Licht reichte leider nur, um einen kleinen Radius zu sehen, doch Seolan führte sie. Er brauchte keine Kerze, da er in der Dunkelheit ohne Probleme sehen konnte. So ging es den meisten Drachen.

„Kario geht es wieder gut. Er bedankt sich bei dir", sagte Seolan, als er ihr die Tür öffnete.

„Kario?", fragte Naoki müde. Der Name war heute schon einmal gefallen, doch sie brachte ihn nicht sofort mit den Drachen in Verbindung, den sie geheilt hatte. Dazu war sie einfach zu müde.

„Der Drache, den du geheilt hast", sagte Seolan schmunzelnd.

„Ah", murmelte Naoki und gähnte dann. Der Tag hatte seine Spuren an ihr hinterlassen.

„Sollte etwas sein ... die meisten von uns schlafen nicht", erklärte Seolan unschlüssig, was er nun tun sollte.

„Danke", nuschelte Naoki, die auf das Bett zuging und die Kerze auf den Nachtschrank stellte. Kurz überlegte sie, bevor sie sich einfach bis aufs Unterkleid auszog. Dass Seolan sie beobachtete, störte sie kaum. Da es dunkel war, konnte sie sich einreden, dass er nichts sah.

Naoki war generell sehr gut darin, sich Dinge einzureden.

„Danke für alles", sagte sie, bevor sie unter die Decke schlüpfte und die Kerze ausblies.

Sie rechnete damit, sehr schnell einzuschlafen, da ihr Körper wirklich erschöpft war, doch das geschah nicht.

Stattdessen lag sie minutenlang im Bett und hielt die Augen geschlossen, während sie lauschte.

Alles klang so anders. Das Bett fühlte sich nicht gewohnt an. Es roch sogar anders.

Plötzlich, so eingehüllt in Dunkelheit, konnte Naoki nur noch daran denken, was anders war.

Heimweh kam in ihr auf und trieb ihr die Tränen in die Augen. Jetzt, wo sie nicht mehr um ihr Leben fürchten musste oder sich ablenken konnte, stürzte alles auf sie ein.

Wie war es nur soweit gekommen, dass sie in einer Nacht ihre gesamte Familie und ihre Heimat verloren hatte?

Naoki rollte sich unter der Bettdecke zusammen und begann leise zu schluchzen. Sie würde ihre Mutter und vermutlich auch ihre Heimat nie wiedersehen. Es tat so weh, dass sie instinktiv Heilmagie in sich selbst leitete, weil sie glaubte, eine Verletzung zu haben. Aber seelische Wunden konnte sie nicht heilen. Sie war dem Schmerz ausgeliefert und wusste nicht, was sie tun sollte. Immer wieder dachte sie an ihre sanfte, liebenswürdige Mutter und wünschte sich, sie wäre hier, um Naoki in den Arm zu nehmen.

Die Drachen von AskanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt