Kapitel 17

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Als ich in der Empfangshalle stand und zum Aufzug lief, sahen mich die Angestellten alle mit einem seltsamen Blick an. Vielleicht waren sie besorgt. Ich reagierte jedenfalls nicht darauf, sondern stellte mich in den Fahrstuhl, der sich mit einem leisen "Ding" schloss und mich in das Stockwerk meines Zimmers beförderte. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, Friday meine Ankunft ankündigen zu lassen, doch warum sollte ich das tun? Ich wollte jetzt mit niemandem sprechen und ein tapferes Lächeln aufsetzen und lügen, dass alles prima war und sie sich keine Sorgen machen mussten. Ich wollte aber auch niemandem von den gestrigen Ereignissen erzählen müssen. Also ließ ich es bleiben und fuhr einfach still nach oben. Aber bei meinem Pech stieg kurz vor meinem Ziel natürlich Dad in den Aufzug. 

Er sah furchtbar müde aus, seine Augen waren eingesunken und leer. Doch als er mich sah, stieß er ein erleichtertes Seufzen aus und schloss mich in seine Arme. "Yara! Dem Himmel sei Dank, dir geht es gut! Ich dachte schon, dir ist was passiert!" Na großartig. Ich lächelte gezwungen und murmelte bloß: "Alles okay, Dad." "Wo warst du denn? Tony und Steve hatten schon Sorge, dass du entführt worden sein könntest... Wo ist Loki?" Natürlich kam diese Frage. Ich hasste es, Dad anzulügen, weshalb ich kleinlaut meinte: "Ich weiß es nicht. Hör zu, Dad, das sollten vielleicht nicht sofort alle wissen, aber... wir waren zusammen unterwegs, ein bisschen feiern und so." Wir stiegen aus dem Fahrstuhl und liefen zu meinem Zimmer. "Was habt ihr bitte gemacht?", hakte er mit einem vollkommen verwirrten Blick auf das Blut nach, als würde er das schlimmste befürchten. Ich hielt es für die beste Entscheidung, die Details so vage wie möglich zu halten, weshalb meine Antwort lautete: "Alles gut, Dad, keine Sorge. Technisch gesehen bin ich nüchtern, noch am Leben, Single und Jungfrau, es gibt also keinen Grund zu Beunruhigung" Dann öffnete ich meine Zimmertür, huschte hindurch und ergänzte zum Abschied: "Ich brauche jetzt aber etwas Ruhe. Und Schlaf. Und ein heißes Bad. Nicht zwingend in dieser Reihenfolge, aber egal. Bitte sag niemandem, dass ich da bin, ich will nicht gestört werden." 

Dann knallte ich die Tür vielleicht etwas zu stark zu.

Wow.

Ich war beeindruckt, wie gefasst ich geblieben war. Ich sollte Schauspielerin werden. 

Ich lehnte mit dem Rücken an der Badezimmertür, während warmes Wasser in die große Wanne strömte. Jetzt erst ließ ich es zu, dass sämtliche Gedanken und Fragen meinen Kopf fluteten. Ich war gestern fast gestorben. Die Wunde, die das Messer erzeugt hatte, hatte sich nicht durch meine Kräfte geschlossen. Loki hatte sich bestimmt hundert Mal den Arm aufgeschnitten, um mir das Leben zu retten. Es hatte bestimmt mehrere Stunden gedauert, bis ich außer Gefahr gewesen war. Wir hätten fast miteinander geschlafen, ich hätte mich fast von ihm entjungfern lassen. Doch dann hat er mir das Herz gebrochen, als ich ihm gesagt hatte, dass ich ihn liebte. Er hatte nichts darauf erwidert, hatte einfach geschwiegen. Es hatte so weh getan. 

Warum hatte ich mich nicht selbst heilen können? Wie hatten sie uns überhaupt gefunden? 

Warum hat es Loki so aus dem Konzept gebracht, dass ich ihm etwas gesagt hatte, dass er schon längst hätte wissen müssen? War es denn nicht offensichtlich gewesen, dass ich ihn liebte? Ich hatte ihm mein Leben anvertraut, ihn mich fast umbringen lassen, hatte ihm all das vergeben. Er hatte gesagt, dass er mir die Welt versprechen würde und das er mich zur glücklichsten Frau des Universums machen würde, wenn ich ihn lassen würde. Warum konnte er mir dann nicht sagen dass er mich auch liebte? Und er hat es gestern Nacht auch getan. Was er gestern mit mir gemacht hatte, hatte sich so gut angefühlt... Vielleicht liebte er mich ja auch gar nicht. Vielleicht waren all diese Dinge nur leere Worte gewesen, um mich ins Bett zu bekommen. Aber warum hatte er es dann nicht durchgezogen? 

Ich glitt in das schaumüberzogene Badewasser. Dieser Typ war mal wieder ein einziges Rätsel für mich. Ich löste den Pferdeschwanz und tauchte mit dem Kopf unter Wasser. Einen kurzen Moment fragte ich mich, ob ich als Mensch ertrinken könnte, doch ich kam schnell zu dem Schluss, dass ich weitaus wichtigere Fragen zu klären hatte. Zum Beispiel die, was das zwischen Loki und mir jetzt eigentlich war und was es werden sollte. 

Beautiful Mistakes (Loki ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt