F Ü N F Z E H N

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Ich entscheide mich dafür, Ofengemüse zuzubereiten. Das geht relativ einfach und macht satt. Außerdem schmeckt es wirklich fantastisch und ist gar nicht mal so ungesund, würde ich sagen. Der einzige Nachteil dabei ist, dass es ein Weilchen dauert.

Erst muss ich das Gemüse waschen, schneiden und dann marinieren. Anschließend kommt es auf ein Backblech und bleibt für etwa vierzig Minuten im Ofen. Silas fragt mich mehr als nur einmal, ob er mir helfen kann. Ich weise ihn jedes Mal darauf hin, dass er mir doch schon hilft. Danach arbeitet er schweigend weiter.

Irgendwann ist es schließlich soweit: das Essen ist fertig. Mein Magen gibt einen knurrenden Laut von sich, als ich das Gemüse vorsichtig heraushole und auf zwei Tellern anrichte. »Magst du auch Wein?«, rufe ich nach hinten, während ich Besteck aus der Schublade herauskrame. »Gern.«

»Gibt es einen bestimmten, den du magst? Ich habe trockenen Weiß- und Rotwein da, halbtrockenen Rosé...«

»Hast du zufällig einen Weinkeller, den du bisher vor mir verborgen gehalten hast?«

Ich lache und freue mich, dass Silas sich mittlerweile wohl genug in meiner Gegenwart fühlt, um Witze zu reißen. Ich schätze, das muss doch ein gutes Zeichen sein, nicht?

»Nein, aber ich hatte letztens Geburtstag, da gab's eine Menge Alkohol-Geschenke. Mehr, als ich trinken kann.«

»Ja, das kenne ich. Wenn die Leute nicht wissen, was sie einem schenken sollen, ist es meistens was alkoholisches.«

»Stimmt. Aber ich muss dazu sagen, dass viele von den Weinen nicht vom Discounter sind. Und dass die meisten sich gemerkt haben, dass ich eine Vorliebe für trockenen Wein habe, zeigt zumindest, dass sie sich Gedanken gemacht haben.«

Ich merke, dass es mir wirklich Spaß macht, mit Silas zu quatschen. Einfach nur über Belanglosigkeiten zu reden. Es ist nicht nur entspannend, sondern auch gleichzeitig aufregend. Ergibt das irgendeinen Sinn?

»Da hast du recht. Alles Gute nachträglich übrigens.«

»Danke, das ist lieb von dir. Jetzt komm, es gibt Essen!«, weise ich ihn an und winke ihn zu mir in den Essbereich. »Ich hoffe, du hast kein Problem mit Barhockern«, sage ich, als ich unsere Teller samt Besteck auf dem Tisch platziere. Kurz überlege ich, ob ich noch eine Kerze anzünden soll, doch ich komme zu dem Schluss, dass das wahrscheinlich etwas drüber wäre. Nicht, dass Silas noch scheu wird und davonläuft, weil er denkt, dass ich hier ein Rendezvous für uns nachstellen will.

Er hat ja vor ein paar Wochen sehr deutlich gemacht, dass er nicht in diese Richtung mit mir gehen will. Für mich ist das okay. Immerhin habe ich David, der mich glücklich macht und sehr wohl mit mir ausgehen will. Macht er dich denn wirklich glücklich?, ertönt auf einmal eine zweifelnde ganz leise Stimme in meinem Hinterkopf. Natürlich tut er das!, zische ich genervt zurück und blende den Fakt aus, dass ich mich gerade in meinem Kopf mit mir selbst unterhalte. Mit mir geht's wirklich bergab.

Silas setzt sich mir gegenüber und versichert mir, dass er keine Probleme mit Barhockern hat.

»Gut, dann passt es ja. Die Frage ist nämlich berechtigt, weil ich schon die ein oder andere Person hier hatte, der dann fast schwindelig geworden ist. Meistens sind das dann auch Leute gewesen, die entweder seekrank waren oder unter Höhenangst litten. Keine Ahnung, ob es da eine Verbindung gibt.«

»Verrückt. Aber irgendwie kann ich es sogar ein bisschen nachvollziehen.«

Ich zucke lächelnd die Schultern und greife zu meinem Weinglas. Letztlich habe ich mich für den trockenen Weißwein entschieden. Silas hebt sein Glas ebenfalls an, begutachtet es jedoch kurz, bevor er mit mir anstößt.

»Auf... meinen Computer? Und dass er wieder gesund wird?«

Silas lacht und ein Gefühl des Triumphes strömt warm durch meine Adern, da ich ihn wieder zum Lachen bringen konnte.

»Das klingt doch gut.«

Wir nehmen einen Schluck und Silas hellbraune, karamellfarbene Augen sind zu kleinen Schlitzen verengt. Er schmatzt leicht, als würde er den Wein kosten und einschätzen wollen. »Ich könnte jetzt so tun, als würde ich mich mit Wein auskennen, aber das wäre eine Lüge. Ich habe absolut keine Ahnung von dem Zeug. Er ist jedenfalls sehr lecker, das kann ich sagen.«

Ich grinse. »Sehr schön, das freut mich.«

»Und diese Gläser finde ich auch fantastisch.«

Ich lache. »Fantastisch gleich?« Er nickt bekräftigend, ohne mir in die Augen zu sehen. »Ja, tatsächlich.« Er beugt sich nach vorne und hält das rosa Glas in Form eines Maiglöckchens mit den bunten Feen- und Blätter-Applikationen aus Glas ins Deckenlicht. »Gefällt mir.«

»Danke. Eigentlich waren die ein Social-Media-Impulskauf. Ich habe die bei einer Influencerin gesehen und dachte, ich muss die unbedingt haben. Sind handgefertigt und waren schweineteuer.«

»Das denke ich mir. Hat sich auf jeden Fall gelohnt.« Mit einem ironischen Zug um den Mund prostet er mir zu und nimmt einen Schluck. Ich kann nicht aufhören, dabei auf seinen Adamsapfel zur starren, der sich auf und ab bewegt, während er trinkt. Mit heißen Wangen reiße ich mich von dem Anblick los.

»Wie sieht es eigentlich mit meinem Rechner aus? Ist er noch zu retten?«, wechsle ich das Thema. Er wiegelt den Kopf. »Schwer zu sagen. Leider habe ich immer noch nicht ganz rausfinden können, wo das Problem liegt, deswegen kann ich es dir nicht sicher sagen. Aber ich versuche mein bestes.« Er deutet mit seiner Gabel auf den Teller vor sich. »Danke für deine Mühe, übrigens. Schmeckt super.«

»Sehr gern! Danke für deine Mühe, übrigens.« Er lächelt mich an, bevor er sich wieder seinem Essen widmet. Ich frage mich, was David davon halten würde, wenn er uns beide jetzt so sehen könnte? Würde er sich vielleicht nicht mal was dabei denken? Das ist sogar gut möglich. Er macht nicht unbedingt den Eindruck auf mich, als wäre er der eifersüchtige Typ...

Ich fühle mich überfordert. Da ist dieser tolle Kerl, der mir Blumen schenkt, eine super Persönlichkeit besitzt und mich gut behandelt. Und dann ist da dieser andere tolle Kerl, der sehr freundlich und zuvorkommend zu mir ist, aber kein Fünkchen romantisches Interesse an mir hat... aber ich an ihm. Und das ist wirklich ein Problem.

Während ich auf dem Gemüse herumkaue wird mir klar, dass das so nicht weiter gehen kann. Entweder ich bekomme meine Gefühle in den Griff, oder ich lasse David gehen. Er hat was besseres verdient, als eine Frau, die nur mit halbem Herzen bei der Sache ist. 

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