Kapitel 5

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Es war mein dritter Tag zu Hause und meine erste Nacht seit einer Woche, in der ich durchgeschlafen hatte. Ich hatte mein Schlafdefizit so ausgiebig nachgeholt, dass ich zwölf Stunden am Stück durchgeschlafen hatte. In der Nacht zuvor hatte meine Mutter versucht, mich mit fünf verschiedenen Beruhigungsmitteln zum Einschlafen zu bringen. Nachdem ich am darauffolgenden Tag nichts außer einer Scheibe Toast mit Butter zu mir genommen hatte, war ich um sechs Uhr Nachmittag endlich in einen tiefen Schlaf gefallen. Heute war ich um sechs Uhr früh aufgewacht und mit knurrendem Magen hinunter in die Küche gestolpert, um mir ein vierstöckiges Sandwich bestrichen mit Schokocreme und Erdnussbutter zu machen. Danach war ich hinaus in den Garten gegangen und hatte Nikita aus seiner schief zusammengezimmerten Hundehütte gelassen, um mit seinem Kopf in meinem Schoß den Sonnenaufgang zu beobachten. Ich hatte die Hälfte des gestrigen Tages damit verbracht, ihm ins Fell zu heulen, für seine Geduld hatte er es verdient, endlich hinter den Ohren gekrault zu werden, während die Morgensonne auf uns schien. Ich sah zu, wie die goldene Kugel langsam hinter den Bergen hervorkam und zum ersten Mal seit langem fühlte ich wieder so etwas wie Frieden in dieser Welt. Nikita räkelte sich in meinem Schoß und erinnerte mich daran, dass doch nicht alles schlecht war im Leben. Ich blieb so lange im Gras sitzen, bis ich hörte, wie jemand die Tür hinter mir öffnete, die von unserem Wohnzimmer direkt in den Hintergarten führte. Nikita sprang sofort auf und begann zu bellen, als er seinen Papi witterte. Dad kam mit Timmi im Schlepptau in den Garten.

»Da bist du ja!«, rief mein Bruder erleichtert und lief auf mich zu.

»Timmi hat sich Sorgen um dich gemacht.«, erklärte Dad. »Als er bemerkt hat, dass du nicht in deinem Bett bist, hat er sofort an meine Tür gehämmert.«

»Ich bin in die Küche gegangen.«, erklärte ich meinem Bruder lachend.

»Das wusste ich dich nicht.«, entgegnete Timmi und legte mir die Hände auf die Schultern. »Du bist verrückt, du könntest überall hingegangen sein.«

»Ich weiß.«, seufzte ich und richtete mich ächzend auf. Es war schockierend, wie schwach ich geworden war, zu meinen fittesten Zeiten hatte ich mein eignes Gewicht an einer Hantel stemmen können.

»Willst du frühstücken?«, fragte Dad.

»Ich habe schon gefrühstückt.«, antwortete ich ihm.

»Du brauchst ein zweites Frühstück.«, beschloss mein Vater. Timmi und ich folgten ihm in die Küche -natürlich folgte uns auch Nikita- und er stellte alles auf den Esstisch, was er im Kühlschrank und in den Küchenschränken finden konnte. Timmi öffnete währenddessen die gelben Vorhänge vor den Fenstern in unserer Küche, damit das Licht der Morgensonne die Küche erfüllen konnte. Wir hatten eine geräumige, in warmen Farben gehaltene Küche mit hölzernen Schränken, die noch aus den sechziger Jahren stammten. Ich setzte mich auf eins der orangefarbenen Kissen auf unserer Eckbank. Vor mir auf dem Tisch lagen eine halbe Packung Toast, drei verschiedene Packungen Cornflakes, zwei Sorten Käse, Frischkäse, Schokocreme, Erdnussbutter, Vollkornbrot und obwohl Dad wusste, dass ich kein Fleisch aß, hatte er mir sogar Schinken auf den Tisch gelegt. Nachdem er alle Schränke ausgeräumt hatte, begann er, den Tisch zu decken. Er legte jeweils fünf Teller, Schüsseln, Gabeln und Löffeln in verschiedenen Farben und Formen auf den Tisch. Worte wie Ästhetik oder Symmetrie gehörten nicht zum Wortschatz meines Vaters, er stellte die Teller und Schüsseln dorthin, wo sie gerade Platz hatten, die Gabeln legte er auf die Teller und die Löffel in die Schüsseln. Gerade als ich froh war, dass Mum diese Unordnung nicht mit ansehen musste, hörte ich ihre Stimme hinter mir:

»Jason, was zum Teufel machst du da?« Sie hatte sich mit beiden Händen an den Kopf gefasst und betrat barfuß und im Schlafanzug die Küche.

»Ich habe Frühstück für Lia vorbereitet.«, erklärte Dad trocken.

American Aspie (2021)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt