1800 | ZELVER DISTRIKT, KETTERDAM — Das ungute Gefühl in Misa's Magen hatte nichts mit der riskanten Höhe der Dächer zu tun. Sie versuchte, tief ein- und auszuatmen und sich stattdessen auf Kleinigkeiten zu konzentrieren, auf plötzlichen Trubel oder seltsames Verhalten, große Frachtwägen.
Im Gegensatz zum Barrel, liefen in dieser Gegend hin und wieder Kinder und Jugendliche umher, zumindest bei Tageslicht. Und trotzdem hörte man oft genug, von verschwundenen Personen im Zelver-Distrikt, die wohlwahrscheinlich niemals wieder auftauchen würden. Das Beste auf das man hoffen konnte war, dass sie sich nur für Lösegeld interessierten.
Von kleinauf bekamen viele Kinder hier beigebracht, dass man zu schreien und treten hat, selbst wenn Entführer sie versuchen zum Schweigen zu bringen, denn in den meisten Fällen war es ein besseres Schicksal auf der Stelle zu sterben, als was diese Leute mit einem vorhatten. Es machte Sinn, weshalb Menschen in Ketterdam von Natur aus misstrauisch waren und Vertrauensprobleme hatten.
Ein Großteil der Menschen hier waren arrogante Snobs und Schnösel, aber nichts im Vergleich zu den östlichen Stadtteilen. Misa hatte nur Zutritt zu den Dächern, weil die Hälfte von ihnen bereits einmal ihre Dienste benutzt hatten, weshalb sie etwas gut bei ihnen hatte. Aber selbst wenn sie es ihr verweigert hätten, Misa hatte noch viel mehr Wege, um ihren Willen zu bekommen, als eine einfache Bitte und das übliche Wimpern klimpern, dass bei jedem Dummkopf zog.
„Wo bist du nur, May?" flüsterte sie leise, die Hände auf ihren Hüften. Warum nur war sie von ihrem Zuhause weggerannt? Misa griff nach dem blumenförmigen Muschelanhänger, der an ihrem Hals hing und dann schloss sie ihre Augen, so wie sie es immer tat, wenn sie sich beruhigen musste. Aufgeben war keine Lösung.
Die kühle, salzige Brise aus dem Osten holte sie schließlich zurück aus ihren Gedanken und der Anhänger wurde wieder sicher unter ihrer Kleidung versteckt. Misa ging langsam auf die Kante des Daches zu, als sie ihre Ärmel hochkrempelte. Sie hielt sich am Rand fest und dann baumelte sie in der Luft, rechts von ihr war ein Fallrohr an dem sie hinunterklettern musste. Vorsichtig streckte sie eine Hand nach dem Rohr aus, dann musste sie einen kleinen Sprung machen.
Ihr Fuß rutschte ab und sie fiel mehrere Meter, bevor sie einen Halt zurückgewann. Ihr Schrei erstickte halb in ihrem Halse, ihre Handflächen brannten wie Feuer. Sie klammerte sich mit all ihrer Kraft an das Fallrohr, doch sie tat sich schwer einen nächsten Schritt zu wagen.
Misa war keine Spinne. Sie war weder gut im Klettern, noch im Verstecken spielen. Stattdessen hatte sie Leute, die für sie ihre Drecksarbeit erledigten. Und manchmal bezweifelte sie, dass sie den Barrel ohne ihre Kräfte überlebt hätte...
Ihr Herz hämmerte so Laut gegen ihre Brust, doch sobald sie leise Schritte über ihr hörte zwang sie sich zusammenzureißen: Nicht hinunterblicken, ein paar weitere Meter hinunterrutschen und dann zur Brüstung schwingen. Keinen Mucks mehr. Dann wartete Sie. Sie wartete auf einen Angriff, aber da war nichts. Hatte sie sich die Schritte vielleicht einfach nur eingebildet? Oder war es vielleicht nur eine Taube oder eine Maus gewesen? Das Gefühl, dass man sie verfolgte wollte sie dennoch nicht verlassen.
Sie hatte genug Leute am Hals, die von Ocean-Eyes Tod profitierten. Aber wer würde um Misa Mizuko trauern?
Die Zeit lief ihr davon. Sie musste weitersuchen.
Als Misa aus einer Seitengasse kam, da überquerte sie die kleine Brücke, die über dem Wasser schwebte. Sie folgte dem Strom des bläulichen Streifens, ihre Augen blieben in der Umgebung hängen.
„Papa! Papa, schau mal. Da, eine Ente." hörte Misa einen kleinen Jungen sagen, kurz bevor sie die Zentzbrücke erreichten. Das Kind und der ältere Mann überholten Misa in Eile. „Das ist nur ein olles Stück Papier. Komm schon, nicht trödeln. Du verpasst deine Klavierstunde." Der Junge zeigte auf die Stelle im Wasser, aber sein Vater nahm ihn an die Hand und zog ihn bereits mit sich.
Misa schwenkte den Kopf nach links und ihre Augen wurden groß. Es war kein zufälliges Stück Papier. Und es war auch keine Ente, sondern ein Orizuru, ein Papierkranich, den sie mit den Kindern – mit May – gebastelt hatte.
Sie kniete sich an den Rand des Kanals, nachdem sie sich sicher war, dass niemand sie beobachtete und dann hob sie eine Hand zum Wasser. Misa konzentrierte sich und beschwor eine Welle, die den Kranich direkt zu ihr brachte, sodass sie ihn nur noch mit ihrer freien Hand greifen musste.
May musste noch irgendwo in der Nähe sein...
Die kalten Wassertropfen liefen Misa's Arme hinunter, hinein in die Ärmel ihres blauen Mantels, aber sie rappelte sich einfach wieder hoch und kehrte um, um folgte dem Handelkanal zu folgen.
Wieviel Zeit war vergangen? Was, wenn sie einer komplett falschen Fährte nachjagte? Die Glocke der Barter-Kirche schlug so laut, das Misa beim sechsten Schlag ihre Ohren abreißen wollte. Es war fast schon ein wenig Bizarr, das die Kerch religiös waren. Aber auf der anderen Seite, beteten sie Ghezen an, einen Gott der nur für Industrie und Handel verehrt wurde. Auf einmal schienen die Heiligen der Ravka, um einiges plausibler zu klingen.
Der Zelver-Distrikt, der Regierungsbezirk oder der Geldin-Distrikt? Sie stand vor einer Gabelung und konnte sich nicht sofort entscheiden. Und der Nachhall der Glocke half nicht, bei dem Versuch Ruhe zu bewahren, ihre Atmung war ein völliges Durcheinander.
„Misa."
( AUTHORS NOTE! 🦋 ) —— Oh, oh... wer das wohl sein mag? 🤷🏻♀️ Was ein gemeiner Cliffhanger, aber ich bedanke mich hiermit für's Lesen von Kapitel 10 <3Frage: habt ihr außer Kaz, vielleicht noch einen weiteren Grishaverse Jungen, den ihr besonders gern habt oder interessant findet?
📝: Nikolai. Seit seinem ersten Auftritt in Siege & Storm war ich direkt Team Nikolai. (Wärt ihr interessiert an Fanfics zu ihm oder vielleicht anderen Charakteren?😊)
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𝐎𝐂𝐄𝐀𝐍 𝐄𝐘𝐄𝐒, kaz brekker
Fanfiction✧˚ · . 𝐎𝐂𝐄𝐀𝐍 𝐄𝐘𝐄𝐒┃» Du wirst mir nicht glauben, aber einst strahlten meine Augen nicht in diesem tiefen Blau. « In der eine Grisha mit Augen so blau wie der Ozean ihre Kräfte einsetzt, um anderen Hoffnung zu schenken, während sie selbst u...