Irgendwann muss ich wohl doch eingeschlafen sein, denn als ich die Augen wieder aufschlug, schien der Mond in mein Gesicht und Shadow war nicht mehr neben mir. Ich blieb noch eine Weile liegen, bis sich die Tür vorsichtig öffnete und Storm durch den Türspalt spähte.
"Bist du wach?", fragte er mich.
"Mja", antwortete ich brummelig. Mit einem Lächeln kam er ins Zimmer und ich bemerkte, dass er ein Tablett mit Essen bei sich hatte, welches er neben sich stellte, als er sich auf die Bettkante setzte.
"Ich soll dir Frühstück bringen, mit den besten Grüßen von unseren Köchen, du hast bestimmt Hunger"
"Oh, ja, vielen Dank" Ich setzte mich rasch auf und begann das Essen mehr oder weniger runter zu schaufeln. Ich hatte einen Mordshunger.
"Shadow ist vorhin weggefahren und er meinte, er käme erst in ein paar Tagen wieder, hättest du vielleicht Lust, heute einen kleinen Spaziergang zu machen? Dann zeig ich dir ein bisschen was von meiner Welt, wenn du willst." Ich nickte begeistert. Da draußen musste es so viele schöne Dinge geben, ich hatte letzte Nacht schon kleine, glühwürmchenartige Wesen gesehen, die durch die Nacht tanzten und war hin und weg von ihrem Anblick.
"Gut, dann hole ich dich später vor deinem Schlafzimmer ab, dann hast du noch Gelegenheit, dir etwas, naja, sagen wir Passenderes anzuziehen. Bis gleich." Und damit war er schon wieder aus dem Zimmer raus. Ich aß noch schnell zu Ende, dann ging ich in Shadows anderes Zimmer, duschte und zog mich an. Irgendjemand hatte mir Klamotten auf mein Bett gelegt. Die Zeit, bis Storm endlich an meine Tür klopfte, schien ewig lange zu dauern, so aufgeregt war ich. Ich konnte es gar nicht erwarten, das alles zu sehen und später zu zeichnen, damit ich es nie vergessen würde.
"Sky? Bist du fertig?", fragte er mich durch das Holz der Tür. Ich öffnete sie grinsend.
"Na klar", antwortete ich euphorisch. Ich nahm meinen Block und einen Stift und dann ging ich mit Storm aus dem Haus. Sofort fiel meine Kinnlade nach unten. Wir standen in einem Garten, durch den sich ein Weg aus steinartigen Kügelchen schlängelte, die schwarz gefärbt waren, silbrige Punkte hatten und die Dunkelheit soweit erleuchteten, dass ich genug sehen konnte, um alles aufzumalen. Hier wuchsen alle möglichen Pflanzen und Blumen, die ich noch nie gesehen hatte, in allen möglichen Farbkombinationen. Storm nahm meine Hand und zog mich kichernd ein wenig weiter.
"Komm, du kannst nicht die ganze Nacht hier stehen bleiben, es gibt doch noch viel mehr zu sehen", lachte er. Ich ließ mich von ihm mitziehen, mein Stift raste über das Papier und es dauerte nicht lange, da war das erste Blatt voll.
Der Weg führte zu einem breiten Tor, dahinter lag eine Wiese mit Gras, das mir bis zur Brust ging und in der Ferne konnte ich den Lichtschein eines kleineren Dorfes erkennen. Die Luft war erfüllt mit Summen, Zirpen, Trällern, Rufen und Brummen. Storm führte mich zu einem kleinen Trampelpfad, der durch die Wiese führte und wir liefen langsam in Richtung des Dorfes. Ich glaube, Storm wäre gerne schneller vorangekommen, aber ich blieb immer wieder stehen um mir irgendetwas genauer anzusehen.
"Oh Storm, es ist so unglaublich schön hier", seufzte ich und er lächelte mich an.
"Warte nur, bis du in der Stadt bist, ich glaube, ich kenne da einen Laden, der dir noch mehr gefällt, als das hier" Ich wollte grade zu einer Antwort ansetzen, als ich das sah, was den heutigen Tag perfekt machte. Vor mir lief ein Einhorn durch das hohe Gras. Ein verdammtes Einhorn. Ich machte vor lauter Überraschung einen sehr quietschigen Laut, was es erschreckte und weglaufen lies, aber das konnte meine Aufregung nicht trüben.
"Storm, hast du das gesehen? Ein Einhorn! Da war ein Einhorn!!", rief ich und hüpfte auf der Stelle, wie ein kleines Kind. Storm brach in schallendes Gelächter aus, packte mich an den Hüften und legte mich über seine Schulter, wie einen Sack Kartoffeln.
"Komm, du kleiner Flummi, wir wollen ankommen, bevor es wieder Tag wird, sonst musst du mich zurücktragen", lachte er zwischen meinen protestierenden Lauten. Wir kamen nun recht schnell voran und kurze Zeit später setzte Storm mich auch schon wieder ab. Wir standen vor einem riesigen Tor, das in das Dorf hineinführte. Links und rechts standen je zwei Wächter, die mindestens doppelt so groß waren, wie ich selbst und mich ein wenig skeptisch betrachteten. So schön ich das Dorf auch fand, vor diesen Gestalten hatte ich ein wenig Angst, also nahm ich Storms Hand und blieb dicht bei ihm, als wir hindurch gingen.
Die Häuser, die uns erwarteten, waren schief und krumm gebaut, aber alles sah gemütlich und schön aus. Überall liefen die verschiedensten Gestalten durch die Gassen und Straßen und an jeder Ecke stand ein anderer Händler, der jedes Mal etwas Anderes zu verkaufen hatte. Mein Stift müsste dringend mal angespitzt werden, aber ich hatte nicht daran gedacht, einen mitzunehmen, also skizzierte ich einfach weiter.
Wir standen schließlich vor einem schwarzen Gebäude, das ein wenig aussah, wie ein Pub. Die Tür öffnete sich lautlos und wir gingen hinein. Völlige Dunkelheit umgab uns.
"Storm? Was ist das hier?", flüsterte ich, doch noch bevor er antworten konnte, glommen kleine rote Lichter überall im Raum auf und eine Stimme antwortete mir.
"Dies hier, kleines Mädchen, ist das Reich der Verlorenen. Mein kleines bescheidenes Atelier im Herzen der Stadt." Aus dem Schatten trat ein Mann, der ungefähr so groß war, wie Storm. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen, da er ein langes schwarzes Gewand trug, aber in seiner Gegenwart fühlte ich wohl, warum auch immer.
"Storm, was für eine Überraschung dich zu sehen. Du warst lange nicht mehr hier, was verschafft mir die Ehre, unruhiger Wanderer?" Storm antwortete nicht auf die Frage, er sah nur in meine Richtung.
"Drakon, ich möchte dir Sky vorstellen. Sie kommt aus der anderen Welt."
Drakon machte nun einige Schritte auf mich zu und strich mit einem seiner langen, dünnen Finger über meine Wange.
"Ja, das sehe ich. Wunderlich, wahrlich wunderlich. Ahh, es ist so lange her, dass sich ein Mensch in meinen bescheidenen Räumlichkeiten befunden hat. Aber ich hüte diese Erinnerung sorgsam." Er setzte die Kapuze langsam ab. Zum Vorschein kamen rabenschwarzes Haar, weiße Haut, giftgrüne Augen und ein Lächeln, das mir die spitzesten Zähne zeigte, die ich bisher gesehen hatte. Drakon beugte sich zu mir.
"Willkommen in der Dunkelheit, Sky", raunte er mir ins Ohr.
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A.N.: Oben sind ein paar Skizzen zu sehen, die Sky auf dem Weg gemacht hat. ^-^
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Shadow
FantasyHi, ich bin Sky, eigentlich heiße ich Skylar, aber nennt mich einfach Sky. Ich bin nicht wirklich hübsch, auch nicht hochbegabt oder so was, aber ich liebe es zu zeichnen. Am liebsten zeichne ich Anderwesen, wie Gargoyles oder Vampire. Alle halten m...