Es war noch dunkel aber die Vögel zwitscherten bereits, als ich meine Reitklamotten anzog und hinaus ins freie schlich, daran bedacht, dass keiner mich hörte.
Hinter den Türen der anderen Zimmer war es noch still, was keinem Wunder glich, da eigentlich noch Flügelruhe herrschte aber ich brauchte Zeit zum denken - Zeit für mich allein, die ich hier anscheinend wohl nur selten bekommen würde.
In geduckter Haltung schlich ich am Stallgebäude entlang in Richtung Wald und knipste als ich außer Reichweite des Schlosses war die Taschenlampe an, die ich in meinem Koffer gefunden hatte.
Die Blätter der Bäume raschelten unruhig im Wind und ich schlang fröstelnd die Arme um meinen Körper. Vielleicht wäre es wirklich besser gewesen, wenn ich statt meines dünnen Hoodies eine dickere Jacke angezogen hätte.
Ohne weiter nach zu denken bog ich die Zweige eines Busches auseinander und ging weiter - wohin, wusste ich nicht genau aber wenn ich die Richtung beibehielt, würde ich zum See kommen.
Die Taschenlampe auf den Boden gerichtet drehte ich mich im Gehen um die eigene Achse.
Es war lauter geworden. Die Nachtigall war nicht mehr zuhören, dafür stimmten andere Vogelarten ihr Frühkonzert an.
Nach einer Weile, in der ich zügig über den Waldboden gelaufen war lichtete sich das dichte Unterholz und gab eine Lichtung frei.
Den Blick nach vorn gerichtet stapfte ich durch das Gras, dass immer höher zu werden schien und stand schließlich vor einer gut ein halb Meter hohen Schilfwand.
Vorsichtig kletterte ich durch die stabilen Halme und trat einen Schritt näher heran.
Vor mir glänzte das Wasser des berüchtigten Sees. Es spiegelte den dunklen Himmel wieder, doch wenn ich genau hinsah konnte ich den Grund erkennen. Ein paar kleine Fische sausten über den bunten Kies und eine dicke grüne Kröte saß knapp einen Meter neben mir. Sie schaute mich aus großen Augen an und ihr entwich ein lautes Quarken, bevor sie zurück ins Wasser sprang. Ich blickte zum anderen Ufer. Wie schön wäre es, jetzt schwimmen zu gehen. Doch leider hatte ich weder einen Badeanzug dabei, noch Lust, jeglicher Art zu erfrieren.
Auf einmal hörte ich die glatte Wasseroberfläche brechen. Erschrocken wich ich ein paar Schritte zurück. Ein dunkel Braunes Pferd wartete schnell vom Ufer in den See hinein - auf seinem Rücken ein Reiter, der vielleicht ein oder zwei Jahre älter als ich zu sein schien.
Er hatte dunkelbraunes gelocktes Haar, dass ihm nass in die Stirn viel. Ich konnte meine Augen nicht von ihm abwenden, selbst wenn ich es gewollt hätte. Aber wollte ich?
Ich ging noch einen Schritt zurück und spielte mit dem Gedanken mich einfach um zudrehen und los zulaufen, doch das würde keinen Sinn machen, denn der durchdringende Blick des Jungen deutete daraufhin, dass dieser mich schon längst entdeckt hatte.
Er ließ sich vom Rücken seines Pferdes gleiten und stand nun ungefähr bis zur Brust im
Wasser. Mit schief gelegtem Kopf schaute in meine Richtung. »Was machst du hier?«, es klang wie ein Vorwurf. Wahrscheinlich wäre es wirklich bessere gewesen, einfach wieder zurück zum Internat zu laufen und sich noch mal ins Bett zu legen.
Die bessere Idee wäre es auf jeden Fall gewesen, hätte man der Junge mich vorher nur nicht bemerkt.
»Das gleiche könnte ich dich auch fragen. Es ist Flügelzeit. Außerdem wirst du erfrieren«, sagte ich und hätte mir zwei Sekunden später eine Ohrfeige geben können. Ich biss mir auf die Lippe um nicht noch mehr zu sagen, was ich später bereuen würde und schielte zu dem Pferd hinüber. Es war hübsch, hatte dunkelbraunes Fell, große Augen und einen weißen Keilstern auf der Stirn. Der Körperbau des Pferdes ließ darauf schließen, dass es eine Stute war.
Der Junge lachte amüsiert und strich sich die nassen Haare aus der Stirn.
»Das denke ich nicht - das Wasser ist gar nicht so kalt wie du denkst«, er legte wieder den Kopf schief. Wie sexy konnte man bitte sein? Aber natürlich hatte er meine Fragen ignoriert und nur die letzte beantwortet.
»Es ist Flügelzeit«, wiederholte ich.
»Tja, da wir einander gesehen haben gibt es wohl nur zwei Optionen. Entweder wir verpfeifen uns Gegenseitig, was wohl wie bemerkt nicht gerade so von Vorteil wäre, oder du gehst auch eine Runde schwimmen. Es macht Spaß«
Spaß? Im kalten Wasser? Ich sollte mit einem Fremden, und dazu noch einem Jungen Mann schwimmen gehen? Wie absurd war das denn bitte? Wir hatten gerade mal ein paar Worte gewechselt - Schade eigentlich.
Ich schüttelte über mich selbst den Kopf. Das konnte ich nicht bringen. Ebenso wenig konnte ich es mir leisten, mich jetzt zu erkälten oder direkt am ersten Tag von der Schule zu fliegen weil ich eine Regel gebrochen hatte.
»Äh, nein« Mist. Eigentlich sollte es selbstbewusst klingen aber meine Stimme zitterte leicht vor Unsicherheit. Hoffentlich bekam man von meinen Gedankengängen nicht sonderlich viel mit.
Der Junge rollte mit den Augen. »Denkst du ich würde dich kidnappen? Da liegst du falsch. Außerdem würde ich dann wohl von der Schule fliegen«
»Und wieso solltest du es nicht riskieren?« Warum ich so skeptisch gegenüber Jungen war, wusste ich selbst nicht. Das war eigentlich schon immer so gewesen - zum Mindestens meistens.
»Das würde ich schon nicht tun, keine Sorge«
»Ist ja auch egal, denn ich habe eh noch was vor«, winkte ich ab.
»Kein guter Grund um zu verschwinden« der Junge lachte und sein Grinsen brachte mich
beinahe um den Verstand. Auch wenn ich es nicht zugeben wollte, ich war gerade auf dem besten Weg mich hemmungslos zu verknallen.
»Ich will nicht nass werden weil ich noch was vor habe«, korrigierte ich mich zögernd.
»Dann nimm mein Pferd«, der Junge schaute mich abwartend an.
Als ob mich das vor einer Erkältung dritten Grades schützen würde. Warum lies er nicht einfach von mir ab. Zugegeben, ich hätte mich auch einfach umdrehen und weggehen können aber irgendetwas an dem Jungen hielt mich davon ab. Ich mochte ihn - irgendwie. Aber was hieß das schon?
Bevor ich noch etwas erwidern konnte legte der Junge seiner Stute die Zügel über den Hals und gab ihr einen Klaps auf die Flanke.
Das Tier setzte sich in Bewegung und kam zu mir gewartet.
Was war an mir so besonders, dass er mich reiten lies, denn ich konnte mir sicher sein, dass er nicht jedes X- beliebige Mädchen sein Pferd reiten lies.
Ich seufzte. »Und du bist dir ganz sicher, dass ich mit dir und deiner Stute schwimmen darf?«
Darf. Das klang so schüchtern und verunsichert. Außerdem klang es so, als würde ich mich über die Gesellschaft des Jungen freuen. Aber das tat ich ja auch.
»Warum solltest du es nicht dürfen?«, der Junge schein kurz verwirrt, setzte dann aber wieder sein Grinsen auf. »Ich zwinge dich nicht«
»Das hörte sich gerade eben noch ganz anders an«, ich überlegte kurz, zog dann aber doch meine Schuhe aus und streifte den Hoodie ab. Ein Glück, dass ich ein T- Shirt darunter trug, sonst würde ich hier im im Hoodie, oder noch besser, im BH stehen.
Die vernünftige Stimme in meinem Kopf sagte mir, dass das hier alles überhaupt keine gute Idee war aber was hatte ich schon zu verlieren... außer einen Rauswurf und eine Erkältung.
Vorsichtig schwang ich mich auf den Rücken der Stute, nahm die Zügel auf und lenkte sie in Richtung Mitte des Sees.
Bei dem Jungen machte ich Halt. Er hatte vorhin gemeint, dass er der beste Reiter sei und das konnte eigentlich nur eines bedeuten.
»Kilian, oder?«, nervös drehte ich die Mähne der Stute ein.
»Sehr erfreut, Tayli«
Ich verdrehte die Augen. »Ich heiße nicht Tayli«
Kilian hob beruhigend die Hände. »Ich finde Tyler hört sich so männlich an« er presste die Lippen aufeinander um nicht laut loszulachen.
»Dann ist es ja gut, dass ich Taylor und nicht Tyler heiße«
»Ich finde Tayli schöner«, er schaute mich herausfordernd an.
Ich biss mir auf die Zunge und schluckte meinen Kommentar hinunter. Den Gefallen sich zu amüsieren in dem ich mich ärgerte wollte ich ihm nicht geben.
Ich ritt weiter und nach ein paar weiteren Metern fing die Stute an zu schwimmen.
Ich hielt mich an ihrer Mähne fest und zog scharf die Luft an. Das Wasser war kalt. Zwar nicht so eisig wie gedacht, aber dennoch kalt. Sehr kalt.
Es war ein komisches und vertrautes Gefühl zu gleich, mit einem Pferd zu schwimmen.
Ich blickte in den dunkelblauen Himmel. Es war deutlich heller geworden, doch der Mond spiegelte sich noch immer im Wasser wieder. Am Horizont färbte sich der Himmel bereits an einigen Stellen leuchtend orange.
Ich drückte meinen Körper an den der Stute und genoss den Ausblick und das kühle Nass auf meiner Haut.
Ich löste meine Hände aus der dunklen Mähne der Stute und lies meine Handgelenke im Wasser abkühlen.
Das Wasser ließ mich klar denken zu dem mein kleiner heimlicher Ausflug sich eh schon als kompliziert erwiesen hatte, obwohl er dies gar nicht hätte sein sollen. Aber wer rechnete auch schon damit, dass jemand am frühen Morgen mit seinem Pferd schwimmen ging.
Am anderen Ufer angekommen riss ich mich von meinen Gedanken los und kehrte zu Kilian zurück, der mich interessiert musterte.
Ich wusste nicht, ob ich mich wohl oder unwohl unter seinem Blick fühlen sollte.
»Wie heißt sie eigentlich?«, fragte ich als ich bei Kilian Halt machte und streichelte den nassen Hals seiner Stute.
»Sacre Fleur«, sagte er und berührte vorsichtig die Nase seiner Stute.
»Und deins?«
»Ich habe kein Pferd«, erwiderte ich.
Kilian schien verwundert. »Die Tochter von Profireitern hat kein eigenes Pferd?«
Er hatte es sicherlich nicht böse gemeint aber mich überkam eine leichte Zorneswelle.
»Ich reite momentan Rocky und Baywatch«, ich stieg ab. »Und wahrscheinlich kommen auch noch andere Schulpferde dazu. Und überhaupt, kennt meine Eltern hier jeder?«
Kilian überlegte doch bevor er etwas sagen konnte kam ich ihm zuvor.
»Ich glaube ich muss jetzt zurück«, ich bewegte mich langsam Richtung Ufer und betete innerlich, dass Kilian mir folgen würde. Die Luft war eisig und ich zitterte leicht.
»Warte ich komme mit«
Ich lächelte in mich hinein.
Kilian holte mich ein und wir liefen auf einer Höhe. Sacre Fleur lief tänzelnd neben ihm her. Es war offensichtlich, dass die Stute kein Schritt gehen wollte, doch Kilian ignorierte sein Pferd.
Ich schwieg und zählte innerlich die Sekunden, bis Kilian schließlich das Schweigen brach.
Er räusperte sich.
»Vielleicht hast du ja Lust morgen mit mir ausreiten zu gehen« es war eher eine Art von Feststellung als eine Frage.
Verwundert schaute ich ihn an. Fragte er mich wirklich ob ich Lust hätte? Ich könnte vor
Aufregung wahrscheinlich nicht mal schlafen.
Vorsichtig nickte ich. »Um wie viel Uhr hättest du denn Zeit«
Er schien erleichtert über meine Antwort denn er entspannte sich sichtlich. »Wie wäre es um vier?«
»Ja gerne«, ich lächelte. Kilian grinste schief und strich sich wieder durch seine Haare.
Ich biss mir auf die Lippe und schaute zu Boden.
Meine Wangen glühten vor Hitze und ich warf Kilian immer wieder kleine Seitenblicke zu.
Als sich unsere Blicke begegneten drehte ich schnell den Kopf weg.
Oh ja, ich war verknallt - aber sowas von!

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Reiten auf Ewig
RomanceDie 17- jährige Taylor hat nur eine Leidenschaft- Reiten. Um im Reitsport weiterzukommen muss sie an das internationale Reitinternat ihrer Tante und ihres Onkels. Dort begegnet sie Duplo, dem talentiertem Nachwuchspferd ihrer Tante und möchte dieses...