Ein Ex für keine Fälle

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Valerie

„Und ihr spielt morgen also zusammen Tennis? So so." 

Kyra tupfte sich noch mehr Lidschatten aus ihrer neuen Lidschattenpalette auf das Augenlid. Dann betrachtete sie sich in dem kleinen Spiegel, der auf meinem Schreibtisch stand. 

„Was soll denn dieses 'So so' schon wieder? Es ist nur Tennis und danach sehe ich ihn hoffentlich nie wieder!", erklärte ich und sortierte meine frisch gewaschene Kleidung in den Kleiderschrank ein. Eigentlich genoss ich es mit Kyra einfach abzuhängen. Jeder ging seinen eigenen Sachen nach, aber man hatte jemanden zum Quatschen. Doch wenn Kyra weiter solche Andeutungen machte...

„Wenn du ihn wirklich so sehr nicht magst, wie du es immer behauptest, warum hast du dann nicht einfach Nein gesagt?", erwiderte Kyra und drehte sich mir zu. 

Ich verdrehte die Augen. „Das habe ich dir doch schon tausendmal erklärt! Weil Shirin ihn so toll findet!". 

„Steht die nicht auf diesen Tom oder so? Diesen komischen Typen?" 

„Ja! Aber Joschka hat es ihr wohl auch etwas angetan. Total unverständlich, oder?" 

Kyra war zu ihrem anderen Auge übergangen, schminkte sich dieses jedoch in einem knalligen Orange. „Ja, total unverständlich", murmelte sie sarkastisch und schüttelte dann den Kopf. 

Ich hörte auf meine Klamotten einzusortieren und setzte mich neben sie an meine Bettkante. „Du findest ihn also auch so toll?", fragte ich sie erschrocken. 

Sie zuckte mit den Schultern. „Nun ja...toll würde ich jetzt nicht sagen. Er ist schließlich nicht Jakob. Aber wenn man alle Karten auf den Tisch legt, ist er objektiv gesehen, ein guter Fang." 

„Bitte was?" 

„Er ist gutaussehend. Allein seine Haare sind eine 10 von 10. Er studiert Medizin, also hat er später gute Berufschancen. Er ist vielseitig interessiert, macht viel Sport, ist fürsorglich und lustig." 

„Fürsorglich und lustig? Wo hast du denn das ausgegraben?" 

„Fürsorglich alleine deshalb, weil er dich nicht ausgenutzt hat in einer Situation in der du vollkommen ausgeknockt warst und dir sogar anschließend deine geliebte Jeansjacke wiedergegeben hat. Und lustig...würdest du ihn auch häufiger sehen, wüsstest du das." 

„Was liegt dir daran, andauernd etwas mit Joschka und mir machen zu wollen mit Jakob? Du hast auch so genug Gründe ihn zu sehen!" Ich legte mich aufs Bett und beobachtete Kyra weiter dabei, wie sie ihr Make-Up machte. Jetzt war ein neuer Lippenstift dran. Er war  in einem knalligen Lila. 

„Wie zum Beispiel der geile Sex? Er ist wirklich soo gut im Bett! Und was er mit seinen Händen macht..." 

Schnell hielt ich mir die Ohren zu. Ich hatte kein grundsätzliches Problem mit Sex und ich hatte mir schon oft die Sexgeschichten von Kyra angehört, doch in den meisten Fällen kannte ich ihre Sexpartner nicht. Bei Jakob war es anders. Und ich konnte ihm ganz sicher nicht mehr gegenüber treten, wenn ich wüsste, was er mit seinen Händen macht. 

Kyra stand auf und schob mir die Hände von den Ohren. „Nichtsdestotrotz mache ich auch gerne etwas mit dir und Jakob gerne etwas mit Joschka und es ist doch toll wenn man das verbinden kann, oder nicht?" 

„Ja schon, aber ihr beide seid eh nur irgendwo am Rummachen. Und weißt du, was ich dann mit Joschka machen muss? Richtig! Mich unterhalten! Kann man sich was schlimmeres vorstellen?" Ich sah sie gespielt schockiert an. Doch sie schüttelte nur verständnislos den Kopf. 

„Miss Ich verdränge alles, darf ich dich daran erinnern, dass Milan und ich auch immer das dritte Rad am Wagen waren, wenn Tim da war und ihr euch rumgeleckt habt!" Ich verzog angeekelt das Gesicht. An diese Zeiten wollte ich mich ganz sicher nicht zurück erinnern. Damals war ich eine andere Person gewesen. 

„Aber gerade deswegen müsstest du doch wissen, wie schlimm das ist. Mir käme es gut gelegen, wenn ich so wenig Zeit wie möglich mit ihm verbringen müsste." 

„Ja ja. Ihr werdet euch noch aneinander gewöhnen. Und ich sage auch nicht, dass ihr miteinander im Bett landen müsst. Aber es ist doch nett, neue Freunde zu finden oder nicht?"

 „Sagt die Extrovertierte zur Introvertierten!" 

Kyra streckte mir die Zunge heraus. Dann piepte ihr Handy. Ich konnte es gar nicht leiden, wenn Menschen andauernd ihr Handy auf laut hatten, doch bei Kyra drückte ich ein Auge zu. 

„Oh. Mein. Gott!", Kyra schlug ihre Hände vor ihrem Gesicht zusammen. 

„Was ist los?", fragte ich interessiert. 

Schnell legte sie ihr Handy weg. „Nichts. War nichts Wichtiges." 

Jetzt wurde ich argwöhnisch. „Wenn es nichts Wichtiges war, warum sagst du es mir nicht einfach? Hat dir Jakob ein Dickpick geschickt?" 

„Ha ha. I wish. Versprichst du mir, nichts auszurasten, wenn ich es dir zeige?" 

Ich sah sie verwirrt an. Was konnte denn so schlimm sein? „Ich verspreche es", erklärte ich und wir beide wussten, dass ich hier gar nichts versprechen konnte. Kyra hob ihr Handy hoch, klickte etwas an und zeigte mir dann ihren Bildschirm. 

„Er muss wohl vergessen haben, mich aus der engen Freundesliste bei Instagram rauszunehmen", erklärte sie, während ich das Bild ansah. Zuerst konnte ich gar nicht begreifen, was ich sah. Auf dem Bild war Tim zu sehen, ihn würde ich überall erkennen, und er küsste ein Mädchen. Das Mädchen, mit welchem er mich betrogen hatte. Doch das war tatsächlich nicht das schlimme. Auch wenn es natürlich trotzdem wehtat. Nein, das schlimme war, dass er darüber geschrieben hatte „Drei Monate mit dir Baby <3", ich aber erst vor zwei Wochen Schluss gemacht hatte. Was für eine Scheiße?! Kyra und ich sahen uns an. Während sie mich jedoch eher mitleidig ansah, kochte ich vor Wut. 

„Ich nehme an, dass hatte er dir bei eurem Gespräch nicht gesagt?", fragte mich Kyra vorsichtig. 

„Nein, das muss Tim wohl vergessen haben! So ein ARSCHLOCH! Und er meinte noch, dass das eine einmalige Sache gewesen war und er unbedingt mit mir zusammenbleiben wollte. So ein HEUCHLER! Ich fass es nicht!" Wütend schmiss ich ein Kissen in die entgegengesetzte Ecke des Raumes. Kyra tätschelte mir den Rücken. 

„Sieht sie wirklich so viel besser aus als ich?", ich sah mir das Foto erneut an. 

„Was? Nein! Eine Tonne Make-Up, Fake Lashes und die Brüste sind doch gemacht!", entgegnete sie bekräftigend. Ich zoomte an die Brüste heran. Tim hatte mir selber einmal nahegelegt, mir die Brüste machen zu lassen. Desto größer- desto besser war seine Devise. Dabei hatte ich schon ein D-Körbchen! 

„So", Kyra riss mir das Handy aus der Hand, „Ich entfolge ihm jetzt. Hätte ich ehrlicherweise schon längst machen soll. Ist doch egal, was er macht. Du bist ohne ihn weitaus besser dran!"

 „Das musst du mir erst beweisen, denn bis jetzt habe ich noch nicht das Gefühl, dass es so viel besser läuft." 

Kyra machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach papperlapapp. Wir müssen einfach mehr feiern gehen. So einfach." Und damit war für Kyra die Diskussion beendet. Wenn es nur auch für mich so einfach wäre...

The One-Night StandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt