Zellenwahnsinn und regulärer Wahnsinn

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           Nahkampftraining alleine war langweilig, aber Adriel war nichts, wenn nicht stur. Er stand mit einem Fuß auf dem Aufstieg, eine Hand bereits gegen die Luke gepresst und sah auf Ana runter, als könne er nicht glauben, wozu sein Leben in den letzten Wochen gekommen war.

„Ich meine es ernst, ich kann heute nicht", wiederholte er so ruhig, als könne er allein mit seiner Stimme die Diskussion beenden.

Ana, die den Teller voll Suppe hielt, die er ihr eigentlich nur hatte bringen wollen, stellte diese vorsichtig auf dem Tisch ab, damit sie besser die Arme verschränkten konnte.
„Wir sind auf einem Schiff. Mitten im Meer. Was kann plötzlich dazwischengekommen sein?" Demonstrativ zog sie die Augenbrauen hoch.

Sie hätte es niemals zugegeben, aber sie brauchte dieses Training. Es forderte ihre ganze Konzentration und ließ keinen Platz für ungebetene Erinnerungen oder Bilder. Es gab ihr das Gefühl weniger schutzlos zu sein. Fähiger. Und sie wollte um jeden Preis daran festhalten.

Vor ihr ahmte Adriel ihren Gesichtsausdruck nach, deutlich weniger frech und eher wie jemand, der milde amüsiert von dem Theater anderer war.
„Ich habe noch andere Aufgaben. Verpflichtungen meinem Land gegenüber, die ich zuletzt vernachlässigt habe, um trotzigen kleinen Mädchen die Grundlagen der Selbstverteidigung beizubringen."

„Aufgaben, die eigentlich deinem Bruder übertragen worden sind?" Ana legte den Kopf schief, doch ihr Tonfall wurde ein klein wenig milder. Kellen war stets ein gefährliches Thema mit Adriel. Etwas, was er nicht diskutieren wollte, auch wenn er mal gute Laune hatte.

Jetzt schüttelte er nur den Kopf und wandte sich wieder zum Gehen. „Es ändert nichts an der Tatsache."

Er schaffte es zwei Stufen hinauf und Ana hätte ihn fast zurückgehalten. Hätte fast die Hand nach ihm ausgestreckt, doch sie fing sich. Erinnerte sich, mit wem sie da sprach.
„Dann lass mir wenigstens einen Dolch hier. Ich kann die Manöver alleine üben."

Es war besser als nichts. Besser als hier unten zu sitzen und innerlich zu beten, dass sie keinen Traum haben würde. Dass sie einfach nur schlafen könne und nicht morgens Adriel hundert unangenehme Fragen beantworten musste.

Leider wusste Adriel wie ungern sie schlief und wie viele Wege sie drum herum suchte. Demonstrativ langsam drehte er seinen Kopf in ihre Richtung und sandte ihr einen sehr sehr langen Blick, der die Diskussion nun wirklich beendete.
„Iss auf und dann leg dich schlafen."

Und damit ließ er sie alleine. Die Luke fiel ins Schloss und oben wurde ein Schlüssel umgedreht, dessen Zwilling in Anas Koje im späten Abendlicht golden schimmerte.
Sie sah ihn lange an. Es wäre nur ein kleiner Trip. Ein Ausflug, von dem Adriel nichts erfahren musste.

„Nur fürs Protokoll, das keiner führt: Ich bin weder trotzig noch ein Kind", erklärte sie dem Raum und setzte sich zum Essen. Sie hatte vielleicht nicht die weiblichste Figur, aber sie war 17.

Und weil Schlafen überbewertet wurde, fand Ana sich wenige Stunden später auf einem Gang wieder, auf dem sie nichts verloren hatte.

Von ihrer Kajüte aus hatte sie nicht erwartet, dass das Schiff so groß sein würde. Die Luke und ihre Treppe führten nicht an Deck, wie sie ursprünglich angenommen hatte- sondern in einen Gang unter Deck.

Öllampen spendeten ihr warmes Licht, während sie die unterschiedlichen Türen inspizierte. Nasse Fußspuren führten zu einer weiteren Treppe nach oben, um die sie lieber einen großen Bogen machte. Hier unten hörte sie nur das Rauschen der Wellen, das gleichmäßige Knarzen der Planken und hin und wieder den Schlüssel von Sir Ranwic in ihrer Hand klirren.

The Demon Stone - Der Weltenwandler IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt