Just Liverpool

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Dinner, war das den immer so. Wie sollte Annalena den jetzt etwas zu essen runterbekommen? Seit Tagen hatte sie keinen Appetit und Hunger schon gar nicht. Selbst Daniel, der sie so gut kannte, begann sich Sorgen zu machen. Aber sobald sie Essen sah, wurde ihr schlecht. Die Nervosität, die sie seit dem 08.12 begleitete, machte das alles so viel schwerer.

Annalena fühlte sich beobachtet, und zwar von allen Seiten was, wenn sie das falsche Essen auswählt oder zu viel aß. Was würden den die Kollegen denken, wenn sie lieber ein Bier hätte als ekligen Rotwein herunterzuwürgen? In der Welt der Diplomatie glich jeder Schritt einem Lauf auf einem Drahtseil. Sie wollte einfach nichts falsch machen.

Das Restaurant lag in einem guten Stadtteil von Liverpool in einem der zahlreichen Hochhäuser, wenigstens würde sie einen schönen Ausblick haben, während ihre Gedanken Amok liefen. Sie jeden ihrer Schritte kontrollierte.

"Merde!", Mélanie schreckte nach oben, als sie auf die Uhr schaute. Eigentlich wollte sie sich nur 20 Minuten ausruhen und jetzt waren es 50 geworden sie würde zu spät kommen, war ihr Tag nicht schon beschissen genug gewesen? Sie wusste sich nicht anders zu helfen, als die Augen zu schließen, in ihren Gedanken tauschte immer wieder das gleiche Bild auf.

Sie, die sich versprach und Annalena die mit Blinken über sie lästerte. Natürlich wusste sie, dass keiner ihrer Kollegen derart kindisch war, doch, was war, wenn sie es in Gedanken taten. Jetzt sollte sie auch noch mit ihnen essen gehen, um sich besser kennenzulernen und den Tag entspannt ausklingen zu lassen. Ganz entspannt, dachte sich Mélanie. Das würde niemals funktionieren. Sie griff nach ihrem Mantel und der Handtasche und sprintete aus dem Hotel.

Gerade rechtzeitig erreichte sie die große Glastür am Eingang des Hochhauses sie war nicht zu spät alles noch mal gut gegangen. Zu ihrem Glück hatte es auch aufgehört zu regnen, sodass sie wenigstens nicht komplett durchnässt erschien. Vor dem Fahrstuhl sah sie eine andere Person stehen und hoffte, sie würde sie nicht bemerken bevor sie in den Spiegel schauen konnte.

"Ms Joly", Annalena hatte das laute Atmen gehört als die Frau neben ihr zum Stehen kam und drehte nun ihren Kopf zu der Kanadierin.

"Minister Baerbock", keuchte Mélanie außer Atem.

Die beiden Frauen starrten sich an keine wusste so richtig, wie sie anfangen sollte ein Gespräch zu führen. Sie schauten sich einfach nur an. Das Pling des Fahrstuhls erlöste sie und beide traten ein, doch Annalena konnte ihren Blick nicht von der Blonden lösen.

"Dein Kragen ist ganz schief", nuschelte sie und Mélanie schaute hoch in die verspiegelte Decke, noch bevor sie ihre Hände heben konnte, stand Annalena direkt vor ihr und zupfte an der Bluse herum. Sie schob den Blazer ein Stück zurück und richtete den Kragen, bevor sie ihr auch den Blazer richtete. Mélanie hoffte, dass Annalena nicht merkte, wie schnell ihr Herz schlug.

"Jetzt siehst du wieder gut aus!", sagte Annalena und brachte schnell wieder Abstand zwischen sie und die andere Frau.

***

Gemeinsam traten sie aus dem Fahrstuhl und wurden von ihren Kollegen begrüßt, die alle bereits versammelt am Tisch saßen. Kurz schauten sich Annalena und Mélanie an und beschlossen, jetzt erst recht. Sie gingen stolz nebeneinander her, schüttelten Hände, wie als hätten nicht alle nur auf sie gewartet.

Natürlich saßen die beiden Frauen auch gleich nebeneinander und steckten die Köpfe zusammen, stimmten sich ab, wie sie weiter vorgehen wollten. Sie hatten keine Lust sich die Butter vom Brot nehmen zu lassen, nur weil sie Frauen waren.

Mélanie schlug mit der Faust auf den Tisch, als sie sah, wie sich die Männer abgewandt von ihnen unterhielten sich scheinbar lustig machten. Jedenfalls warfen sie den beiden Frauen komische Blicke zu. Annalena räusperte sich und setzte an.

Best Friends or foreverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt