3 | Der frühe Vogel

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Nach meiner unfreiwilligen Nacht auf dem Sofa freue ich mich am nächsten Morgen auf das leckere Frühstück, das Mary, die Haushaltshilfe, grade zubereitet. Obwohl sie diesem Titel eigentlich noch viele weitere hinzufügen müsste, denn seitdem Mr. Mackay mit seinen Gelenken und dem Husten zu kämpfen hat, macht sie quasi den ganzen Haushalt allein. Sie ist Gärtnerin, Köchin, Wäscherin, Pflegerin und hält das Haus in Schuss. Wahrscheinlich tut sie noch viel mehr, aber alleine das habe ich an diesem Morgen schon mitbekommen.

Sie ist schon um die fünfzig, aber noch ziemlich jugendlich in ihrer Art. Während sie das Frühstück zubereitet, wirbelt sie singend durch die Küche und wirft immer wieder ihre rot gefärbten Haare zurück, die ihr bis knapp über die Schultern reichen. Es fällt mir schwer, sie nicht sofort gern zu haben, denn sie verströmt eine positive Energie, die sehr ansteckend ist. Zu dritt mit Mackay Senior sitzen wir schließlich am Tisch und reden darüber, was wir an dem Tag noch vorhaben.

Da ich leider das Zimmer wechseln musste, schlägt Mackay Senior vor, dass ich die Begrüßung der Tiere um einen Tag verschieben und mich stattdessen um mein neues Zimmer kümmern soll. Er verspricht mir ein Bett und eine bequeme Matratze, zu organisieren, sowie alles weitere, was ich vielleicht gebrauchen könnte. Auch wenn ich heute gerne schon eine Runde über den Hof gedreht hätte, möchte ich doch so schnell wie möglich von der unbequemen Couch wieder herunter.

Nach dem zweiten Kaffee mache ich mich also wieder auf den Weg nach oben. Dort kommt mir ein verschlafener Roger entgegen. Seine Haare sind noch ungemacht und stehen in alle Richtungen von seinem Kopf ab.
„Na, auch schon wach?", kann ich mir die Frage nicht verkneifen.
„Ist nicht meine Zeit", kommt nur als Antwort und er drückt die Badezimmertür auf.
‚Na gut', denke ich, ‚etwas anderes habe ich auch gar nicht erwartet.' Wahrscheinlich ist diese Uhrzeit für ihn bereits früher als wann er sonst aufsteht.

Voller Elan mache ich mich derweil an die Arbeit. Der Werkzeugkasten des Alten ist gut ausgestattet und zuallererst bringe ich den Hebel am Fenster wieder an. Dabei bemerke ich, dass das bodentiefe Fenster eigentlich eine Tür ist. Als ich sie öffne, staune ich nicht schlecht. Was ich durch die stark verschmutzte Scheibe nicht habe sehen können, ist, dass sich dahinter ein kleiner Balkon befindet. Zögerlich teste ich mit dem Fuß, ob er mich auch trägt. Die Bretter haben schon bessere Zeiten gesehen, doch sie scheinen stabil zu sein. Ich bin zum Glück recht leicht und taste mich deshalb mutig bis zum Geländer vor, und sehe in die Ferne.

Eigentlich sollte ich Roger dafür danken, dass er mir dieses Zimmer aufgedrängt hat. Der Blick ist fantastisch. Vor mir erstreckt sich die Weite der Landschaft mit seinen Wiesen und einem kleinen Wäldchen. Dahinter sind die Hügel zu sehen, auf denen die Schafe grasen und auf einer kleinen Koppel sehe ich auch die Pferde und freue mich schon, Sunny bald vorstellen zu dürfen. Hier wird sie es sicher besser haben als in der Box im Reitstall des Rodeos.

„Geh vom Geländer weg", höre ich eine Stimme von der Tür. Ich rolle die Augen. Muss der Typ mir eigentlich jeden Spaß verderben? Ich tue so, als hätte ich ihn nicht gehört.
„Ian, geh vom Geländer weg!", wiederholt er etwas strenger. Er hat meinen Namen benutzt, also drehe ich mich um.
„Dieser Balkon ist das einzig schöne an dem Zimmer, in dem aus Gastgeber-Sicht eigentlich du schlafen solltest. Mr. Mackay Junior", schiebe ich hinterher.

„Okay, du hast recht. Aber bitte komm jetzt wieder ins Zimmer", sagt Roger und seine Stimme klingt dabei fast flehend. Jetzt wird mir ein wenig mulmig zumute. Langsam setze ich meinen Fuß wieder Richtung Tür. Ein Knacken unter meinem Schuh lässt Roger auf mich zustürmen und mich an meinem Arm ins Zimmer ziehen. Ich stolpere nach vorne und lande kurz mit meinem Gesicht an seiner nackten Brust, die grade aus der Dusche kommt und herrlich duftet. Einen winzigen Moment lang, scheint die Zeit still zu stehen.

Wie Mann einen Cowboy zähmtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt